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Kunden leiden unter Ausnutzung der Marktmacht

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Kunden leiden unter Ausnutzung der Marktmacht
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Hinterlassen negative Schlagzeilen keine bleibenden Schäden, spricht man gerne vom Teflon-Image. Kritik prallt in solchen Fällen einfach ab, nach kurzer Zeit kehren die betroffenen Unternehmen zurück zum Alltagsgeschäft - business as usual. In der Vergangenheit musste sich vor allem der schwedische Möbelriese Ikea derart bezeichnen lassen, doch in den vergangenen Monaten erarbeitete sich auch Amazon einen derartigen Ruf.

Nach zahlreichen Berichten über schlechte Arbeitsbedingungen in mehreren Ländern, einer anhaltenden Weigerung zu Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi sowie den Vorwürfen, Amazon würde zahlreiche Steuertricks nutzen, um in Europa keine oder kaum Steuern zahlen zu müssen, blieben die Kunden dem Online-Händler treu - zumindest deuten die letzten Bilanzen darauf hin. Denn derjenige, der im Internet ein Buch, eine DVD oder PC-Komponenten bestellt, kommt mit den Vorwürfen nicht in Berührung, er oder sie liebt die Bequemlichkeit, die das Shoppen auf der heimischen Couch mit sich bringt und blendet das Negative aus. Was scheren mich die Probleme der anderen, so das Motto. Doch erstmals können die Verbraucher seit einigen Wochen direkt erleben, welche negativen Folgen die Marktmacht haben kann.

Denn Amazon hat sich dazu entschieden, den Kampf um bessere Einkaufsbedingungen auf dem Rücken seiner Kunden auszutragen.

Neuer J.K. Rowling-Roman: Der Verlag soll bessere Konditionen anbieten

Der Anfang liegt bereits einige Wochen zurück. Sowohl in den USA als auch in Europa fiel Verbrauchern auf, dass einige Buchtitel nur mit ungewöhnlich langen Lieferzeiten angeboten wurden. Ungewöhnlich, da es sich auch um verschiedene Neuerscheinungen handelte, die von anderen Online-Händler in ein oder zwei Tagen verschickt werden sollten und beim Buchhändler um die Ecke sofort verfügbar waren. Nach kurzer Zeit wurde dabei ein Muster erkennbar. Betroffen waren Titel einiger weniger Verlage, in Deutschland beispielsweise solche, die zum Bonnier-Konzern (unter anderem Ullstein und Carlsen) gehören. In den USA traf es hingegen auch Hachette, mit mehreren Verlagen bei Amazon vertreten. Zu seinen Lieferanten war Amazon diesbezüglich sehr offen: Gewährt uns bessere Konditionen, oder das Embargo hält weiter an. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bestätigte dies der Ullstein-Verlag, von jenseits des Atlantiks waren ähnliche Aussagen zu hören.

Auf Bücher folgen Filme

Dort hat Amazon nun Stufe 2 seines Programms gezündet. Denn angekündigte Neuheiten von Warner Home Video werden entweder gar nicht erst gelistet oder sind zumindest nicht vorbestellbar. Darunter befinden sich Blockbuster wie „The Lego Movie“ oder „300: Rise of an Empire“. Auch hier geht es, so berichten es zumindest Branchenkenner, um bessere Konditionen für Amazon. Als klares Zeichen dafür, dass es nicht um die Produkte konkret geht, darf der äußerst erfolgreiche Lego-Film gewertet werden. Während weder die DVD- noch die Blu-ray-Version vorbestellt werden kann, kann die Streaming-Fassung im Rahmen von Amazons Streaming-Portal Instant Video direkt erworben werden. Der Grund: Während DVD und Blu-ray von Warner Home Video geliefert werden, erhält man die Streaming-Rechte von der Mutter Warner Bros. - mit der liegt man jedoch nicht im Clinch. Kunden, die sicherstellen wollen, die betroffenen Filme direkt nach dem Verkaufsstart zu erhalten, müssen so auf andere Händler ausweichen.

The Lego Movie: Den Stream bietet man an, die Disc-Fassung verweigert man den Kunden

Wie groß der Umsatzverlust durch Käuferabwanderungen für Amazon bislang war oder welchen Umfang er insgesamt einnehmen wird, kann niemand einschätzen. Unübersehbar ist jedoch, dass Kunden erstmals direkt erfahren, mit welchen Mitteln das Unternehmen seine Marktmacht schützen und ausbauen will.

Ob Amazon auch hierzulande zu weiteren Mitteln greifen wird, kann nicht vorhergesagt werden. Mit Büchern hat man aber den wohl in Deutschland heikelsten Handelsbereich als Schauplatz ausgewählt. Denn in kaum einem anderen Staat gelten hinsichtlich Preisbindung und Rabattierung derart strenge Vorgaben. Schon in der Vergangenheit berichteten Buchhändler, dass Amazon die Richtlinien des zuständigen Börsenvereins des deutschen Buchhandels hinsichtlich der von den Verlagen eingeräumten Einkaufsrabatte ignoriert; dieser spricht in Anlehnung an das Bundeskartellamt von maximal 50 Prozent, die dem Händler eingeräumt werden dürften - schon mehrfach soll diese Grenze durch verschiedene Mittel für Amazon überschritten worden sein. Denn unter Autoren und Verlagen gilt: Ist ein Titel bei Amazon nicht gelistet, existiert er nicht.

Der Widerstand formiert sich

Vor allem deshalb hatte der Online-Händler bislang eine Art Freifahrtschein. Doch durch das Verprellen von Kunden könnte sich aktuelle Verhalten schon bald in einen Bumerang verwandeln - ab einem gewissen Punkt überwiegt das „Habenwollen“ gegenüber der Bequemlichkeit. In den USA haben sich mittlerweile zahlreiche bekannte Autoren und Medienpersönlichkeiten gegen Amazon verbündet. So stellte sich Stephen Colbert in seiner vielbeachteten Talk-Show „Colbert Report“ auf die Seite der Künstler, der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Sherman Alexie verglich den Händler mit repressiven Regimen.

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