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Wieso Apples iOS mich langweilt

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Wieso Apples iOS mich langweilt
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iOS und langweilig? Wie kann das sein, bei dem "fortschrittlichsten" aller mobilen Betriebssysteme? Der - zugegebenermaßen etwas reißerische - Titel des Artikels ist natürlich eine ganz persönliche Einschätzung und Wahrnehmung des Autors, spiegelt keinerlei festgesetzte Tatsachen wider und wird mit Sicherheit nicht nur auf Zustimmung treffen. Geschmäcker sind unterschiedlich, und genau deswegen ist iOS für mich einfach langweilig. 

Doch eigentlich ist es nicht nur langweilig. Es ist stellenweise auch nervig und manches ist für mich einfach unverständlich. Was ich damit meine, will ich in den nächsten Zeilen festhalten - und für den Sarkasmus an der einen oder anderen Stelle bitte ich um Verständnis. Zunächst noch der Hinweis, dass diese Kolumne natürlich lediglich die Meinung des Autors repräsentiert.

Das "fortschrittlichste" Mobilsystem

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Die Vorstellung des ersten iPhones 2007 - das grundsätzliche System-Design hat sich bis heute nicht geändert.

Apple selbst bezeichnet iOS immer gerne als das fortschrittlichste Mobilsystem, das mit jeder Iteration noch fortschrittlicher wird. Und beim "immer fortschrittlicher werden" hat man scheinbar irgendwann die Konkurrenz aus den Augen verloren - aber nicht unbedingt, weil man sie schon meilenweit überholt hat.

In Teilbereichen hat Apple zwar eine Vorreiterrolle eingenommen (man siehe bspw. das wirklich gut funktionierende AirPlay), in anderen Bereichen dafür den Anschluss verpasst. Es beginnt schon bei der Optik, die sich seit iPhone OS 1 (wie das System damals noch hieß) nur in Details verändert hat. Was genau in dem Bereich fortschrittlich sein soll, ist mir nicht bekannt. Eventuell sind es aber die auf eine bestimmte Anzahl Apps beschränkten Ordner oder das irgendwann durchsichtig gewordene Dock. Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es aber auch das Nachrichtencenter von iOS? Nein, das fühlt sich eher wie eine verkrüppelte Kopie von Googles Version an - die darin enthaltenen Widgets sind ebenfalls eher zu belächeln. User-Erweiterungen? Nicht vorgesehen.

Natürlich hat eine wenig veränderte Optik auch etwas Gutes: Wiedererkennung. Doch wenn wir ehrlich sind, kauft doch niemand freiwillig fünf Mal Kleidung, Auto, Technik mit gleicher Optik, oder?

Es gibt auch Fortschritt, der eher Rückschritt ist. Ein Blick auf iOS 6 zeigt z.B. als große Veränderung das Fehlen von Google Maps und der YouTube-App. Teilweise kein Drama, denn die YouTube-App war so oder so eher nur ein stiefmütterlich behandeltes Anhängsel. Die Maps-App hingegen war wirklich brauchbar - und etwas Gutes ersetzt man natürlich nur durch etwas Besseres, nicht wahr? Wie bspw. die neue, eigene Kartenanwendung von Apple. Das Praktische daran: es müssen viel weniger Daten aus dem Netz gezogen werden, als es noch mit Googles App der Fall war. Denn außerhalb von Großstädten nutzt man in Deutschland datenschonende Schwarz-Weiß-Satellitenbilder - die sind ja eigentlich auch viel besser als die bunten Alternativen. (Wahrscheinlich unterstützt das iPhone 5 in Deutschland deshalb LTE nur in der Stadt, weil man es auf dem Lande gar nicht braucht.)

Gar keine Frage: das System ist gut, die App-Auswahl reichlich und die entwickelten Features durchdacht - aber es wäre so viel mehr Potential im System. Es scheint, als hätte Apple bei den letzten beiden Major-Versionen die Handbremse gezogen und nur ganz vereinzelt große Features vorgestellt. Dabei gibt es noch so viel zu verbessern, wie auch die Konkurrenz immer wieder zeigt.

An Ideen mangelt es nicht: Konzepte & Jailbreak

Dabei gibt es viele Möglichkeiten, der Ideenlosigkeit ein Ende zu bereiten. Ein Blick auf YouTube unter dem Stichwort "iOS Concept" oder in den YouTube-Channel von Jan-Michael Cart bringen viele Ideen, die beim ersten Ansehen schon das "Haben wollen"-Gefühl hinterlassen.

