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Freie Meinungsäußerung ist nicht ohne unliebsame Auswüchse zu haben. Das gilt in besonderer Weise für Online-Diskussionen, bei denen die Anonymität des Internets immer wieder Teilnehmer dazu verleitet, ihre gute Kinderstube und die Netiquette zu vergessen. Was in einem Spezial-Forum wie unserem Forum de Luxx mit seinem großen Anteil an Stammnutzern noch ein überschaubares Problem bleibt, artet gerade bei den Kommentarfunktionen von Online-Nachrichtenseiten deutlich häufiger und intensiver aus. Die Redaktion von tagesschau.de denkt deshalb jetzt öffentlich über eine Reglementierung der Kommentarfunktion nach.
Konkret geht es wahrscheinlich darum, nur noch ausgewählte Themen zur Diskussion zu stellen und Themen einzuschränken. Angeführt wird das Beispiel von Süddeutsche.de, einem Angebot, bei dem nur noch Diskussionen zu drei Themen zugelassen werden. Das erleichtert dem Betreiber die Kontrolle und gegebenenfalls Löschung von fragwürdigen Kommentaren. Allerdings ist Süddeutsche.de das Online-Angebot einer privaten Zeitung und kein Angebot des aus (Zwangs-)Rundfunkbeiträgen finanzierten Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Die Überlegungen zu einer Einschränkung bzw. Steuerung der Diskussionsmöglichkeiten hinterlassen bei einem Medium, das sich gerade die "Öffentlichkeit" so auf die Fahnen schreibt, doch einen herben Beigeschmack.
Sicherlich sollten Beleidigungen oder persönliche Angriffe im Netz genauso wie in der realen Öffentlichkeit unterbleiben und gegebenenfalls auch von einem Moderationsteam entfernt werden. Wer sich akut nicht an normale Umgangsregeln halten kann, soll natürlich auch mit einem Ban rechnen müssen (auch auf tagesschau.de müssen sich Nutzer erst registrieren, bevor sie kommentieren können). Doch überspannt ein Öffentlich-Rechtliches Angebot den Bogen nicht, wenn Diskussionen bereits im Vorfeld ausgeschlossen werden? Werden kritische Themen dann in Zukunft einfach gar nicht mehr zur Diskussion gestellt und müssen Leser die Darstellung der Redaktion dann einfach hinnehmen, ohne eine Möglichkeit zur Äußerung der eigenen Meinung zu haben? Wer soll gegebenenfalls eine angemessene Themenauswahl sicherstellen bzw. die Vorzensur von kritischen Themen auch verhindern?
Gerade angesichts der aktuellen Unregelmäßigkeiten bei der Berichterstattung zum Ukrainekonflikt, die sogar eine Rüge des ARD-Programmbeirats (PDF) nach sich gezogen haben, erscheint ein Korrektiv für Tagesschau und tagesschau.de-Redaktion wünschenswert und unverzichtbar. Und welches Korrektiv wäre besser geeignet als der mündige Zuschauer und Leser, der fragwürdige Beiträge sofort und für alle sichtbar kommentieren kann. Sieht man diesen Wert der Kommentarfunktion und hält die freie Meinungsäußerung hoch, kann die angestoßene Debatte eigentlich nur zu einem Ergebnis führen: Kommentare müssen uneingeschränkt zugelassen und ausgehalten werden und dürfen nur bei klaren Verstößen gegen die Netiquette bzw. allgemein anerkannte Regeln gelöscht werden.