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Galt der britische Geheimdienst GCHQ in der Spähaffäre, die durch die Veröffentlichungen von Edward Snowden aufgedeckt wurde, im Vergleich zur ebenfalls involvierten NSA als kleineres zweier Übel, offenbaren neue Dokumente nun das Gegenteil. Denn der GCHQ soll millionenfach Daten von Yahoo-Nutzern abgegriffen haben.
Dabei geht es aber nicht um E-Mails oder andere Nachrichten, sondern etwas viel intimeres: Bilder aus Video-Übertragungen, die per Webcam verschickt wurden. Darauf gestoßen ist der britische Guardian, der zahlreiche Details nennt. So sollen mit dem Programm „Optic Nerve“ binnen sechs Monaten allein im Vereinigten Königreich 1,8 Millionen Nutzer ins Visier des Geheimdienstes geraten sein. „Optic Nerve“ ist den Angaben zufolge 2008 gestartet worden und war 2012 noch immer in Betrieb - zum derzeitigen Zustand gibt es keine Angaben.
Unklar ist auch, welche Staaten von der Aktion betroffen waren oder noch immer sind. Aus den Dokumenten geht jedoch hervor, dass auch Bürger Großbritanniens und der USA betroffen waren. Denn „der GCHQ hat nicht die technischen Mittel um sicherzustellen, dass keine Bilder von US- oder britischen Bürgern vom System gesammelt und gesichert wurden“. Darüber hinaus verbiete das britische Recht die Überwachung von US-Amerikanern nicht. Gegenüber dem Portal erklärte der GCHQ erneut, dass alle Maßnahmen mit dem britischen Recht vereinbar wären; ähnlich äußerte sich die NSA auf Nachfrage. Zumindest hinsichtlich der Überwachung der eigenen Bürger muss dies jedoch kritisch hinterfragt werden. Yahoo selbst will vom Abgreifen der Daten nichts gewusst haben und bezeichnete das Vorgehen als „eine völlig neue Stufe der Verletzung der Privatsphäre unserer Nutzer“.
Dabei soll der GCHQ versucht haben, seinen Analysten den Zugang zu den tatsächlichen Bildern zu erschweren, Suchanfragen wären in der Regel auf Metadaten beschränkt gewesen. Allerdings wäre diese Einschränkung außer Kraft gesetzt worden, wenn der Benutzername mit einer Zielperson in Verbindung gebracht werden konnte. In wie vielen Fällen dies der Fall war, ist nicht bekannt, dafür berichtet man über ein pikantes Detail. Denn drei bis elf Prozent der gesammelten Bilder sollen „unerwünschte Nacktheit“ enthalten haben. Konkret etwas gegen einen solchen Einbruch in die Privatsphäre der Yahoo-Nutzer unternommen soll der Geheimdienst aber nichts. Versuche mit Pornographie-Filtern hätten nicht die gewünschten Ergebnisse geliefert, am Ende hat es vermutlich auch Versuche gegeben, Aufnahmen oder erkennbares Gesicht auszuschließen. Die eigenen Mitarbeiter soll der GCHQ vor möglicherweise enthaltener Nacktheit gewarnt haben.
Möglicherweise sind vom Abfangen von Webcam-Daten aber nicht nur Yahoo-Nutzer betroffen. Denn in den Unterlagen heißt es, dass man sich auch für die Xbox 360 mitsamt der Kinect-Kamera interessiert habe. Diese würde „recht gewöhnliche Webcam-Daten“ generieren, weshalb sie für eine Ausweitung des Programms in Erwägung gezogen wurde. Entsprechende Hinweise hatte der Guardian nach eigenen Angaben bereits früher in anderen Dokumenten entdeckt, dort war aber nur die Rede von Spielekonsolen im Allgemeinen. Vor diesem Hintergrund dürfte vor allem die Diskussion rund um Microsofts ursprünglichen Plan, die Kinect-Kamera der Xbox One permanent nutzen zu müssen, neu aufflammen. Verbraucher und Datenschützer hatten diese Überlegung von Anfang an kritisiert, letztlich nahm der US-Konzern Abstand von den Überlegungen. Ob Geheimdienste aber tatsächlich auch diese Kameras nutzen, bleibt unbeantwortet.