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Neuer Anlauf, neues Glück? Nachdem eine Variante der Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte, versucht es die Bundesregierung nun mit einem weiteren Anlauf. Um die Aufmerksamkeit so gering wie möglich zu halten, geschieht dies im Schnelldurchgang und bereits am Freitag soll die anlasslose Vollprotokollierung im Deutschen Bundestag beschlossen werden. Termin für die zweite und dritte Lesung der Vorratsdatenspeicherung ist wahrscheinlich Freitag um 9:00 Uhr im Plenum.
Im Vergleich zur vom Bundesverfassungsgericht gestoppten Version verfügt die "neue" Vorratsdatenspeicherung über eine Evaluierungsklausel. Diese soll nach 18 Monaten zu einer Prüfung der Wirksamkeit führen, dürfte sich aber zu einer Art Nebenkerze entwickeln, denn bereits etablierte Mechanismen geben die Sicherheitsbehörden nicht mehr gerne her und so könnte die nächste Bundesregierung den Bewertungsprozess entsprechend kurz halten und die Vorratsdatenspeicherung weiter verlängert. Der komplette Gesetzestext liegt Netzpolitik.org als PDF vor.
So wird die Evaluierung "unter Einbeziehung einer oder eines wissenschaftlichen Sachverständigen" vorgenommen, "die oder der im Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag zu bestellen ist". Dabei sollen bei der Evaluierung die Auswirkungen auf die Strafverfolgung bestimmt und die Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Auch die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Regelung sollen dann auf den Prüfstand kommen. Diese Prüfung könnte man aber bereits im Vorfeld tätigen und käme dann vermutlich wie das Bundesverfassungsgericht zum Schluss, dass die ansatzlose Speicherung der Daten gegen das Gesetz verstöße.
Neben der Evaluierung neu im Gesetz ist der Strafbestand der Datenhelerei. Die Ausrichtung des Gesetzes betrifft aber nicht nur offensichtlich rechtswidrige Straftaten, sondern könnte auch zum Problem für Whistleblower werden und stellt somit einen potenziellen Eingriff in die Pressefreiheit dar. Betroffen ist diese aber schon alleine durch den Umstand, dass ansatzlos sämtliche Kommunikationsdaten gesammelt werden sollen und erst später eine Filterung auf die Geheimnisträger (Rechtsanwälte, Ärzte, Pressevertreter, etc.) stattfinden soll. Geschützt sind dabei unter anderem Vertreter der Presse, doch wie diese Filterung auf die bereits erhobenen Daten erfolgen soll, dazu bleibt das Gesetz eine Antwort schuldig.
Gegenüber Netzpolitik.org äußerte sich der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz (Die Grünen):
"Die Vorratsdatenspeicherung war falsch, ist falsch und bleibt falsch. Sie gehört ein für allemal auf die Müllhalde der Geschichte und nicht in Gesetzesform gegossen. Dass die Große Koalition trotz all der berechtigten Kritik der letzten Monate an diesem verfassungsrechtlich hoch umstrittenen Projekt unbeirrt festhält und es nun im parlamentarischen Hauruck-Verfahren, ohne irgend eine substanzielle Änderung, durch den Bundestag peitscht, zeigt, welchen Stellenwert die Bürgerrechte in Zeiten der Großen Koalition genießen. Wir werden alle demokratischen Mitteln nutzen, um gegen die Vorratsdatenspeicherung vorzugehen."
Bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht einmal mehr für einen Stopp des Gesetzes sorgt.
Update:
Heute Vormittag hat der Bundestag mit den Stimmen der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD die erneute Einführung der Vorratsdatenspeicherung beschlossen. 404 Abgeordnete votierten für die neue Vorratsdatenspeicherung, 148 waren dagegen und sieben Abgeordnete enthielten sich.