Mann, immer wird auf den armen Kabeln herumgehakt.
Die Signale müssen vor und hinter dem Kabel komplizierteste Wege, Wicklungen und Schaltkreise passieren.
Und wenn was nicht funzt, wer-oder-was ist Schuld? Das Kabel, na klar.
Nein, der Murks passiert nicht im Kabel, sondern an dessen Enden.
Mag sein, dass eine irgendwie höherwertige Strippe (dessen Qualität sich keinesfalls durch sein Preisschildchen definieren lässt), einen Hauch
einen Hauch
mehr Signalstabilität erlaubt…
Aber nein: Der neue Moni ist ja soo edel, die Liste seiner Features wickelt sich dreimal um seine Kartonage. Die Graka, die GraKa, war soo teuer, und ich habe mir geschlagene 3 Nächte in den Online-Foren um die Ohren gehauen, bis ich alle Abkürzungen seiner Funktionen verstanden habe.
Und nun? Funzt nich‘.
Erstmal schlechte Laune holen: Alle GraKa-Treiber runter, dann alle wieder rauf.
Dann Wirbelsäule hinterm PC-Gehäuse verbiegen, um an allen Steckkontakten zu rütteln.
Mist, funzt immernoch nicht.
Ahh! Na, was halte ich denn hier in der Hand? Ein Kabel.
Also tief luftholen und aus voller Brust: „Scheiß Kabel, Sakra!“
Und jetzt alle miteinnannt und im Chor: „Ja! Ein wirklich beschxxxxenes Kabel, Krutzifix.“
Kabel, Kabel, brauch’n Kabel. Das Kabel ist schuld. Das Kabel ist schuld.
Drecksteil. Brauch ein Kabel. Ein gutes Kabel. Ein Kabel, das richtig gut ist.
Pause.
Was ist ein gutes Kabel?
2 Möglichkeiten: Ein teures Kabel, oder ein Kabel, von dem andere sagen, es sei gut.
Ja, Lindy ist gut.
Und auch garnicht sooo teuer, prima.
‚Ding-Dong, Hermes-Versand, Päckchen für Sie‘
Unterschrift, eine Verpackung in tausend Fetzen und…
funzt!
Hochgefühl, Hormonausschüttung, für einen Augenblick die Wärme der Wangen des literarischen Glückes spürend.
Ich habe es. Ja wirklich: Ich habe es! Ein gutes Kabel, ein wirklich gutes Kabel, Hallejula.
Und das arme Beipack-Kabel?
Es liegt im Winter bibbernd in einer dunklen Kiste in einem unbeheizten Lagerraum, eingepfercht in einer luftdichten Tüte. Und erdrückt von über ihm liegenden Kabel-Cousins und Cousinen. Das VGA-Kabel, die DVI-Strippe, alle in der Kisten-Schichten-Herarchie noch über ihm positioniert.
Es fragt sich unter Tränen: ‚Was habe ich falsch gemacht? Warum verdammt mich mein Besitzer in diese Schar von Reinkupfer-Signalüberträgern mit bizarr dicken Steckerköpfen?
Und der Gott des Daten-Nirwanas antwortet mit tiefer und hallender Stimme: ‚Du bist das Bauernopfer. Dein Besitzer hat sich ein donnerndes Orchester dauernden Elektronik-Rauschens neben seine Füße und vor sein Angesicht gestellt. Und Dein kleines Säuseln hatte den halsbrecherischen Reigen der Signal-Oktaven zu Fall gebracht. Drum fristest Du hier Dein einsames Sein, bis Du eines Tages vom Greifarm der Mülldeponie in das Feuer der Restmüllverbrennungsanlage geworfen wirst, wo sich Deine Reinkupferlitzen und Deine halogenfreien Isolierungen zu einer unförmigen schwarzen Schlacke verbinden werden.‘
Das Kabel weinte bitterlich. Es wünschte sich, seine Produktion hätte nur 10 Cent mehr gekostet. Dann hätte es, mit einem schicken Blister-Gewand in einem hell erleuchteten und warmen media-markt, der ganzen Welt seinen filigranen Kabelkörper herzeigen dürfen. Und ein 20Euro-Preisschild-Krönchen auf der Hartplastikverpackung, gleich neben den Aufstecker-Löchlein, würde keck seine Bedeutung würdigen.
Und hätte es dann einen Besitzer. Er würde es lieben. Und es würde alle Baller- Baller- Baller- Baller- Baller- Baller- Baller- Baller-Signale seines Herrn immer brav zum Monitor-Gehäuse schicken.
Auch die Signale, wo viele dieser komplizierten Hauttöne mit bei sind.