Auf den Homescreens frei platzierbare Widgets, ein verbessertes und erweitertes Notification-Center mit weiteren Widgets und direkter WiFi-Auswahl, ein im Landscape-Modus nutzbarer Launcher, eine Seite mit Schnelleinstellungen für die wichtigsten Funktionen - alles Features, die iOS (noch) fehlen und gut tun würden.

Und wieso hat sich eigentlich seit Jahren nicht wirklich etwas an der Onscreen-Tastatur getan? Unter Android gibt es so viele gute Tastaturkonzepte mit wirklich fantastischer Autokorrektur - scheinbar ist Apples Autokorrektur aber gut genug. Gerade beim iPad nervt die Tastatur doch sehr, und das obwohl sie sich schon verändert hat - in "großem" Zustand ist das iPad im Querformat nicht gut per Daumen bedienbar. Teilt man die Tastatur, sind die Tasten aber wieder so klein, dass man sich schnell vertippt. Die Tastengröße per Pinch-to-Zoom anzupassen, wäre einfach und innovativ.

Ein Konzeptvideo über das iPhone 5 - im weiteren Verlauf des Videos werden aber auch Software-Konzepte angesprochen.

Praktisch wären auch gescheite Benachrichtigungen - die "Neuen" aus iOS 5 sind zwar schon besser, stören aber noch immer den Workflow. Denn während sie eingeblendet werden, verdecken sie oft für einige Sekunden die Bedienelemente am oberen Rand. Wieso man hier nicht dreist von Palms/HPs totem WebOS kopier...- ich meinte natürlich ausgeliehen - hat, bei dem die Benachrichtigungen einfach den angezeigten Bereich des Displays verkleinern, ein Weiterarbeiten aber in vollem Umfang möglich ist, stößt bei mir auf Unverständnis.

Doch nicht nur Wunschvorstellungen gibt es, dank des Jailbreaks haben viele Ideen auch schon den Weg in die Realität gefunden. Auf Jailbreaknation.com werden regelmäßig die besten Tweaks und Apps des letzten Monats gekürt und viele Tweaks vorgestellt, wie Missionboard Pro, CamTime oder BattSaver.

Apple hätte auch wieder Vorreiter sein können und die neue iOS-Version mit User-Profilen ausstatten können, sodass das iPad innerhalb der Familie unabhängig voneinander genutzt werden kann. Daran hat man scheinbar kein Interesse und überlässt diesen Markt wohl vorerst Microsoft mit seinen Windows 8 RT Tablets - man muss der Konkurrenz ja auch mal eine Chance geben.

Einschränkungen über Einschränkungen

Das Schlimmste und wahrscheinlich auch Beste, was iOS passieren konnte, sind die wirklich harten Restriktionen. Einerseits macht es das System natürlich stabil wie kein anderes, andererseits könnte man sich aufregen, wenn man sieht, was mit Android-Geräten möglich ist. Wieso kann ich mein iPhone nicht als Massenspeicher nutzen? Abgesehen davon habe ich meistens sowieso kein Dock-Connector-Kabel oder bald einen günstigen 19-Euro-Umstecker von Lightning auf microUSB in der Tasche, wohingegen ein microUSB-Kabel einfach aufzutreiben wäre.

Wieso kann ich das Design nicht nach meinen Wünschen anpassen oder alternative Tastaturen herunterladen, um mir mein Gerät zu personalisieren bzw. eine benutzbare Autokorrektur, die mich nicht in den Wahnsinn treibt, zu erhalten? Wieso kann ich per Bluetooth keine Dateien übertragen? Und wieso kann ich meine Lieblingsapps wie Googls Chrome oder die Gmail App nicht als Standard einrichten und dadurch viele integrierte System-Features nicht nutzen?

Wovor hat Apple Angst? Dass andere Entwickler auch gute Ideen haben? Dass man weder anderen die Chance gibt, gute Ideen zu verwirklichen, noch bei vielen Features selbst die Initiative ergreift, ist grob fahrlässig und bremst das System.

Updatepolitik - mehr Schein als Sein?

