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Auf den ersten Blick wirkt das Education-Event vor zwei Wochen und die Ankündigung von Textbooks in iBooks 2 sowie des iBooks Author nicht sonderlich spannend. Doch immer wenn Apple eine neue Richtung einschlägt oder aber versucht eine eingestaubte Industrie aufzuwecken, stehen auch die Kritiker auf der Matte. Über den Sinn oder Unsinn einer Umsetzung von gedruckten Büchern für das Bildungssystem wollen wir an dieser Stelle nicht diskutieren, das müssen andere tun - doch dies geschieht erst gar nicht. Werter Kollege Alexander Olma formulierte passend: "Apple krempelt um, was umgekrempelt gehört" - dem stimme ich persönlich zu, gerade im Hinblick auf meine Schul- und Studienlaufbahn. Auf zwei Punkte konzentriert sich ein Großteil der Kritik: den Preis und die Tatsache, dass Apple einen proprietären Standard einsetzt.
Provision
Die Fachpresse stürzt sich also nicht auf die Frage nach einer digitalen Revolution im Klassenzimmer, sondern lieber auf die Tatsache, dass Apple auch etwas vom Kuchen abhaben will. Die Lizenzbedingungen von iBooks Author stoßen unter anderem den Branchen-Magazinen wie PCmag.com und ZDnet übel auf. Ein mit iBooks Author erstelltes iBook darf nur im eigenen iTunes-Store verkauft werden. Zudem verlangt Apple eine Provision von 30 Prozent des Verkaufspreises. Das kennen wir schon aus dem App Store, wo eine Provision in gleicher Höhe verlangt wird. Vergleicht man dies nun mit dem Marktführer für digitale Bücher, Amazon, so werden dort je nach Verlag und Buch zwischen 30 und 70 Prozent des Verkaufspreises pro Kindle-Buch verlangt. Identisch zu den Bedingungen im App Store hält sich Apple auch das Recht vor Bücher abzulehnen.
Wer also in Apples App Store oder in iTunes mitspielen will, muss sich an gewisse Regeln halten. Dies ist weder neu noch sonderlich verwerflich, denn warum sollte ein Hersteller nicht bestimmen können, welche Produkte er anbietet? Warum sich also über 30 Prozent Verkaufsprovision aufregen, wenn es sich dabei dazu auch noch über eine marktübliche Abgabe handelt? Wo wir schon beim Preis sind: Apple setzt als Obergrenze für ein Textbook einen Preis von 14,99 Euro an. In wieweit die Verlage nun ihre Lehrbücher preisgerecht an die bisherigen gedruckten Versionen anpassen, wird sich erst in Zukunft zeigen.
iBooks Author - ein proprietärer "Standard"
Der zweite Kritikpunkt an der Bildungsoffensive von Apple ist die Tatsache, dass die erstellten Textbooks nicht auf einem offenen Standard beruhen. Auch hier hilft ein Blick über den Tellerrand. Amazons Kindle-Bücher beruhen ebenfalls auf einem proprietären Format. Das muss die Sache natürlich nicht besser machen, relativiert einen Großteil der Kritik allerdings wieder. Als viel gewichtiger aber kann das Wort von Daniel Glazman, dem Co-Chairman der W3C CSS Working Group genommen werden. Auch er kritisiert Apple dafür, dass man nicht auf den offenen ePub-Standard setzt. Dieser biete in der aktuellen Version EPUB3 auch definierte Templates und die Möglichkeit Notizen und SVG- sowie CSS-Inhalte hinzuzufügen. Doch für Apple galten bei der Umsetzung andere Maßstäbe. Zum einen will man mit iBooks Author gar keinen neuen Industrie-Standard einführen. Apple hat großes Interesse daran das eigene Format auch nur auf eigenen Geräten darstellen zu lassen. Das mag man nun gut finden oder nicht, Amazons Kindle hat es auch nicht geschadet, dass die dort erhältlichen Bücher nicht ePub-konform sind - warum sollte es Apple hier anders ergehen? John Gruber schrieb dazu: " ... the app’s name is iBooks Author, not eBooks Author." Nur weil es eine Nachfrage nach einem Open-Standard-eBook-Tool vorhanden ist, muss Apple diese ja nicht erfüllen.
Etwas verständlicher wird der Schritt vielleicht, wenn man sich vor Augen führt, dass Apple eine derzeitige Umsetzung der Textbooks mit einem offenen Standard gar nicht möglich gewesen wäre. iBooks Author erstellt kein eigenes Format nur um anders zu sein, sondern um besser zu sein. Hier auf W3C-Standards zu warten macht für Apple keinen Sinn, man muss seine eigene Pace gehen. Das macht nicht nur Apple seit Jahren in vielen Geschäftsbereichen vor, sondern auch Unternehmen wie Intel und Co. Ein Konzern wie Apple hat klare Prioritäten und diese decken sich nun einmal nicht immer mit denen der übrigen Industrie, den Entwicklern oder gar der Konkurrenz. Nicht einmal der potenzielle Kunde steht an erster Position.
Derzeit bestehen also drei Möglichkeiten: Entweder man hält sich an die von Apple vorgegeben Spielregeln, versucht aus dem Export von iBooks Author einen offenen Standard zu machen oder lässt die Textbooks von iBooks komplett links liegen.
Zusammenfassung
Die Kritiker sehen in der Textbook-Offensive von Apple nur eine weitere Abzocke und Beschränkung durch einen proprietären Standard. Apple sieht darin die Möglichkeit Textbooks in einer Art und Weise anzubieten, die Stand heute anders nicht möglich wäre. iBooks wird weiterhin auch den ePub-Standard unterstützen, es wurden also keinerlei Einschränkungen vorgenommen.
Was sich wie eine Verteidigung von Apple liest, ist nicht als solche gedacht. Vielmehr geht es darum sich erst einmal mit dem Thema zu beschäftigen, bevor blind drauf losgeschrieben wird. Es bleiben viele Fragen rund um die Textbooks offen. Wer soll die Hardware stellen? In wieweit sind die Inhalte der Textbooks mit den Lehrplänen der Länder konform? Sind Neuauflagen einfach nur ein kostenloses Update und wird dann ein Neukauf fällig? Wie soll eine Einführung von digitalen Büchern in den Schulen erfolgen? Das sind die wichtigen Fragen, die sich nun stellen.
Eines ist jedoch klar: Wenn kein Unternehmen wie Apple den Anfang macht, wird ein Wandel so schnell nicht erfolgen. Es bedarf also eines erstes Schrittes und wer wenn nicht Apple sollte diesen gehen? Hier passt dann auch wieder der Vergleich zur Musik- und in Teilen zur Filmindustrie.