silverbullet
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Bei Casting-Shows wie "Deutschland sucht den Superstar" geben die Kandidaten ihre Selbstachtung auf. Mit Erfolg. Okay, ihre Sache. Aber was, wenn auch die Zuschauer diese Lebenshaltung verinnerlichen?
Von Michael Ebert
Es gibt Streber - Menschen, die um alles in der Welt erfolgreich sein wollen. Und es gibt Schleimer - das sind Streber, die sich nicht auf ihre Fähigkeiten verlassen können und deshalb auf einer Glibberspur aus Heuchelei und Masochismus durchs Leben kriechen. Streber sind manchmal ein bisschen anstrengend, aber eigentlich okay. Jeder wie er mag. Und Schleimer gehören eigentlich schon immer zu den anerkannt verachtenswerten Randgruppen der Gesellschaft. Dachte ich.
Ich hab mich geirrt. Im Fernsehen läuft "Deutschland sucht den Superstar". Ein Schleimer zu sein ist in Mode. Wieder singen da Frauen und Männer vor einer Jury aus vier Trotteln, stellen sich anschließend einem Dauerfeuer aus Beleidigungen, Alt-Herren-Humor und schmierigen Anspielungen - und lassen sich kommentarlos Demütigungen gefallen wie diese von Dieter Bohlen: "Du singst scheiße. Da brauchen wir nicht drum rum reden. Das ist unterirdisch".
Es gibt scheinbar einen wachsenden inneren Drang, sich ausgiebig öffentlich lächerlich zu machen. Immer mehr Menschen bewerben sich für Casting-Shows: 10 846 für die dritte Staffel von "Popstars". 150 000 haben das Anmeldeformular für die zweite Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" aus dem Netz geladen. 40 000 Anfragen gingen für "Starsearch" ein - und alle Bewerber sind bereit, sich lächelnd unter dieselbe Scheißedusche zu stellen.
Was alle Bewerber gemeinsam haben: die Gefallsucht. Das Devote. Das Schleimige. Casting-Shows etablieren eine Generation von Arschkriechern. Ihre Botschaft an die Welt: 1. Es ist okay, ein Rückgrat zu haben wie Erdbeerglibber - es hilft dir bei deiner Karriere. 2. Wer dich beleidigt, hat Recht. 3. Du kannst es im Leben zu etwas bringen - wenn du immer das tust, was dein Chef dir sagt. Und ansonsten die Schnauze hältst. Das Eigenartige: Alle finden diese Botschaft offensichtlich völlig in Ordnung. Was passiert, wenn die rund 200 000 Bewerber der verschiedenen Casting-Shows und die zehn Millionen Zuschauer pro Sendung diese Bück-dich-Philosophie nach ein paar weiteren Samstagabend-Hirnwäschen verinnerlichen? Ist es künftig okay, sich im Büro von seinem Chef anfummeln zu lassen - so wie sich die "Popstars"-Bewerberinnen von dem dumpfen Tanzbären Detlef "Dee" Soest begrabschen lassen? Ist es dann okay, wenn sich Mädchen bei Bewerbungsgesprächen in knappen Oberteilen als halbgare und halbgeile Luder andienen und mit Dorfdisco-Chic auf freie Stellen schmuddeln?
Es ist nicht okay. Es ist auch nicht "professionell" - wie es uns Casting-Shows einreden wollen -, jeden Mist mitzumachen, nur um "eine Runde weiter zu kommen" im Leben. Es ist ein erbärmliches Verständnis von Professionalität, seinen Stolz und sein Selbstwertgefühl aufzugeben, um als speichelleckender Erfüllungsgehilfe seines Vorgesetzten voranzukommen. Wohin auch immer. Ich versteh ja den Ehrgeiz der "Superstar"-Anwärter: Endlich hört mal jemand zu. Die Chance will man nicht auslassen. Aber mir graut davor, dass sich diese Gehorsams-Mentalität in die Wirklichkeit ausbreitet. Wir alle zu ähnlich öligen Bücklingen werden wie die Bewerber im Fernsehen, die alles tun für ein wenig Aufmerksamkeit - weil wir denken, dass das nötig ist, um voranzukommen. Grinsend und nickend und devot durch die Welt staksen, Hohlköpfe, in die man alles stopfen kann, so lange man ihnen vormacht, dass sie irgendwann ganz groß rauskommen könnten. Wenn sie sich weiter so gut benehmen. Und jetzt alle zusammen: "We have a dream ?"
