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Kolumne

Gegen die Indizierung und Sperrung von Internetseiten

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Gegen die Indizierung und Sperrung von Internetseiten
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Kaum ein Thema beherrschte in den vergangenen Tagen das Internet so großflächig wie die geplante Gesetzesänderung des Telemediengesetzes nach dem Gesetzentwurf des Bundeskabinetts vom 22. April diesen Jahres. Diese Änderung beinhaltet das geplante Vorgehen, Internetseiten vom BKA indizieren und von den Providern sperren zu lassen.

Eines vorneweg: Der Straftatbestand der Kinderpornografie wird in keinster Weise angezweifelt. Sowohl die Tat an sich, als auch die Verbreitung von Kinderpornografie muss verhindert werden. Hier herrscht auch weltweit ein Konsens, denn kein frei und demokratisch geführtes Land der Welt stellt Kinderpornografie nicht unter Strafe.

Nun zum geplanten Vorgehen. Die technische Umsetzung der Sperrung ist denkbar einfach. Das BKA führt eine Liste indizierter Seiten und gibt diese an die Provider weiter. Diese wiederum müssen in einem festgelegten Zeitraum diese Seiten über ihre DNS-Server sperren. Versucht der Internet-Anwender nun auf eine der gelisteten Seiten zuzugreifen, bekommt er anstatt der Seite selbst nur ein rotes Stoppschild zu sehen. Doch bereits die technische Umsetzung wirft Fragen auf, denn bisher konnte die Bundesregierung nicht alle Provider dazu bewegen einen entsprechenden Vertrag zu unterzeichnen. Dabei ist für die Provider weniger die Sperrung an sich problematisch, als vielmehr die Vorgehensweise wie gesperrte Seiten erkannt, gelistet und wieder von der Liste entfernt werden sollen. Dies sind auch drei wichtige Punkte, die für die Netzbürger eine wichtige Rolle spielen.

Erkennung: Der Begriff Kinderpornografie ist ganz klar definiert. Entsprechende Inhalte sollen durch Mitarbeiter des BKA und Hinweise aus der Bevölkerung ermittelt werden. Es fehlt allerdings die Abgrenzung zur Jugendpornografie. Bisher wurde in Deutschland im Rahmen der Strafgesetze lediglich Kinderpornografie durch § 184b StGB geregelt. Am 5. November 2008 trat das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie in Kraft. Durch Art.*1 dieses Gesetzes wurde der neue § 184c StGB eingeführt, der erstmals die Strafbarkeit von Jugendpornografie regelt. Die Sperrung von Internetseiten soll allerdings nur Kinderpornografie abdecken, eine klare Abgrenzung zur Jugendpornografie ist nicht immer einfach möglich.

Auflistung: Vom BKA identifizierte Seiten mit Kinderpornografie landen auf einer tagesaktuellen Liste, die den Providern übermittelt wird. Diese müssen gelistete Seiten dann in einem festgelegten zeitlichen Rahmen in ihre DNS-Sperre aufnehmen. Zu diesem Zweck müssen Mitarbeiter und technische Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Entfernung: Bisher noch völlig unklar ist die Handhabung von Internet-Seiten, deren Inhalt nach einem gewissen Zeitraum nicht mehr indiziert werden muss. Ob einmal gelistete Seiten überhaupt wieder geprüft und dann auch von der Liste entfernt werden können wurde bisher nicht weiter ausgeführt. Ebenso unklar ist, wie mit versehentlich auf dem Index gelandeten Seiten umgegangen wird.

Soweit der Plan der Bundesregierung. Kommen wir aber nun zur inhaltlichen Behandlung des Themas. Die Bundesregierung legt Studien vor, die aus Ländern stammen, in denen die Sperrung von Internetseiten mit kinderpornografischem Inhalt bereits in ähnlicher Weise vollzogen wird. Die Evaluierung dieser Zahlen ist allerdings nur sehr schwer möglich. Nicht nur aus diesem Grund darf der Erfolg der Sperre angezweifelt werden. Ein Großteil der genannten Zahlen und damit Zugriffe dürfte zufällig erfolgt sein. Dies führt auch gleich zum nächsten Punkt, denn durch eine solche Sperre werden die strafrechtlichen Handlungen nicht verhindert, sondern einfach nur die Sicht darauf versperrt. Sexuelle Handlungen werden also nicht verhindert, sondern nur hinter Scheuklappen versteckt. Die Bundesregierung führt mehrere Studien an, welche die Verhinderung von sexuellen Handlungen im Zusammenhang mit Sperrungen entsprechender Seiten miteinander verknüpft. Allerdings sind auch gegenteilige Studien im Umlauf. Der positive Effekt von Sperrungen kann also weder widerlegt noch bestätigt werden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die technische Umsetzung. Eine DNS-Sperre kann leicht umgangen werden. Wer 10 Sekunden für eine Suche bei Google und eine weitere Minute für die eigentlichen Umsetzung investiert, der kann diese Sperre umgehen. Dies soll kein Aufruf für ein entsprechendes Vorgehen sein, sondern verdeutlichen, wie ineffektiv eine solche Sperre ist.