Ein "total supi"-Feature ist natürlich die Update-Politik der Jungs aus Cupertino. Sogar das uralte iPhone 3GS bekommt ein Update auf iOS 6. Dass das iPhone 4 in diesem Zuge quasi kaum mehr Features mit iOS 6 bekommt als der Vorgänger, das kann Apple auch nicht mehr mit den üblichen "Hardware-Restriktionen" rechtfertigen. Stört aber scheinbar auch nicht. Und auch hier wird es wieder nicht lange dauern, bis Hacker die anderen Funktionen problemlos auch auf älteren Geräten freischalten, nur um zu zeigen, dass es geht. 3D-Maps brauchen sicherlich Rechenpower, das verstehe ich ja - aber Turn-by-Turn-Navigation ist wahrscheinlich auch so ein Hardware-Killer, was natürlich erklären würde, warum es quasi keine Navigations-Apps für iPhone 4 oder älter gibt ...nicht.

iPhone 3GS iPhone 4 iPhone 4S iPhone 5
Systemweites Facebook-Sharing ja ja ja ja
Neue Apps: Telefon, Passbook, Maps ja ja ja ja
Siri-Erweiterung nein nein ja ja
Maps: Turn-by-Turn nein nein ja ja
Maps: 3D-Funktion nein nein ja ja
Facetime over Cellular nein nein ja ja
Kamera: Panorama-Aufnahmen nein nein ja ja
Vergleichstabelle: Was bekommt wer mit iOS 6? (Auszug der Features)

Dass man das iPhone 3G seinerzeit mit dem iOS 4 Update aber auch lange Zeit unbenutzbar gemacht hat, scheint ebenfalls niemanden zu stören - Hauptsache Update. Da hat man lieber ein aktuelles System, das das Gerät richtig schön unbenutzbar macht, als ein etwas älteres, schnell laufendes.

Die Updatepolitik von Apple ist für mich oft unverständlich. Natürlich - aus Sicht des Unternehmens macht man alles richtig, die Kommunikation nach außen funktioniert und bei der Konkurrenz sieht es mit Updates noch übler aus - hier könnte man sich aber problemlos noch weiter von der Konkurrenz absetzen und den Kunden so noch mehr an sich binden.

Licht am Ende des Tunnels

Natürlich ist iOS nicht schlecht - sonst hätte ich es sicherlich nicht über vier Jahre lang genutzt. Apples Mobilsystem ist ein sehr ausgereiftes, vielseitiges und vor allem fast immer funktionierendes System, das meiner Meinung nach aber in den letzten beiden Jahren etwas den Anschluss verloren hat. Innovationen blieben größtenteils aus, durch den festen Update-Rhythmus hat Apple meistens nur noch zur Konkurrenz aufgeschlossen und auch sonst ist vom damaligen so fortschrittlichsten System nicht mehr so viel zu sehen.

Nun heißt es für mich nach vier Jahren wohl Tapetenwechsel. Denn die kleinen, abgerundeten Icons, die sich - bis auf eine kleine Zahl - nie ändern und mir somit nach dem Unlock immer das gleiche Bild entgegenspringt, habe ich nun lange genug gesehen - Lagerkoller sozusagen. Und dennoch ist eine Rückkehr nie ausgeschlossen - es gibt ja noch vieles, was Apple am System verbessern und erweitern kann, um wieder durchzustarten.

Aber auch andere Hersteller bzw. Systeme haben Probleme, wie wir in einem Artikel über die Probleme Androids vor einiger Zeit zusammengefasst haben. Und natürlich fehlen auch dort einige Features. Im Unterschied zu iOS ist es aber meist recht einfach, diese im Android-System nachzurüsten.

Was mir bei iOS grundsätzlich fehlt, ist ein kompliziert zu aktivierender, offizieller Schalter, der das Jailbreaking obsolet machen und es dem versierten Nutzer ermöglichen würde, nicht validierte Software auf das iPhone oder iPad zu spielen. Gerne kann Apple dann auch jegliche Garantieleistungen verweigern - das ist ja bei den meisten Android-Modifikationen auch der Fall. Aber einfach eine offizielle Möglichkeit zu haben, das Gerät tiefer gehend anzupassen, ohne dass der Otto-Normalnutzer diese Funktion "aus Versehen" aktivieren kann, wäre schon ein großer Schritt vorwärts.

Quellen und weitere Links

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