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Die Apple Card ist das eigentliche Highlight der Keynote

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Die Apple Card ist das eigentliche Highlight der Keynote
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Für Apple-Fans war die Keynote am Montagabend eher ungewöhnlich. Nicht nur weil Apple bereits im Vorfeld neue Hardware präsentierte, sondern auch weil man sich mit News+, TV+ und Apple Arcade rein auf Services konzentrierte, deren Inhalt teilweise sogar im Dunkeln blieb. Potenzielle Nutzer vor allem außerhalb der USA wurden vertröstet und außer ein paar hochkarätigen TV-Stars und Filmemachern hatte Apple kaum etwas von seinen kommenden Streaming-Dienst zu zeigen. Das eigentliche Highlight dürfte von vielen nur kurz belächelt worden sein, könnte aber wieder einmal mehr eine ganze Branche beeinflussen: Die Apple Card. Das findet jedenfalls unser Autor Andreas Stegmüller.

Im Bargeldland Deutschland, das erst langsam die Vorzüge des kontaktlosen oder gar mobilen Bezahlens für sich entdeckt, sind Kreditkarten nicht sonderlich weit verbreitet (Bundesbank-Studie 2017: 27 %) oder bleiben bei der Bezahlung an der Kasse oftmals im Geldbeutel stecken. Das dürfte an den Sicherheitsbedenken vieler Kunden liegen, aber auch an der mangelnden Flexibilität, die viele Kartenprodukte hierzulande bieten.

Hohe Sicherheit der Apple Card

Wer eine fremde Kreditkarte in die Finger bekommt, kann durchaus großen Schaden anrichten. Mit der aufgeprägten Kreditkartennummer und dem dazugehörigen, dreistelligen Sicherheitscode, welcher sich ebenfalls auf der Plastikkarte befindet, können Betrüger theoretisch online einkaufen, zumindest aber kleinere Beträge problemlos an der Supermarktkasse ohne Unterschrift und Pin begleichen. Bei der physischen Apple Card funktioniert das nicht mehr. 

Sie trägt weder eine Unterschrift, noch die vollständige Kreditkartennummer. Lediglich die letzten vier Ziffern sind auf der Apple Card zu finden, der sogenannte CVC-Bestätigungscode ist ebenfalls nicht mehr aufgedruckt. Wird die Titanium-Karte von Apple geklaut, kann sie somit nicht mehr verwendet werden – ein Abgleich der Unterschrift ist sinnlos, die Pin bleibt weiterhin unbekannt und auch online kann die Karte mangels vollständiger Nummer und fehlendem CV-Code nicht eingesetzt werden. Eine Bezahlung per NFC ist selbst bei kleineren Beträgen nicht möglich, da Apple dies ohnehin per Apple Pay über das Smartphone realisiert – und das stets abgesichert durch Touch ID oder Face ID.

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Da selbst der Karteninhaber die vollständige Kartennummer niemals zu Gesicht bekommt, musste Apple sich für Online-Einkäufe und Abo-Dienste eines anderen Tricks bedienen: Die Wallet-App generiert für solche Zwecke auf dem iPhone eine virtuelle Kartennummer inklusive des dazugehörigen Bestätigungscodes. Mit diesen Daten kann der Karteninhaber dann auch bei Amazon per Kreditkarte online bezahlen oder sein Netflix-Abo buchen.

Müssen die Kreditkartendaten einmal weitergegeben werden – beispielsweise bei einer Hotel- oder Mietwagenbuchung – oder wird dem Anbieter schlichtweg nicht vertraut, kann man sich später über die Wallet-App auf dem iPhone eine neue Kartennummer generieren, womit die bisherigen Daten deaktiviert und nutzlos werden. Nachteil: Bei Abo-Diensten und Onlineshops muss die Nummer dann stets neu hinterlegt werden. 

Virtuelle Kreditkarten wurden jedoch nicht von Apple und der ausgebenden US-Großbank Goldman Sachs erfunden, sondern gibt es schon länger. Sie werden jedoch vor allem von deutschen Banken kaum genutzt. Bei Fintecs wie Revolut kommt man immerhin beim kostenpflichtigen Premium-Abo in den Genuss von virtuellen Kreditkarten kommen. Warum andere Banken nicht auch mit virtuellen Kreditkartendaten arbeiten, ist unverständlich, schließlich würden sie ohne großen Aufwand die Sicherheit für alle Seiten enorm erhöhen.

Einfache Nutzung, viele Funktionen

Doch auch bei der Usability scheitern viele Kartenprodukte renommierter Banken. Umsätze erscheinen selbst im Onlineportal Tage verzögert, Push-Benachrichtigungen auf das Smartphone bieten viele erst gar nicht an. Einzelne Karten-Features wie der Magnetstreifen, die NFC-Funktion oder das Bezahlen im Internet, können ebenfalls nicht in Echtzeit geändert werden und selbst für die Kartensperrung muss man oft zum Hörer greifen und auf eine gute Erreichbarkeit der Hotline hoffen, was gerade bei Kartenverlust im Ausland zu hohen Kosten und Zeitzonen-Problemen führten kann.

