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Apple vs. Samsung und die Auswirkungen

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Apple vs. Samsung und die Auswirkungen
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Der erste spektakuläre und folgenträchtige Prozess zwischen Apple und Samsung hat am vergangenen Wochenende seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Eine neunköpfige Jury sprach den koreanischen Elektronikriesen Samsung für schuldig, gegen drei wesentliche Patente verstoßen zu haben. Das Gericht bzw. die Jury hatte dabei nicht ausschließlich zu entscheiden, ob diese Patente rechtens sind oder in das aktuelle Weltbild der globalisierten und vielschichtigen Unternehmensstrukturen passen, sondern einzig und allein darüber, ob Samsung zum Nachteil von Apple Technologien kopiert oder diese in ähnlicher Form verwendet hat. Durch die Presse wird immer wieder gerne die Summe des Schadensersatz in die Höhe gehalten, die mit 1.049.343.540 US-Dollar nicht unerheblich, für Samsung im Vergleich zu den inhaltlichen Folgen des Urteils aber nebensächlich ist. Alleine im vergangenen Quartal hat Samsung einen Umsatz von fast 34 Milliarden US-Dollar und einen Gewinn von 3,7 Milliarden US-Dollar gemacht. Dies sollte die Summe der Schadensersatzzahlung in Relation stellen.

Auch wenn der Fokus in der Urteilsbegründung auf den Software-Patenten lag, so muss auch gesehen werden, dass Samsung im Gegenzug keines seiner Anliegen vor Gericht durchbringen konnte. Die Frage nach dem Warum darf gestellt werden. Uns fehlt aus der Distanz und aufgrund der fehlenden Kompetenz im Rechtssystem der Patente die nötige Nähe, um solche komplexe Themen auf Basis von Paragrafen beurteilen zu können. Doch auch hier wird immer wieder missverstanden, dass die letztendliche Entscheidung nicht bei den Anwälten oder der Richterin lag, sondern bei einer neunköpfigen Jury, die aus Laien bestand. Apple brachte Beweise vor Gericht, die nur schwerlich ein anderes Urteil zuließen.

[figure image=images/stories/newsbilder/aschilling/2012/ios-icon-comparison-rs.jpg link=images/stories/newsbilder/aschilling/2012/ios-icon-comparison.jpg alt=iOS-Patente gegen Samsung Icons]iOS-Patente gegen Samsung Icons[/figure]

Man schaue sich dazu ein 132-seitiges Dokument an, das wohl zu den wichtigsten Beweisen gehören durfte, die Apple vorgebracht hat. Das von Samsung erstellte Dokument stellt das iPhone bzw. iOS der damals aktuellen Samsung-Software auf Basis von Android und TouchWiz gegenüber. In unzähligen Beispielen werden Vergleiche zwischen den beiden Software-Versionen erstellt. Schwachstellen werden dort von Samsung erkannt und Vorschläge unterbreitet, wie diese behoben werden können. Oftmals heißt die Schlussfolgerung aus den Vergleichen: Wir müssen es so machen wie Apple.

Ein außer Kontrolle geratenes Patentsystem:

Wie konnte es dazu kommen, dass sich Unternehmen auf Basis von sogenannten "Trivialpatenten" streiten? Über Jahre hinweg haben Unternehmen wie Apple, Google, Samsung, Nokia, Motorola, RIM und Co. ein Patentportfolio aufgebaut, dass nur einem Zweck dient: die Konkurrenz abzuschrecken. Dazu wurden Firmen aufgekauft, nicht immer wegen konkreter Produkte oder des Know-Hows, sondern oftmals einzig und allein wegen der enthaltenen Patente, die den Besitzer wechselten. Dies funktionierte auch über Jahre hinweg. Die Analogie zu den Atomwaffen und der damit einhergehenden Abschreckung ist offensichtlich. Keiner traute sich den ersten Schlag zu machen, denn man musste um das eigene Überleben fürchten.