Wenn das eigentliche Thema bereits eine Ebene darüber angegangen wird, werden weitere Bedenken sichtbar. So wird ein Großteil des Austauschs von kinderpornografischen Inhalten nicht über das Internet abgewickelt, sondern über einen weitaus persönlicheren Weg, beispielsweise durch die Zusendung von Datenträgern per Post. Ein weiterer Großteil des Austauschs erfolgt über Tauschbörsen und geschlossene Netzwerke, die von einer DNS-Sperre nicht betroffen sind.

Was passiert nun mit Zugriffen auf gesperrte Seiten? Wie bereits erwähnt wird dem Benutzer ein rotes Stoppschild mit einem entsprechenden Hinweis angezeigt. Die Bundesregierung in vorm des Familienministeriums verspricht, dass diese Zugriffe anonym behandelt werden sollen. "Weder Informationen zu Ihrer IP-Adresse noch andere Daten, anhand derer Sie identifiziert werden könnten, werden vom Bundeskriminalamt gespeichert." Man will allerdings in der ersten Phase zu statistischem Zwecken die Anzahl der Zugriffe protokollieren. Ganz anders klingt dies dann aus dem Mund von Bundesjustizministerin Zypries: "Die Diensteanbieter dürfen, soweit das für die Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 4 erforderlich ist, personenbezogene Daten erheben und verwenden. Diese Daten dürfen für Zwecke der Verfolgung von Straftaten nach § 184b des Strafgesetzbuchs den zuständigen Stellen auf deren Anordnung übermittelt werden." Die Protokollierung und die anonyme Handhabung der Zugriffe sind allerdings zwei gegenläufige Prozesse.

Vom eigentlichen Sinn oder Unsinn der geplanten Sperrung einmal abgesehen, werden weitere Gefahren durch diesen Gesetzesentwurf deutlich. Keine 32 Stunden nach der Pressekonferenz zur Vorstellung des Gesetzes durch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen meldeten sich die ersten Interessenvertreter, die für ihre Branche ein ähnliches Vorgehen fordern. Mit dabei sind Landesvertreter die eine Einschränkung des Glückspiels im Internet fordern. An vorderster Front kämpft auch Dieter Gorny vom Bundesverband der Musikindustrie, der durch eine Sperrung von File-Sharing-Seiten die Sicherung des geistigen Eigentums der Musikindustrie sieht. Vertreter der Filmindustrie stehen auch schon in den Startlöchern. In wieweit bereits Druck auf zahlreiche Politiker durch Interessenverbände aufgebaut wird, kann sich jeder selbst ausmahlen. Wo die Gefahren durch Aufweichung und Ausweitung eines Gesetzes liegen, wird auch immer wieder durch einen Vergleich bei der Vorgehensweise zum Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen deutlich. Hier werden jedoch nicht nur die Daten der LKW ermittelt, sondern bereits jetzt ist es theoretisch und auch praktisch möglich jedes Auto welches sich auf den Autobahnen und anderen Mautstrecken bewegt zu erfassen und diese Daten zu nutzen. Bundesinnenminister Schäuble hat zum Zwecke strafrechtlicher Verfolgung bereits Interesse angemeldet.

Eine Alternative zur eher wirkungslosen Sperrung von Internetseiten durch eine DNS-Sperre wäre die effektivere Handhabung der bereits vorhandenen gesetzlichen Grundlagen. Hierfür sprechen sich auch die meisten Provider aus, denn bereits heute ist es sehr einfach möglich entsprechende Inhalte zielgenau zu entfernen und die Verantwortlichen zu identifizieren. Die Seiten mit kinderpornografischen Inhalten werden größtenteils in Westeuropa und in den USA betrieben, ein Eingreifen der Ermittlungsbehörden wäre also sehr einfach möglich. Nähme man alle Inhalte die auf westlichen und damit zumeist einfach zugänglichen Servern liegen vom Netz, wären dies bereits fast 90% aller kinderpornografischen Inhalte weltweit. Zeit und Energie die in die DNS-Sperre und deren Verwaltung gesteckt werden, wären am direkten Wurzel allen Übels besser investiert.

