Alu-Elektrolyten vs. Polymer-Kondensatoren auf der Primärseite:
Reine Optik oder Nutzen für die Sekundärseite?
Einleitung
Viele von euch kennen das: man plant einen Recap eines Boards und stößt auf einen Kondensator wie z.B. den Rubycon ZL in 1200µF / 16V mit etwa ESR20 und 2150mA Ripple oder einen seiner Äquivalente wie bspw. dem UCC KZE, dem Nichicon HD usw... Da man bei vielen Boards auf der Sekundärseite eh Polymere setzen muss, stellt sich auch bei der Primärseite manchmal die Frage ob man hier ausreichende Alu-Elektrolyten setzt wie z.B. die modernen Nichicon UHW oder ob man aus optischen Gründen Polymere verbauen möchte. Aber abseits von der Frage der Optik und somit des persönlichen Geschmacks – tut man der Sekundärseite vielleicht sogar etwas gutes, wenn man dort Polymere verbaut, sofern das Board dieses "Upgrade" verträgt?
Das wollen wir uns heute mal näher anschauen. Rein kostentechnisch liegen z.B. die UHWs sowie die KEMET A750 mit 1200µF / 16V relativ nah beieinander mit nur wenigen Cent Preisaufschlag für die Polymere, sodass es rein aus Kostensicht nicht viel ausmacht.
Testsetup
Mainboard: ABIT AN7 – Sockel A
CPU: AMD Athlon XP 3200+ @ default, 1,65V
Netzteil: Corsair CX850M
Bestückung: 4x UHW 1200µF / 16V vs. 4x A750 1200µF / 16V
Kandidat 1: Nichicon UHW 1200µF / 16V
Erstmal schauen wir uns an, was auf der Primärseite überhaupt so zu sehen ist:
Hier sehen wir nun das 12V Signal direkt am Kondensator gemessen und wie man sofort sieht, ist hier ganz schön Bewegung drin. Die Spannung liegt zwischen 11,6V und 12,6V mit zwei unterschiedlichen Mustern, die sich im Zeitverlauf zeigen. Zum einen haben wir einen Overshoot mit leichtem Klingeln in der Wiedereinpegelung und einen Drop mit ebenfalls darauf folgender Normalisierung der Spannung. Was hier genau passiert und wie sich dieses Muster ergibt, zeigt sich hier:
Das AN7 verfügt über eine 3-Phasen Stromversorgung. Das was wir hier nun sehen ist der Duty Cycle von einem der drei primärseitigen Mosfets in türkis auf dem zweiten Kanal dargestellt. Das 12V Signal am Kondensator habe ich aus Gründen der besseren Sichtbarkeit etwas nach unten verschoben, damit es sich nicht so stark überlagert. Die türkise Linie zeigt nun an, in welcher Zeit das Mosfet aktiv ist und wie sich das auf den Spannungsverlauf am Kondensator auswirkt.
Etwas vergrößert für die gelbe Linie sieht das dann so aus:
In der Ripple Messung mit AC Abtastung kommen wir in der
Peak to Peak Messung auf einen Durchschnitt von
932mV. Etwa 460mV ergeben sich für den oberen Bereich in Form von Overshoots, etwa das gleiche entfällt auf die Drops im Spannungsverlauf. Im Vergleich
zu den Messungen von A750 vs. PLG ergibt sich hier eine ganz andere Dimension und zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es ist, tlw. in der Kondensatorauswahl (z.B. in Netzteilen) für die 5V Rail nicht mit 6,3V Kondensatoren zu arbeiten, sondern vielleicht mit 10V Sorten, wo Spikes von etlichen 100mV ansonsten bedeuten würden, dass der Kondensator ziemlich nah an der Kotzgrenze betrieben wird.
Aber was bedeutet das nun für die Sekundärseite?
Hier sehen wir das Vcore Signal in der DC Abtastung auf der Sekundärseite mit
durchschnittlich 21,5mV Restwelligkeit, etwa 20,2mV als Minimum und 23,9mV als Maximum. Ein Blick ins Histogramm:
Hier sehen wir wieder die Verteilung und eine deutliche Verteilung zwischen 21mV und 22mV mit nur wenigen Ausreißern in die beiden anderen Richtungen. Für alle die, die sich fragen warum das Histogramm immer einen Blick Wert ist, denen sei als Beispiel mal so eine Grafik gezeigt:
Das hier ist ein degenerierter Primärkondensator des AN7 in der Originalbestückung, dessen Filterleistung ordentlich nachgelassen hat und eine zweite Glocke zeigt, wo sich die Ausreißer summieren. Das gibt es noch in fieser, mit drei und vier Glocken mit tlw. riesigen Abständen dazwischen, je nach dem wie kaputt der Kondensator schon war. So, back to topic:
Schauen wir nun mal in die
AC Abtastung und die
Vtop Messung:
Hier zeigt sich in Relation zum Nullpunkt eine
obere Restwelligkeit von durchschnittlich 13,4mV mit einem Minimum von 11,8mV und Maximum von 14,9mV. Ein erneuter Blick ins Histogramm:
Auch hier zeigt sich deutlich das zu erwartende Bild ohne größere Ausreißer mit einer gehäuften Verteilung zwischen etwa 12,6mV und 13,8mV.