2007 betrat Apple einen Markt der Smartphones, der spürbar in einer Sackgasse steckte oder zumindest lahmte. Wurde das iPhone zunächst von Microsoft und Nokia belächelt, so befindet sich zumindest Nokia derzeit im Niemandsland der Smartphone-Landschaft und versucht gemeinsam mit Microsoft wieder auf die Beine zu kommen. Google hatte mit Android zu diesem Zeitpunkt bereits einen Kontrahenten in der Hinterhand - mit Samsung hat man den Partner gefunden, mit dem man gemeinsam zum Marktführer wurde. Steve Jobs zeigte sich darüber wenig erfreut, nicht wegen der Konkurrenz an sich, sondern wegen der Art und Weise wie diese sich entwickelte.

Steve Jobs, verstorbener CEO von Apple:

I will spend my last dying breath if I need to, and I will spend every penny of Apple’s $40 billion in the bank, to right this wrong. I’m going to destroy Android, because it’s a stolen product. I’m willing to go thermonuclear war on this.

Der erste Schuss ist nun gefallen. Dieser richtete sich gegen Google, getroffen hat es aber Samsung. Daher dauerte es auch nicht lange, bis sich Google zum Urteil äußerte. Die meisten der angeblich begangenen Verletzungen beruhen laut Aussage von Google nicht auf Kern-Bestandteilen von Android. Somit sei das eigentliche Betriebssystem auch letztendlich nicht betroffen.

Hat sich Apple also erst einmal das vermeintlich schwächste Glied in der Kette ausgesucht? Vermutlich ja, denn auch Google kann auf eine nicht unerhebliche Menge an Patenten zurückgreifen, die man auch schon gegen Apple eingesetzt hat. Bislang aber ohne größere Folgen für Apple. Dabei wählte Google den Weg über das zugekaufte Unternehmen Motorola, Apple direkt wollte man offenbar nicht angreifen. Dies scheint aber auf Gegenseitigkeit zu beruhen.

[figure image=http://www.hardwareluxx.de/images/stories/newsbilder/aschilling/2012/apple-samsung-beweise-1.jpg]Beweismaterial vor Gericht[/figure]

Die direkten Folgen:

Als Konsument und Nutzer von Smartphones, egal ob dem iPhone oder einem Android-Gerät, interessiert eigentlich nur eine Frage: Welche Folgen hat das für mich? Patentverletzungen können zwei Folgen nach sich ziehen:

Die beiden Unternehmen einigen sich auf eine Lizenzierung der relevanten Pantente. Ein übliches Verfahren und im Falle sogenannter FRAND-Patente (Fair, Reasonable and Non-Discriminatory, FRAND), muss der Inhaber des Patents einem Konkurrenten diese Möglichkeit auch einräumen. Apple hat dies laut eigener Aussage Samsung gegenüber auch getan. Demnach wollte Apple 40 US-Dollar pro Tablet und 30 US-Dollar pro Smartphone. Wäre es zu einem "Cross-Licensing" gekommen, hätte Apple diese Preise um jeweils 20 Prozent reduziert. Die Koreaner waren mit den Bedingungen offenbar nicht einverstanden. Microsoft hingegen hat einige wichtige Patente bei Apple lizenziert, über die genauen Bedingungen ist allerdings nichts bekannt. Gerüchten zufolge hat Google seine Partner angewiesen, Lizenzabkommen einzugehen, falls dies möglich sein sollte. Die Folgen an dieser Stelle könnten höhere Preise der Produkte sein.

Der Rechteinhaber kann ein Verkaufsverbot erwirken, sollten die Produkte weiterhin angeboten werden.

