Porsche-Chef Mathias Müller nannte das autonome Fahren im September letzten Jahres einen "durch nichts zu rechtfertigenden Hype" - und wieder wurde das arabische Sprichwort bestätigt, wonach jemand der die Wahrheit sagt am besten schon einen Fuss im Steigbügel haben sollte, denn es hagelte natürlich Kritik.
Google & Co. reden gerne von ihren gefahrenen Kilometern, aber Kilometer auf Strassen ohne echte Hindernisse auf einem Parcour abzuspulen ist eine Sache.
Ich bevorzuge, in "Fahrten" zu rechnen. Sagen wir mal ich mache jeden Tag 2 Fahrten (zur Arbeit und Zurück). Urlaub, Sonntags und Feiertage gehen ab an denen ich niemals fahre, also sagen wir 250 Tage im Jahr.
Macht 500 Fahrten pro Jahr. Unfallfrei bin ich seit 28 Jahren - und ich fahre viel, ich gehöre zu den Leuten die täglich bis zu 200 km abspulen fürs Pendeln.
Ergibt also 14000 Fahrten (die tatsächliche Zahl dürfte bestimmt 3-5 mal so hoch sein, aber rechnen wir einfach mal mit dem sehr niedrigen Wert).
Nehmen wir an ich würde auf meiner nächsten Fahrt einen Unfall verursachen - dann wäre mein persönliches Unfallrisiko 14000 zu 1.
Oder anders ausgedrückt: (100/14001)*14000, ergibt eine Sicherheitsquote von 99,993%.
Ein autonomes System, welches diese Quote nicht wenigstens erreicht (wir hatten mit einem sehr niedrigen Wert gerechnet) wird mich wesentlich wahrscheinlicher in einen Unfall verwickeln als wenn ich selber fahre - da wäre es doch blöd von mir, mich einem solchen System anzuvertrauen.
Und dann das nächste grosse Problem: Wer haftet dafür ? Wenn mich mein neues automomes Fahrzeug in einen Unfall verwickelt den ICH statistisch gesehen nicht verursacht hätte, für den ich aber als "Fahrzeugführer" verantwortlich gemacht werde - da wäre ich doch 2 mal blöd, ein autonomes Fahrzeug zu benutzen, oder ?
Unterm Strich sieht es so aus: Ja, Fahren wie die Jetsons mit einem Fahrzeug, das nur noch einen Knopf zum ein- und ausschalten hat, das wäre witzig. Aber NUR wenn es neben den autonomen Fahrzeugen autonome Leitsysteme gibt, so dass das Fahrzeug automatisch und selbstverantwortlich fährt - sprich, ICH nicht mehr hafte wenn was passiert. Und zweitens wenn die tatsächliche Sicherheit eines autonomen Fahrzeugs mindestens so hoch ist wie ich selbst es kann, und das IST sehr hoch.
Wer die Digitalisierung im Flugzeugcockpit mitverfolgt hat, der weiss, dass das Bestreben von Ingenieuren, den Faktor Mensch anhand früherer Unfälle von gewissen Handlungen auszuschliessen, oft selbst zur Unfallursache wurde. Als Beispiel der Lufthansa-Airbus, der in Warschau bei der Landung bei Aquaplaning über das Ende der Landebahn hinausschoss. Der Grund für den Unfall war der Absturz einer japanischen 747, bei der die Piloten in einem Anfall geistiger Umnachtung den Umkehrschub in der Luft aktivierten, weil sie zu hoch und zu schnell anflogen und eigentlich hätten durchstarten müssen, aber das vermeiden wollten weil sie anschliessend nochmal 20 Minuten Warteschleife hätten drehen müssen. Die Ingenieurslösung war, dass jedwedes Bremsen nur möglich war, wenn das Flugzeug gelandet war. Aufgrund des Regens und Aquaplanings bekam die Maschine nach der Landung an den Rädern aber nicht genügend "Spin-Up" - die Räder drehten sich zu langsam, der Computer schloss daraus "wir sind noch nicht gelandet" und die Piloten hatten keine Möglichkeit, die Maschine durch Radbremsen oder Schubumkehr zu verlangsamen - Crash durch Ingenieursversagen.
Oder ein anderes, unblutigeres Beispiel aus der Kategorie "Denkste!", ebenfalls von Airbus: zur Zeit des A310 fing Airbus schon stark mit der Computerisierung an. Da man keine Erfahrung hatte legte man die Systeme 3x3-fach redundant aus: 3 verschiedene Computer, mit 3 verschiedenen Betriebssystemen. Damit, so schlussfolgerten die Ingenieure, war man absolut sicher, denn die Panne, die 3 völlig unterschiedliche Systeme gleichermassen betreffen würde, gab es nicht. Bis man eine A310 abends auf dem Vorfeld in Nairobi abstellte und morgens um 11 Uhr zu einem Flug starten wollte, die Maschine aber hartnäckig den Dienst verweigerte: die Tropenhitze der Vormittagssonne hatte das Flugzeuginnere so aufgeheizt, dass alle 3 Systeme ausfielen und sich die Maschine nicht starten lies. Nichts passiert, ausser dass die Denke "wenn wir 3-fache Redundanz haben kann gar nichts passieren" sich als nicht ganz zutreffend erwies. Es gab diesen einen Faktor, der alle Vorkehrungen überging.
Für Autos bedeutet das: Haufenweise Redundanz, haufenweise Sensorik, haufenweise teure Systeme. Autonome Fahrzeuge werden erheblich teurer werden als selbstgefahrene. Auch das wird sich auf die Akzeptanz auswirken. Wer wird sich einen Lada zum Preis eines Mercedes kaufen ? Nicht viele, denke ich.
Womit ich bei dem Punkt bin, den Porsche-Chef Müller schon angesprochen hat: Autonomes Fahren ist ein Hype.
Es wird teilautonome Systeme und ausgeklügelte Assistenten geben, die hoffentlich Auffahrunfälle, Parkrempler und Übermüdungsunfäle durch Verlassen der Fahrspur verhindern.
Aber bevor wir bei den Jetsons sind müssen die Autos zusätzlich erst noch fliegen lernen.