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Das Apple iPhone und die aktuelle Apple Watch sind IP68-zertifiziert und können im Wasser bis zu 30 Minuten und in einer Tiefe von bis zu 2 m durchhalten. Für eine kurze Dusche in diversen Flüssigkeiten reicht dieser Schutz also aus. Doch offenbar können nicht nur dichtere Materialien wie unsere Umgebungsluft zum Problem werden, sondern auch dünnere.
Die Geschichte beginnt mit Erik Wooldridge, der als Systems Specialist im Morris Hospital bei Chicago in den USA arbeitet und dort unter anderem mit einem GE Healthcare MRI zu tun hat. Dabei handelt es sich um ein Gerät zur Magnetresonanztomographie. Plötzlich gab es im Krankenhaus mehrere Leute, die davon berichteten, dass ihre iPhones und Apple Watches nicht mehr funktionierten. Insgesamt waren 40 Geräte betroffen – eine mehr als auffällige Häufung und die Gründe waren zunächst unklar.
Zum Betrieb einer Anlage zur Magnetresonanztomographie wird flüssiges Helium verwendet. An einem der Geräte gab es offenbar ein Leck und über einen Zeitraum von fünf Stunden verflüchtigten sich 120 l an flüssigem Helium. Nach dem Verdampfen entspricht eine Menge von 120 l an flüssigem Helium einem Volumen von etwa 90 m³ und damit erhöhte sich die Konzentration an Helium in der Luft in weiten Bereichen des Krankenhauses.
Doch was führte nun zum Ausfall der iPhones und Apple Watches?
Aufgrund der immer kompakteren Hardware müssen auch die einzelnen Komponenten immer kleiner werden. Bei den Sensoren sind einige Hersteller bereits seit einiger Zeit dazu übergegangen sogenannte Mikrosysteme zu verwenden. Diese werden auch als MEMS bzw. Microelectromechanical Systems bezeichnet und beschreiben Systeme mit aktiven Komponenten, die Abmessungen im Bereich von 1 µm und weniger haben. Apple verwendet unter anderem Beschleunigungssensoren und Gyroskope, die derart aufgebaut sind. Aber warum waren dann nur Smartphones und Smartwatches von Apple vom Gasaustritt betroffen?
Jeder Prozessor und jeder SoC, ja sogar einzelne Bauteile in einem Smartphone haben eine interne Uhr oder besser einen Oszillator, der als Taktgeber fungiert. Über eine lange Zeit kamen Quarzoszillatoren zum Einsatz. Aufgrund der Miniaturisierung und aus Kostengründen gibt es inzwischen aber auch schon MEMS-Oszillatoren. Das Schwingquartz des Quarzoszillatoren wird beim MEMS-Oszillator durch Polysilizium ersetzt. Apple setzt diese MEMS-Oszillatoren ab dem iPhone 6 und mit der ersten Apple Watch ein. SiTime und SiliconLabs sind zwei der Unternehmen, die für Apple MEMS-Oszillatoren herstellen und in Form des SiT512 von SiTime ist auch ein konkretes Bauteil bekannt, welches im iPhone zum Einsatz kommt.
Nun muss man noch wissen, dass Helium in gasförmig praktisch Atomar ist, es demzufolge auch eine extrem hohe Diffusionsrate hat und klein genug ist, durch winzigste Öffnungen zu diffundieren. Unter anderem kann Helium in einen MEMS-Oszillator eindringen und diesen zum Stillstand bringen, was dann dazu führt, dass der Taktgeber fehlt und die Komponenten eines Smartphones nicht mehr funktionieren – sie schalten sich ab und das System stürzt einfach ab – startet zunächst auch nicht mehr.
Apple verbaut MEMS-Oszillatoren seit der ersten Apple Watch und ab dem iPhone 6. Auch andere Hersteller setzen auf MEMS-Oszillatoren, unter anderem Google beim Pixel 3. Die meisten Hersteller machen Vakuum-Tests und dichten die gefährdeten Komponenten entsprechend ab. Einen vollständigen Schutz gibt es aber nicht.
Verringert sich die Helium-Konzentration in der Luft wieder, sollten die MEMS-Oszillatoren laut InvenSense auch wieder in der Lage sein zu funktionieren. Ein dauerhafter Schaden ist nicht zu erwarten. Die meisten Nutzer werden sich auch nie in einer Umgebung wiederfinden, die eine problematische Konzentration von Helium in der Luft enthält und die solche Auswirkungen hat.
Eine interessante Geschichte, die sicherlich zeigt, wie schwierig die Ursachensuche für ein Problem sein kann und welche Auswirkungen Teilchen mit einem Van-der-Waals-Radius 140 pm haben können.