Von Michael Ebert
Es gibt Streber - Menschen, die um alles in der Welt erfolgreich sein wollen. Und es gibt Schleimer - das sind Streber, die sich nicht auf ihre Fähigkeiten verlassen können und deshalb auf einer Glibberspur aus Heuchelei und Masochismus durchs Leben kriechen. Streber sind manchmal ein bisschen anstrengend, aber eigentlich okay. Jeder wie er mag. Und Schleimer gehören eigentlich schon immer zu den anerkannt verachtenswerten Randgruppen der Gesellschaft. Dachte ich.
Ich hab mich geirrt. Im Fernsehen läuft "Deutschland sucht den Superstar". Ein Schleimer zu sein ist in Mode. Wieder singen da Frauen und Männer vor einer Jury aus vier Trotteln, stellen sich anschließend einem Dauerfeuer aus Beleidigungen, Alt-Herren-Humor und schmierigen Anspielungen - und lassen sich kommentarlos Demütigungen gefallen wie diese von Dieter Bohlen: "Du singst scheiße. Da brauchen wir nicht drum rum reden. Das ist unterirdisch".
Es gibt scheinbar einen wachsenden inneren Drang, sich ausgiebig öffentlich lächerlich zu machen. Immer mehr Menschen bewerben sich für Casting-Shows: 10 846 für die dritte Staffel von "Popstars". 150 000 haben das Anmeldeformular für die zweite Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" aus dem Netz geladen. 40 000 Anfragen gingen für "Starsearch" ein - und alle Bewerber sind bereit, sich lächelnd unter dieselbe Scheißedusche zu stellen.
Was alle Bewerber gemeinsam haben: die Gefallsucht. Das Devote. Das Schleimige. Casting-Shows etablieren eine Generation von Arschkriechern. Ihre Botschaft an die Welt: 1. Es ist okay, ein Rückgrat zu haben wie Erdbeerglibber - es hilft dir bei deiner Karriere. 2. Wer dich beleidigt, hat Recht. 3. Du kannst es im Leben zu etwas bringen - wenn du immer das tust, was dein Chef dir sagt. Und ansonsten die Schnauze hältst. Das Eigenartige: Alle finden diese Botschaft offensichtlich völlig in Ordnung. Was passiert, wenn die rund 200 000 Bewerber der verschiedenen Casting-Shows und die zehn Millionen Zuschauer pro Sendung diese Bück-dich-Philosophie nach ein paar weiteren Samstagabend-Hirnwäschen verinnerlichen? Ist es künftig okay, sich im Büro von seinem Chef anfummeln zu lassen - so wie sich die "Popstars"-Bewerberinnen von dem dumpfen Tanzbären Detlef "Dee" Soest begrabschen lassen? Ist es dann okay, wenn sich Mädchen bei Bewerbungsgesprächen in knappen Oberteilen als halbgare und halbgeile Luder andienen und mit Dorfdisco-Chic auf freie Stellen schmuddeln?
Es ist nicht okay. Es ist auch nicht "professionell" - wie es uns Casting-Shows einreden wollen -, jeden Mist mitzumachen, nur um "eine Runde weiter zu kommen" im Leben. Es ist ein erbärmliches Verständnis von Professionalität, seinen Stolz und sein Selbstwertgefühl aufzugeben, um als speichelleckender Erfüllungsgehilfe seines Vorgesetzten voranzukommen. Wohin auch immer. Ich versteh ja den Ehrgeiz der "Superstar"-Anwärter: Endlich hört mal jemand zu. Die Chance will man nicht auslassen. Aber mir graut davor, dass sich diese Gehorsams-Mentalität in die Wirklichkeit ausbreitet. Wir alle zu ähnlich öligen Bücklingen werden wie die Bewerber im Fernsehen, die alles tun für ein wenig Aufmerksamkeit - weil wir denken, dass das nötig ist, um voranzukommen. Grinsend und nickend und devot durch die Welt staksen, Hohlköpfe, in die man alles stopfen kann, so lange man ihnen vormacht, dass sie irgendwann ganz groß rauskommen könnten. Wenn sie sich weiter so gut benehmen. Und jetzt alle zusammen: "We have a dream ?"