Kritiker des Gesetzes sehen sich derzeit harten Vorwürfen ausgesetzt. Diese reichen von Unverständnis bis hin zu Äußerungen wie sie beispielsweise die von Ingo Wellereuther von der CDU/CSU-Fraktion: "Wer gegen eine Handlungspflicht der Internetprovider ist, hat die moralischen Wertmaßstäbe verloren oder weiß nicht, worum es geht." Ich stelle mir nun die Frage, ob die Politiker wissen, worum es geht, denn über die verabscheuungswürdige Tat der Kinderpornografie besteht offensichtlich bei beiden Parteien kein Zweifel. Oftmals wird das Internet von Politikern auch als "rechtsfreier Raum bezeichnet". Dies ist es aber mitnichten, denn auch im Internet gelten die gleichen Gesetz wie in der realen Umgebung und dies schließt auch das Verbot von Kinderpornografie mit ein. Ganz im Gegenteil, denn es kann ebenso aufgeführt werden, dass das Internet kein "bürgerrechtsfreier Raum" ist. Frau von der Leyen geht gar noch einen Schritt weiter und äußerte sich in einem Radiointerview wie folgt:

"Wir wissen, dass bei den vielen Kunden, die es gibt, rund 80 Prozent die ganz normalen User des Internets sind. Und jeder, der jetzt zuhört, kann eigentlich sich selber fragen: Wen kenne ich, wer Sperren im Internet aktiv umgehen kann? Die müssen schon deutlich versierter sein. Das sind die 20 Prozent. Die sind zum Teil schwer Pädokriminelle." (...) "Die sind versierte Internet-Nutzer, natürlich auch geschult im Laufe der Jahre in diesem widerwärtigen Geschäft."

Dieser Aussage zufolge sind 20 Prozent aller User im Netz Kriminelle. Stehen also alle "technisch versierten" Anwender unter einem Generalverdacht?

Was kann nun jeder Einzelne tun, um seine Rechte zu wahren. Wir befinden uns in einem so genannten "Superwahljahr". Neben den Europawahlen im Juni stehen teilweise auch noch Kommunalwahlen an. Am 27. September diesen Jahres dann schließlich auch Bundestagswahlen. Jeder Bürger kann mit seiner Stimme also auch die Weiterentwicklung dieses Themas bestimmen. Was im Internet aber bereits größere Kreise zieht, wird von den weniger technikafinen Bürgern allerdings bisher wenig wahrgenommen. Ebenso scheint die Kritik sich vielmals auf eine Behandlung im Internet zu beschränken, wo es wiederum oftmals dann auch nur von denen wahrgenommen wird, die sich so oder so schon mit diesem Thema beschäftigen. Wege die Diskussion auch an bisher unbeteiligte zu führen sind vielfach vorhanden. Eine Diskussion mit Freunden und Verwandten führt vielfach zu interessanten Gesprächsrunden. Wenn dann auch noch lokale Politiker oder der entsprechende Bundestagsabgeordnete mit einbezogen werden kann, wurde schon viel bewegt. Oftmals werden zu diesem Zweck öffentliche Sprechstunden angeboten. Zudem befinden sich viele Politiker aufgrund der anstehenden Wahlen häufig in ihrem Wahlkreis und sind zu Gesprächen bereit. Alles ist besser als eine Einschränkung der eigenen Grundrechte hinzunehmen, auch wenn die Befürworter der Internetsperre diese nicht bedroht sehen.

Ein erster Schritt ist auch die Teilnahme an einer Petition, welche in elektronischer Form durch das Petitions-Portal des deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt wird. Bei erreichen von 50.000 Mitzeichner bis zum 16. Juni kann Antragstellerin Franziska Heine vor dem Ausschuss persönlich Stellung zu diesem Thema nehmen. Bereits jetzt haben über 45.000 Menschen die Petition unterzeichnet, wodurch das Interesse an diesem Thema deutlich wird.

Mir bleibt nur nochmals zu sagen, dass sich diese Kritik nicht gegen das Vorgehen gegen Kinderpornografie im Allgemeinen richtet, sondern vielmehr gegen die Behandlung des Themas durch viele Politiker, die wie Lemminge dem dunklen Schatten der Internet-Zensur folgen und uns damit in eine Richtung bringen, die in Kürze mit den freiheitlichen Bestimmungen des Grundgesetzes nicht mehr in Einklang zu bringen sind.

Andreas Schilling

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