Schauen wir uns jetzt mal an, wie sich das verhält, wenn wir statt der Alu-Elektrolyten an der Stelle die Polymere setzen:
Kandidat 2: KEMET A750 1200µF / 16V
Schauen wir direkt mal wieder in die eingezoomte Messung in der AC Abtastung in Relation zum Nullpunkt:
Oha
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Hier hat sich nun schon eine deutliche Änderung eingestellt. Obwohl die Charakteristik des Signals sich nicht wesentlich verändert hat, sehen wir nun mit den A750
nur noch durchschnittlich 658mV in der Peak to Peak Messung statt 932mV bei den UHW. Das ist mal eine deutliche Änderung. Die Overshoots sind von maximal etwa 450mV auf maximal etwa 360mV reduziert und die Drops sind von maximal etwa -440mV auf -300mV gesunken. Die Filterleistung der A750 ist hier an dieser Stelle also schonmal deutlich besser. Werfen wir ein Blick ins Histogramm:
Hier sehen wir eine deutliche Häufung zwischen etwa 650mV und 670mV. Die Ausreißer in Richtung 700mV bis 714mV in der Spitze sind anteilsmäßig extrem wenig vertreten.
Klingt doch viel besser als mit den UHWs oder? Schauen wir doch mal, was die Sekundärseite dazu sagt:
Hier sehen wir wieder das bekannte Vcore Signal in der DC Abtastung, dieses Mal mit
durchschnittlich 20,7mV in der Peak to Peak Messung und 19,1mV als kleinsten sowie 22,4mV als größten Wert. In der Messung mit den UHWs hatten wir einen Durchschnitt von 21,5mV, also etwa 0,8mV schlechter als mit den A750. Sprich: Der Unterschied ist sehr sehr gering, viel geringer als die eben noch gesehene Differenz auf der Primärseite vermuten ließe. Schauen wir ins Histogramm:
Hier liegen wir nun mit der Häufung zwischen etwa 20,2mV und 21,3mV. Wieder eine homogene Verteilung, wie es zu erwarten war. Zuletzt schauen wir uns die Vtop Messung noch an:
In der AC Abtastung in Relation zum Nullpunkt ergibt sich eine obere Restwelligkeit von
durchschnittlich 12,7mV mit einem Maximum von 14,7mV und einem Minimum von 11,5mV. Bei den UHWs hatten wir einen Durchschnitt von 13,4mV. Genau hier, also in der Vtop, liegt somit der Bärenanteil der Differenz von etwa 0,7mV. Ein Blick noch ins Histogramm:
Wie zu erwarten war, sehen wir auch hier eine entsprechend homogene Verteilung mit einer Häufung zwischen etwa 12,2mV und 13,3mV.
Zusammenfassung Messergebnisse:
Messung | Nichicon UHW 1200µF / 16V | KEMET A750 1200µF / 16V |
---|
Ripple gesamt Primärseite | Max. 949mV | Min. 921mV | ø 932mV | Max. 713mV | Min. 639mV | ø 658mV |
Ripple gesamt Sekundärseite | Max. 23,9mV | Min. 20,2mV | ø 21,4mV | Max. 22,4mV | Min. 19,1mV | ø 20,7mV |
Ripple Vtop Sekundärseite | Max. 14,9mV | Min. 11,8mV | ø 13,4mV | Max. 14,7mV | Min. 11,5mV | ø 12,7mV |
Fazit:
Sind Polymere Nutzen oder Optik auf der Primärseite für die Sekundäre Versorgung?
Optik*!
Betrachtet man die Ergebnisse im Detail, ergeben sich nur minimale Auswirkungen auf die Sekundärseite der Spannungsversorgung mit einem
Delta von etwa 0,8mV in der Restwelligkeit im Durchschnitt. Das ist nicht wirklich der Rede Wert.
Die Kondensatoren im Primärbereich haben als Hauptaufgabe die störenden Auswirkungen der Schaltvorgänge der Mosfets vom Netzteil fernzuhalten und eine stabile Spannungsversorgung für die Einspeisung zur Sekundärseite zu gewährleisten. Dadurch, dass die Mosfets auf der Sekundärseite sowieso einen variablen Spannungseingang von (im Falle des AN7) maximal 50V haben, sind sie durch die paar hundert mV Restwelligkeit in keiner Weise gefährdet. Zusammen mit der Drosselspule werden hier auf der Primärseite die Strompulse sowie Hochfrequenzrückwirkungen effektiv minimiert.
*Man muss aber auch dazu sagen, dass das AN7 eine ziemlich solide Spannungsversorgung mit einer hohen Frequenz von etwa 530 KHz fährt. Niedriger taktende VRM Designs haben von Natur aus eine höhere Restwelligkeit. Kombiniert man das dann noch mit einer nur zweiphasigen Spannungsversorgung statt einer dreiphasigen, ergeben sich deutlich verstärkte Effekte, sodass die Auswirkungen von Polymeren auf die Primärseite deutlicher ausfallen könnten, allerdings reden wir da häufig von Low-End VRM Designs, die eh nicht besonders gut auf straffe Polymere zu sprechen sind, sodass man hier im Einzelfall jeweils schauen muss, ob er Einsatz überhaupt möglich wäre. Zumindest bei Highend / OC-Platinen, die mindestens drei Phasen haben und irgendwo im Bereich über 300 KHz takten, sollten die Auswirkungen auf die Sekundärseite also wirklich zu vernachlässigen sein, sodass man hier sagen kann: es entscheidet die Optik / der persönliche Geschmack.
Interessant ist an dieser Stelle zu bemerken, wie viel besser die Filterleistung eines gleich großen Polymer Kondensators gegenüber seinem normalen Alu-Elektrolyt Kollegen ist, wenn sie mit einem Signal mit sehr viel Ripple beschickt werden. Wir haben hier bei gleicher Kapazität mal eben rund 30% weniger Ripple für den Polymer Kondensator.