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Jetzt ist es also so weit – seit etwa 20 Jahren tut sich wieder einmal etwas am generellen Bedienungsschema von Microsofts allgegenwärtigem Windows. In den letzten Tagen hatte ich die Möglichkeit Windows 8 auf einem ASUS N56 genauer in Augenschein zu nehmen – hier nun ein erster, natürlich ein wenig subjektiver Eindruck, zu Windows 8, der Modern UI und natürlich der allgegenwärtigen Frage: macht Windows 8 ohne Touch-Bedienung überhaupt Sinn?
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das ist eine Tatsache. So gesehen ist ein mutiger Schritt von Microsoft, konsequent alte Zöpfe abzuschneiden, den von vielen heiß geliebten Start-Button über Bord zu werfen und sich sicherlich den Unmut vieler alteingesessener Anhänger zuzuziehen, denn eines ist klar: Der Switch auf MacOS scheint auf den ersten Blick intuitiver als von Windows 7 auf Windows 8.
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Die Optik:
Der erste Eindruck: Windows 8 bootet auch ohne SSD in unserem Test-Notebook enorm schnell, begrüßt wird man nach nur kurzer Zeit von einer völlig neuen Umgebung, die ähnlich wie Windows Phone von zahlreichen bunten Kacheln dominiert ist. Microsoft unterscheidet hier zwischen klassischen „Tiles" und den „Live-Tiles", die je nach Content ihre Ansicht ändern, also die Bilder von aktuellen Kontakten anzeigen, eine Vorschau auf neueste Nachrichten bieten, oder schlicht und ergreifend das Wetter anzeigen. Hier wird schnell klar, den maximalen Komfort, den Microsoft mit Windows 8 bieten will, erfährt man erst dann, wenn man sich auf das neue OS einlässt und alle Dienste anpasst. Windows 8 fühlt sich dann sehr „persönlich" an. Die Kehrseite: Man muss sich auf Microsofts Dienste einlassen, was gerade Nutzer mit einem ausgeprägten Sinn für Datenschutz alles andere als freuen wird.
Wie es nicht anders zu erwarten ist, können Kacheln sortiert und gruppiert, aber auch in der Größe angepasst werden. Das macht Sinn und führt dazu, dass Microsofts neues XXL-Startmenü übersichtlich bleibt.
Selbst installierte Programme landen in weiteren Gruppen neben den von Microsoft vorgesehnen Tiles und verschandeln das bis dato extrem moderne Aussehen der Modern UI auch direkt wieder ein wenig, denn aktuell werden bei den meisten Programmen einfach die Icons eingeblendet – das sieht nicht wirklich toll aus, wird sich bei den meisten Anwendungen in absehbarer Zeit aber ändern. Eines ist hier klar: Windows 8 ist für mich persönlich das optisch mit großem Abstand ansprechendste System. Microsoft versucht sich an etwas Neuem und das scheint wirklich zu funktionieren, Win 8 wirkt nicht abgekupfert, sondern jugendlich frisch.
Das führt uns aber zwangsläufig zur nächsten Frage: Sieht Windows 8 einfach nur gut aus, oder lässt es sich auch ansprechend bedienen.
Die Bedienung:
Jetzt wird es schon deutlich spannender, denn Microsofts Intention mit Windows 8 zur weit enteilten Konkurrenz in Form von iOS oder Android im Tablet-Segment aufzuschließen war von vornherein klar und allein die Optik zeigt, dass die lieben Fingerchen nun auch beim Microsoft das State-of-the-Art-Eingabegerät sind.
Das Problem: Die meisten Systeme auf denen Windows 8 laufen wird, kommen konventionell mit Tastatur und Maus bzw. Touchpad daher, genau wie unser ASUS N56 Multimedia-Notebook.
Während wir in einem zweiten Erfahrungsbericht auf das Touch-Können der Modern UI eingehen, soll es hier erst einmal klassisch bleiben: Maus und Tastatur bzw. Multitouch-Trackpad.
So ansprechend Windows 8 rein optisch ja auch sein mag, für mich wird die Modern UI zunächst einmal eine Touch-Bedienung bleiben. Klar, mit Maus und Tastatur erreicht man auch seine Ziele, ich hatte aber immer wieder das Gefühl, dass es eben auch einfacher gehen müsste. So hat Microsoft beispielsweise auf der rechten Seite seine „Charms"-Leiste untergebracht. Im Touchbetrieb ist das eine feine Sache, einmal flott von rechts hereingewischt, schon können Einstellungen vorgenommen, oder die Suche bedient werden. Mit der Maus finden wir das etwas umständlich, erst klicken, dann ziehen. Noch schlimmer ist es eigentlich mit dem Touchpad, denn hier erweist sich klicken und ziehen meist als Fingerübung - Multitouch-Gesten werden zwar von aktuellen Geräten unterstützt, wie es bei älteren Modellen aussieht, wird aber die Zeit zeigen müssen.
