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Spätestens die diesjährige CES hat es gezeigt: Die Themen „Auto“ und „Computer“ wachsen immer stärker zusammen. Kein Wunder also, dass die Blackberry-Tochter QNX, deren Infotainment-Systeme bei zahlreichen aktuellen Fahrzeugen unter der Haube stecken, die Elektronik-Messe in Las Vegas Jahr für Jahr nutzt, um ein neues Referenz-Fahrzeug mit der aktuellsten Technik auszustatten – dieses Jahr in Kooperation mit Qualcomm. Da es auf Messen aber oft recht hektisch zugeht, hatten wir nun noch einmal die Möglichkeit einen Maserati Quattroporte, der mit zwei Snapdragon 602A-Prozessoren und zahlreichen Displays ausgestattet war, genauer anzuschauen.
Genügte es früher einmal als Autobauer, ein neues Modell mit einem aufgefrischten Design und stärkeren Motoren auf den Markt zu bringen, haben sich die Präferenzen gerade bei jüngeren Kunden deutlich verändert: Die Connectivity bzw. das Infotainment-System steht immer stärker im Mittelpunkt. Kein Wunder also, dass BMW beim aktuellen Facelift des 1ers die „stärkste Connectivity seiner Klasse“ klar in den Mittelpunkt der Werbung rückt. Einen ähnlichen Weg ging auch Mercedes Benz bei der Vorstellung der damals grundlegend neugestalteten A-Klasse. Es zeigt also recht deutlich: Gerade für Premium-Hersteller ist das Infotainment-System bereits jetzt ein starkes Verkaufsargument und mit dem stärkeren Einstieg von Google und Apple in das Segment können die Karten mittelfristig noch einmal grundlegend neu gemischt werden.
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Was man mit zwei SOCs und zahlreiche Displays alles anstellen kann
In diesem Jahr hat sich QNX an einem Maserati Quattroporte versucht, der mit so viel Technik hochgerüstet wurde, wie aktuell in Augen des Anbieters sinnvoll ist – und vielleicht auch ein bisschen mehr.
Das geht bereits bei einem Blick auf den Tacho los. Wie man es von zahlreichen Oberklasse-Limousinen bereits gewöhnt ist, kommt hier ein großes Display zum Einsatz, das weitestgehend frei konfiguriert werden kann und sich dem jeweils im Infotainment-System gewählten Menü anpasst. Standardmäßig werden hier ganz klassisch der Tacho und Drehzahlmesser eingeblendet, wird allerdings die Navigation bemüht, kann eine 3D-animierte Karte der Umgebung eingeblendet werden, bei der Medienwiedergabe entsprechende Infos zum Song oder dem Interpreten.
Genau so wenig überraschend ist es, dass Qualcomm bzw. QNX auf ein großes Display in der Mittelkonsole setzt. In der Praxis setzt das beispielsweise bereits Tesla um, die für ihre Lösung allerdings auf NVIDIAs Plattform setzen. Wer sich bereits mit Automotive-Lösungen im gehobenen Preis-Segment auseinandergesetzt hat, wird hier hinsichtlich des Funktionsumfangs keine größeren Besonderheiten erkennen – mal davon abgesehen, dass die großen Displays natürlich recht „fancy“ wirken. Gleiches gilt auch für das Entertainment-System auf der Rückseite – gesehen hat man solche Lösungen schön öfter. Da beim gezeigten Maserati allerdings auch die aktuelle Referenz-Software von QNX zum Einsatz kommt, sollte es niemanden wirklich überraschen.
Deutlich abgehobener wirken da schon andere Ideen, die beim 2015er Referenzwagen umgesetzt wurden. So gibt es beispielsweise keinen klassischen Rückspiegel mehr – auch hier kommt ein Display zum Einsatz. Der Nutzen soll klar sein – neben der „langweiligen“ Funktion als Spiegel kann der Rückspiegel alle Arten zusätzlichen Informationen darstellen. Das ist praktisch, hat aber einen Nachteil, auf den wir später noch eingehen wollen. Die zur klassischen Spiegel-Funktion nötige Kamera sitzt übrigens in der kleinen „Haifisch-Flosse“ auf dem Dach, die auch die Antenne für die Mobilfunkanbindung beinhaltet.
