"Clan-Chefs verlieren Macht"
BREMEN. Noch mehr Polizeibeamte in Uniform, noch mehr Personenkontrollen rund um die Diskomeile in der Bahnhofsvorstadt - nach dem Tötungsdelikt in der Bornstraße, in das Mitglieder libanesisch-kurdischer Sippen verstrickt sind, will die Polizei "den Druck weiter erhöhen". Das kündigte Polizeipräsident Eckard Mordhorst in einem Gespräch mit unserer Zeitung an. Wie berichtet, wurde vor gut einer Woche ein 18jähriger Libanese getötet, nachdem eine Gruppe von etwa zehn Tätern die Kneipe "Born-Eck" gestürmt hatte. Die Männer waren mit Messern und Baseballschlägern bewaffnet. Sie schlugen und stachen auf einen Teil der Gäste ein. Die Opfer gehören zu der Sippe M., von denen nach Polizeiangaben viele im Drogenhandel aktiv sind. Zwei mutmaßliche Tatverdächtige sind inzwischen namentlich bekannt, nach ihnen wird weiter gefahndet. Unterdessen hat die Polizei neue Erkenntnisse über die Hintergründe dieser Tat wie auch über die Vorfälle auf der Diskomeile. Dabei spielten nicht nur Verteilungskämpfe im Drogenhandel eine Rolle. Auch innerhalb der libanesisch-kurdischen Clans seien Machtkämpfe im Gange. Ein Ermittler: "Die Familienoberhäupter verlieren ihren Einfluss auf den Nachwuchs." Deren Kinder wollten nun ihre Väter beerben und in der eigenen Sippe Entschlossenheit demonstrieren. Als Auslöser für Überfälle wie in der Bornstraße reichten oft schon kleine Beleidigungen. "Die haben heißes Blut und nehmen sich bei solchen Auseinandersetzungen nicht einen Anwalt wie unsereiner", so ein Beamter. Die Polizei zeigt sich fest entschlossen. Man wolle demonstrieren: "Mit uns nicht", so Polizeichef Mordhorst. Die offene Präsenz der Polizei und die Durchsuchungen von Personen nach Waffen werden "noch einmal erhöht". Auch die Zusammenarbeit mit anderen Behörden, etwa dem Ausländeramt, werde derzeit "optimiert".Unterdessen haben die Vorfälle in der Bornstraße und auf der Diskomeile die Diskussion um Abschiebungen von kriminellen Tätern neu entfacht. Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) erläuterte auf Nachfrage, dass eine Abschiebung von krininellen Ausländern häufig daran scheitere, dass das Herkunftsland, wie etwa der Libanon, keine Passersatzpapiere ausstelle. Deshalb hätten viele Libanesen den Status der Duldung. "Diese Personen sind zwar vollziehbar ausreisepflichtig, wir können sie aber ohne Papiere nicht abschieben." SPD-Innenpolitiker Hermann Kleen warnte: "Das Ausländerrecht ist kein Allheilmittel." Man dürfe nicht alle Mitglieder einer beispielsweise libanesischen Großfamilie über einen Kamm scheren. In vielen Fällen gebe es Abschiebehindernisse, die man ernst nehmen müsse. Kleen: "Wir haben schließlich keine Sippenhaft." Er nannte ein Beispiel: Ein 17-jähriges Mädchen ist voll integriert und kann rechtlich gesehen in die Türkei abgeschoben werden - in ein Land dessen Sprache es nicht spricht und wo es mit einem Onkel zwangsverheiratet werden soll. Währenddessen heiratet der Bruder eine deutsche Frau und kann nicht abgeschoben werden. Kleen: "Gerade die jungen Männer haben doch alle Tricks drauf." CDU-Innenpolitiker Rolf Herderhorst forderte unterdessen Regelungen, die die Abschiebung straffällig gewordener Ausländer erleichtern. "Es kann nicht sein, dass jemand, der als Intensivtäter mit 200 Straftaten bekannt ist, nicht abgeschoben werden kann." Es sei wichtig, die Spreu vom Weizen zu trennen, um die integrationswilligen ausländischen Bürger nicht in Misskredit zu bringen. Im übrigen habe er den Eindruck, dass das Ausländeramt bei der Bearbeitung der Fälle inzwischen teilweise überfordert sei, weil es an Personal fehle. Auch Grünen-Politiker Matthias Güldner plädierte dafür, "die schlimmen Finger mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu verfolgen". Ihn wundere freilich, dass andere Bürger wiederum, die hier seit Jahren integriert seien, abgeschoben werden sollen. Güldner nannte als Beispiel den Fall des Russen Peter Butorin, der im Viertel im Sportverein aktiv ist und beim Quartierservice arbeitet. Güldner: "Solche Leute sollen abgeschoben werden, nur weil sie vielleicht kein Geld für teure Anwälte haben. Das geht für mich nicht zusammen."Siehe auch Interview auf der nächsten Seite.