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Heute Vormittag hat das EU-Parlament in zweiter Lesung den Trilog-Kompromiss zur Netzneutralität gebilligt. Dieser wird von vielen Seiten allerdings heftig kritisiert und wurde bis zuletzt auch stark bekämpft - leider ohne Erfolg. Grund für die Kritik sind vor allem die zahlreichen Ausnahmeregelungen sowie die zahlreichen Schlupflöcher, sodass eigentlich gar nicht von einer EU-weiten Regelung die Rede sein kann. Vielmehr wird den 28 nationalen Regulierungsbehörden viel Spielraum gelassen und somit können sich die Interessensvertreter der Industrie freuen, denn ihre Einflussmöglichkeiten sind vielfältig.
Wie bereits aktuell angewendet, können Telekommunikationsunternehmen bestimmte Angebote nur mehr als Spezialdienste vermarkten - so z.B. das Spotify-Angebot bei T-Mobile. Die Buchung eines Tarifes mit Spotify-Zusatzoption sind ein typisches Beispiel für Zero-Rating-Angebote, also Dienste, deren Nutzung vom monatlichen Datentransfervolumen ausgeklammert werden. Diese sollten bei einer echten Netzneutralität eigentlich verboten werden, bleiben nun aber erlaubt. Bei Musik- und Videostreaming-Angeboten ist aber in absehbarer Zeit sicherlich nicht Schluss. Verschiedene ISPs hatten bereits in der Vergangenheit damit begonnen bestimmte Daten ab einer Volumengrenze nur noch langsamer durch die Netze zu leiten. P2P-Protokolle wie Torrents sind hier nur ein Beispiel. Viel gravierender aber könnte der Eingriff werden, wenn verschlüsselte Kommunikation gedrosselt würde, da der Inhalt der Datenpakete hier nicht klassifiziert werden kann.
Galt bisher die Regel, dass eine Drosselung erst bei einer konkreten Netzüberlastung vorgenommen werden darf, können Telekommunikationsunternehmen dies nun bereits, wenn eine "drohende" Netzüberlastung zu befürchten ist.
Die neuen Netzneutralitätsregeln werden von einer großen Mehrheit der im Parlament vertretenen Parteien getragen. Dazu gehören die Sozialdemokraten, Konservativen und Liberalen. Zwar wurden zahlreiche Änderungsanträge eingebracht, von diesen wurde aber kein einziger angenommen. Das Stimmenverhältnis für die Ablehnung der Anträge und Zustimmung zu den Netzneutralitätsregeln lag bei etwa 410:230.
Mit den neuen Regeln soll der Binnenmarkt der EU hinsichtlich der Bestimmungen für die Telekommunikation harmonisiert werden. Aufgrund der vielen Ausnahmeregelungen und Schlupflöcher wird das Vorhaben aber vermutlich bereits durch den heutigen Beschluss scheitern. Unter anderem sollten die Roaming-Gebühren im EU-Ausland gesenkt werden bzw. komplett verschwinden - doch auch hier bietet sich Deutsche Telekom, Vodafone, Telefonica & Co eine große Angriffsfläche dem Nutzer weiterhin Zusatzleistungen zu verkaufen.
In zwei Jahren sollen die heute verabschiedeten Regeln zur Netzneutralität evaluiert werden. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die ursprünglich Intension des Gesetzes geglückt ist oder die Telekommunikationslobby sich mit ihren Wünschen durchgesetzt hat. Wir als Kunden werden die Auswirkungen aber schon weitaus früher verspüren.