Fast noch ungewöhnlicher ist die Tatsache, dass auch die beiden Außenspiegel durch die Displays ersetzt wurden. Was zunächst einmal wie eine teure Spielerei aussieht, die im schlimmsten Fall noch ordentliche Betriebskosten verursachen kann, schließlich werden gerade die Außenspiegel doch gerne Opfer verschiedenster Fehleinschätzungen der Mitmenschen, soll in der Praxis aber wirkliche Vorteile bieten. Die Kameras, welche die Außendisplays (von Spiegeln kann ja nicht mehr gesprochen werden) mit Videomaterial versorgen, sitzen im Bereich der Lüftungsöffnungen unterhalb der A-Säule. So soll in Abhängigkeit von den eingesetzten Kameras eine deutlich bessere Bildfeldabdeckung ermöglicht werden. Oder einfacher gesagt: Der tote Winkel verschwindet.
Bei all den Möglichkeiten, die moderne Infotainment-Lösungen also bieten, sollte stets berücksichtigt werden, dass die Ablenkung am Steuer gleichzeitig aber auch erheblich steigt. QNX betonte auf Nachfrage, dass die konkreten Umsetzungen vom Autobauer selbst vorgenommen werden, die natürlich entsprechende Experten-Teams besitzen. Fakt ist aber, dass immer mehr Möglichkeiten im Auto dazu führen, sich immer einfacher ablenken zu lassen. Eine der Lösungsvorschläge ist natürlich die Steuerung über Sprachkommandos. Wer sich allerdings einmal mit entsprechenden Lösungen auseinandergesetzt hat, die aktuell angeboten werden, weiß, dass das nicht immer so läuft, wie es eigentlich sollte.
Die technischen Grundlagen
Nutzungsmöglichkeiten sind also reichlich vorhanden. Kein Wunder also, dass auch Qualcomm seit dem letzten Jahr verstärkt auf den Markt rund um Car-Infotainment-Systeme drängt. Den Einstieg macht dabei der Snapdragon 602A-Prozessor, bei dem es sich um eine Abart des in Mobiltelefonen bekannten Snapdragon 600 handelt. Wie sieht eine solche Optimierung aus? Zum einen möchte Qualcomm das SOC stärker an Automotiv-spezifische Anwendungsfälle angepasst haben und beispielsweise einen Support für QNX-Betriebssysteme integriert, die neben Android-Lösungen genutzt werden können. Ebenso soll beispielsweise auch die Grafikausgabe auf die Nutzungsszenarien angepasst worden sein, wie sie im Automobil-Umfeld häufiger anzutreffen sind.
Der Start für Qualcomm in das neue Geschäftsumfeld ist dabei nicht einfach. Gerade im Automobil-Segment gibt es langjährige Partnerschaften im Zuliefererbereich – da hereinzukommen dürfte kurzfristig keine ganz einfache Sache sein. Qualcomm sieht sich aber im Besitz von zwei Vorteilen, mit denen man die Autobauern eine Partnerschaft schmackhaft machen möchte. Zum einen handelt es sich bei den für den Automotive-Bereich entwickelten Prozessoren keinesfalls Spezialentwicklungen, sondern um bewährte Technik die Millionenfach in Smartphones im Einsatz ist. Entsprechend sollen Probleme auf ein Minimum reduziert werden. Noch dazu ist Qualcomm bereits großer Ausstatter im Bereich der Mobilfunkmodems im KFZ-Bereich. Ob das alles aber ausreicht, um etablierten Konkurrenten wie NVIDIA das Leben schwer zu machen, wird sich erst noch zeigen müssen.
Dieses Mal haben wir uns also mit dem beschäftigt, was Automotive-Lösungen aktuell theoretisch anbieten können. Manche Lösungen werden so zwar noch nicht wirklich in der Praxis umgesetzt, im Grunde sind Lösungen wie Spiegel über Displays zu realisieren nur noch einen kleinen Schritt weit entfernt. Wie Hersteller die weitere Zukunft im Bereich der Automotive-Lösungen sehen, darauf werden wir noch separat eingehen.
Noch eine kleine Information am Rande: Der gezeigte Messe-Maserati darf übrigens wirklich in der freien Wildbahn bewegt werden.