Eine ähnliche Fingerakrobatik verlangt mit dem Touchpad das Schließen eines Programms. Es mag ja sein, liebes Microsoft-Team, dass das einfache nach unten Wischen einer App mit dem Finger eine intuitive und schnelle Sache ist, mit der Maus möchte das aber nun wirklich keinen Spaß und vor allem auch keinen Zeitvorteil bringen.
Aber klar, es gibt ja auch noch den klassischen Desktop, auf den Windows 8 als Arbeitsumgebung ohnehin recht häufig wechselt. Hier läuft alles wie gehabt, nur dass der von vielen Anwendern geliebte Start-Button auf der Strecke geblieben ist. Ich bin der Meinung, dass sich Microsoft sicherlich kein Bein ausgerissen hätte, wenn der Start-Knopf noch mit von der Partie gewesen wäre – aber sei es drum, im Netz gibt es bereits mehr als genügend Anleitungen, wie es möglich ist, den Start-Button zurückzuholen.
Praktisches gibt es aber auch zu berichten. Wer beispielsweise möglichst schnelle zu einer Applikation kommen möchte, muss einfach den Anfangsbuchstaben im Startmenü drücken, schon wird die Suche gestartet. Auch die funktioniert bei Windows 8 im Generellen wieder sehr gut – das kennen wir aber auch schon von Windows 7.
Ökosystem:
Was auffällt ist darüber hinaus, dass Microsoft bereits einige eigene „Apps" (ja, die lieben Programme sind out) installiert hat. Das sind zwar noch nicht sehr viele, da es ohne einen App Store heute aber nicht mehr geht, wurde natürlich auch ein Windows Marketplace integriert. Das ist eine feine Sache, ist im Grunde genommen für Windows RT, auf dem keine x86-Anwendungen laufen, aber wichtiger, denn für das „normale" Windows gibt e schließlich mehr als genügend Programme.
Noch herrscht im Store relativ gähnende Leere, das dürfte sich in den kommenden Wochen aber ändern. Muss es auch, schließlich hat Windows 8 einen erheblichen Rückstand gegenüber den Konkurrenten aufzuholen.
Was bei unserem mit einem i5-Prozessor ausgestattetem Notebook aber aufgefallen ist: Die Microsoft-eigenen Apps brauchen teils gefühlte Ewigkeiten, um zu starten. Da stellt sich die Frage: Wie flüssig kann Windows RT auf deutlich abgespeckteren Tablet laufen.
Eine erste Meinung:
Von einem abschließenden Fazit kann hier noch nicht gesprochen werden, das steht fest, denn die Änderungen gegenüber dem seit Jahren gewohnten Interface sind all zu umfangreich.
Spätestens seit der IFA, die man indirekt als Windows-8-Messe sehen konnte, freue ich mich persönlich auf das neue Windows. Viele neue Geräte, ein schickes und modern wirkendes System, das ist genau das was der Windows-Welt seit langem gefehlt hat. Diese erste Euphorie lag aber vor allem an einem, das hat sich jetzt gezeigt: Alle Windows-8-Erfahrungen, die ich bislang sammeln konnte, stammten von Touch-Geräten, einer Umgebung, in der Windows 8 meiner Meinung nach sehr viel Sinn macht.
Leider hat Microsoft bei aller Touch- und Tablet-Begeisterung der letzten Zeit aber das klassische Desktop-Betriebssystem zu weit aus den Augen verloren. Klar, es kommen viele, wirklich ansprechende Touch-Designs wie das ASUS Taichi, das Acer Aspire S7 oder das Dell XPS 12 in den Handel, gemessen an der riesigen Windows-Welt stellen solche Exoten aber einen verschinden geringen Prozentsatz dar. Mit Tastatur und Maus oder Touchpad will Windows 8 mir noch nicht wirklich Spaß machen. Viele Gesten, die mit den Fingern recht intuitiv sind, erweisen sich im klassischen Desktop-Betrieb aber als störend.
Meiner Meinung nach hätte Microsoft deutlicher zwischen Windows 8 und Windows RT differenzieren sollen. Letzteres als neuartiges Tablet-Betriebssystem mit der für diesen Bereich erstklassigen Modern UI, ersteres für Desktop-Power-User mit einer intuitiveren Bedienung, etwas mehr Windows 7 als Modern UI.
Beim Desktop werde ich erst einmal Windows 7 treu bleiben, beim Tablet freue ich mich aber schon jetzt auf meinen ersten Windows-8-Device.