Solche Features gibt es meist nur bei Fintecs wie Revolut, N26 oder auch Curve. Die Apple Card bietet das alles ebenfalls an: Schon bevor der Kassenzettel gedruckt ist, ist die Transaktion in der Wallet-App verbucht und wird auch gleich vollautomatisch einer bestimmten Kategorie zugeordnet, womit Nutzer ihre Ausgaben noch besser im Überblick behalten. Unübersichtliche Kreditkartenabrechnungen ohne wirklichen Informationsgehalt zu den getätigten Umsätzen gehören damit der Vergangenheit an.

Das lässt sich zwar durchaus schon heute realisieren, doch funktioniert auch das nur mit anderen Produkten und Apps und nicht über die Kartenprodukte der Banken selbst. Da mit Apple nun jedoch ein weiterer großer Spieler den Markt aufmischt, dürfte das viele deutsche und europäische Banken aus dem Tiefschlaf holen und vielleicht wieder zu neuen Innovationen bewegen.

Cashback bei jeder Transaktion

Wer mit der Apple Card bezahlt, bekommt nicht nur ein zinsfreies Zahlungsziel von bis zu einem Monat, sondern obendrein bares Geld zurück. Mit jeder Transaktion lässt sich mit der Apple Card Geld sparen. Umsätze, die mit der physischen Titanium-Karte getätigt werden, werden am Tagesende mit 1 % vergütet, bei Apple-Pay-Umsätzen sind es 2 % und bei Ausgaben, die direkt bei Apple getätigt werden, sogar 3 %. Das Cashback-Guthaben wird separat auf einem Apple-Cash-Konto geführt und kann jederzeit zur Zahlung verwendet werden.

Bei vielen deutschen Kreditkarten lassen sich lediglich Bonus-Meilen, Payback-Punkte oder Amazon-Guthaben sammeln, nicht aber echtes Geld, das theoretisch für jede weitere Transaktion eingelöst werden kann. Bei vielen Anbietern werden die Bonuspunkte erst am Monatsende, frühestens mit der Buchung des Umsatzes ein paar Tage später gutgeschrieben. Bei Apple gibt es den Bonus schon am Tagesende und lässt sich dann sofort einlösen. 

Sollte die Apple Card irgendwann mal nach Deutschland kommen, sind solch hohe Cashback-Raten jedoch nicht zu erwarten, da sie sich aller Voraussicht nach über die Gebühren-Struktur einer Kreditkarte finanziert werden. Bei jeder Transaktion muss der Händler einen gewissen Prozentsatz des Umsatzes an den Zahlungsdienstleister bezahlen. Innerhalb der EU sind die Transaktionskosten bei Kreditkarten von Mastercard und Visa bei Privatkunden-Karten auf 0,3 % gedeckelt – in den USA und bei sogenannten Commercial-Cards liegen die Kosten für die Händler pro Transaktion hingegen im einstelligen Prozentbereich. Der Händler zahlt somit das Cashback, bzw. das Bonusprogramm. Dass sich Apple und Goldman Sachs diese Gebühren zugunsten ihrer Kunden entgehen lassen, ist fast schon undenkbar.

Doch es ist nicht alles Titanium, das glänzt: Zwar hatte während seiner Keynote Apple versprochen, keine versteckten Kosten, wie Jahresgebühren, Auslandsgebühren oder Ersatzkartengebühren zu verlangen, doch an einer Stelle sollte man sich gut überlegen, ob man tatsächlich alle Funktionen der Apple-Kreditkarte nutzen möchte: Wer am Monatsende nicht all seine getätigten Umsätze per Überweisung, bzw. Bankeinzug zu 100 % begleicht, muss horrende Zinsen bezahlen. Je nach Bonität des Karteninhabers sollen das etwa 13 bis satte 24,24 % sein. Das ist für die USA ein durchaus üblicher Zinssatz für Kreditkarten, grenzt aber fast schon an Wucher. Zum Vergleich: Bei der Prime-Karte von Amazon, die von der Landesbank Berlin ausgegeben wird, liegt der Sollzinsatz bei Teilzahlung immerhin bei 14,98 %. 

Ob es die Apple Card in Deutschland geben wird, wäre mit Blick auf die Funktionen für viele Apple-Nutzer wünschenswert, bleibt jedoch ungewiss. Goldman Sachs als die herausgebende Bank der Apple Card besitzt zwar eine deutsche Bankenlizenz, ist hierzulande jedoch nicht im Privatkundengeschäft aktiv. Eine andere Kooperationsbank wird sich auf solche Konditionen weniger einlassen, vor allem wenn man bedenkt, wie lange es gedauert hat, bis die ersten deutschen Banken Apple Pay, aber auch Google Pay für ihre Kunden freigeschaltet hatten. 

Bis dahin muss man weiterhin seine bevorzugte Bonusprogramm-Kreditkarte mit Apps und Diensten wie Curve oder Finanzguru nutzen... Ich wünsche mir wieder mehr Innovationslust im Bankensektor!