Das Urteil gegen Samsung ist also nur ein erster Schritt und da ein Lizenzabkommen zwischen Samsung und Apple als ausgeschlossen gilt, bleibt nur der zweite Schritt. Apple hat inzwischen offenbar bereits die ersten Geräte auserkoren, die man in den USA vom Markt nehmen lassen möchte:

  • Galaxy S 4G Galaxy S2 (AT&T)
  • Galaxy S2 (Skyrocket)
  • Galaxy S2 (T-Mobile)
  • Galaxy S2 Epic 4G
  • Galaxy S Showcase
  • Droid Charge
  • Galaxy Prevail

Dies wären dann auch die ersten direkten Folgen für den Konsumenten. Nicht mehr erhältliche Produkte sind wohl augenscheinlichste Folge eines solchen Patentkrieges. Doch auch für iOS-Nutzer hat die aktuelle Entwicklung folgen. Apple versucht sich mehr und mehr von Google-Diensten zu trennen, die man zu Beginn noch für den Aufbau des eigenen Ökosystems benötigte. So wird Google Maps kein Bestandteil mehr von iOS 6 sein, ebenso wie die Youtube-App. Aus Video-Programmen von Apple ist die Export-Funktion zu Youtube weitestgehend verschwunden.

Die indirekten Folgen:

Eine indirekte Folge der aktuellen Entscheidung könnte eine zukünftige Innovationsarmut sein. Dies wird sich nicht auf aktuelle Produkte auswirken, könnte die Entwicklung in der Zukunft aber nachhaltig stören. Ein Beispiel ist das an Apple gewährte Patent der "Tab to Zoom"-Funktion. Dabei wird eine Methode beschrieben, wie über eine Geste mit den Fingern auf dem Touch-Display die Darstellung vergrößert wird. Nahezu alle Hersteller verwenden diese Geste auf ihren Geräten. Zuletzt äußerte sich Microsoft kritisch darüber, dass Apple dieses Patent zugesprochen wurde. Über ein Lizenzabkommen ist aber zumindest Microsoft (vorerst) aus dem Schneider.

Während "Tab to Zoom" inzwischen so essenziell wie Räder an einem Auto ist und Apples Konkurrenz verständlicherweise die Sinnhaftigkeit des dazugehörigen Patents anzweifelt, lassen sich andere Punkte nur schwerlich widerlegen. So hat Apple im Prozess gegen Samsung auch ein Patent vorgebracht, welches das Zurückstoßen eines Inhalts behandelt, wenn der Nutzer bis zum Ende gescrollt hat. Für dieses "Bounce Back"-Patent sollten die Hersteller eine Alternative finden.

Dennoch ist die Gesamtsituation sicher alles andere als erfreulich. Auf absehbare Zeit wird sich am Patentsystem aber sicherlich nichts ändern und so lange werden wir auch diese Patentstreitigkeiten um offensichtlich triviale Technologien sehen.

Die Gewinner:

Erst einmal gehört Apple offensichtlich zu den Gewinnern des aktuellen Prozesses. Samsung ist zwar bereits vor ein Berufungsgericht gezogen, große Hoffnungen können sie sich dort allerdings nicht machen. Vielmehr geht es vermutlich darum größeren Schaden abzuwenden. So dürfte Samsung großes Interesse daran haben einem Verkaufsverbot der angesprochenen Smartphones- und Tablets zu entgehen.

Gewinner könnten auch Microsoft und Nokia sein. Microsoft hat mit Windows Phone ein mobiles Betriebssystem in der Hand, dass durch seine Aufmachung keine offensichtlichen Patentverletzungen darstellt. Der eigene Patent-Pool sowie die Lizenzierung weiterer wichtiger Patente bietet eine Rechtssicherheit, die sich als großer Vorteil erweisen könnte.

Eine Schlussfolgerung:

Werden wir also in Zukunft keine neuen und revolutionären Smartphones mehr sehen? Doch, werden wir! Doch eines haben die Hersteller sicherlich gelernt: Besser heißt nun notwendigerweise anders.

Hinweis: Diese Kolumne repräsentiert ausschließlich die Meinung des Autors.

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