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Über die vergangenen Monate und Jahre hat Netflix an einer neuen Codierung gearbeitet, welche bei gleicher bzw. eventuell sogar besseren Bildqualität ein geringeres Datenvolumen für das Streaming von Videos verlangen soll. Dazu wurden einige Mitarbeiter vor zwei TV-Geräte gesetzt, die jeweils den gleichen Inhalt abspielten. Auf dem einen Gerät wurde mit der alten Codierung gearbeitet, auf dem anderen mit der neuen. Netflix tüftelte so lange an dem neuen Verfahren, bis im Blindtest keinerlei Unterschiede mehr festzustellen waren. Diesen Punkt hat man nun offenbar erreicht und will die neue Codierung schnellstmöglich auf all seinen Inhalten umsetzen.
Warum Netflix eine effizientere Codierung benötigt, wird schnell deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass Netflix in den USA für rund ein Drittel des Datenverkehrs in den Abendstunden verantwortlich ist. Diese Auslastung muss nicht nur das Gesamtnetz bewältigen können, sondern auch die Server von Netflix – es ist also im eigenen Interesse von Netflix weniger Daten bei gleichbleibender Videoqualität auszuliefern. An dem neuen Verfahren arbeitet Netflix seit 2011 und will nun den Durchbruch geschafft haben.
Zunächst einmal muss dabei verstanden werden, dass Netflix bereits heute verschiedene Qualitätsstufen anbietet. Je nachdem welche Verbindung zum Internet dem Kunden zur Verfügung steht, ein langsames DSL oder eine schnelle Glasfaserverbindung, werden verschiedene Qualitäten angeboten. Dies reicht von 235 kBit/s in 320 x 240 Pixel, über 1.750 kBit/s bei 1.280 x 720 Pixel bis hin zu 5.800 kBit/s für 1.920 x 1.080 Pixel. Einige wenige Inhalte bietet Netflix inzwischen auch in UltraHD an. Für die 3.840 x 2.160 Pixel setzt Netflix allerdings auch eine Bitrate von 15,6 MBit/s an. Vorhanden sind zudem einige Zwischenschritte zwischen 240p bis 1080p, die Qualität passt sich wie gesagt adaptiv der vorhandenen Internetverbindung an. All diese Auflösungen im Zusammenspiel mit den Bitraten liegen auf den Servern von Netflix in sogenannten Recipes vor.
Bisher verwendet Netflix fixe Bitraten, egal ob es sich um einen detailreichen, mit CGI vollgeladenen Actionfilm handelt oder im einen Animationsfilm. Dabei lassen sich Animation- oder Zeichentrickfilme besser codieren, als dies bei komplexen Szenen moderner Filme der Fall ist. Die Server von Netflix haben also mit letztgenannten Filmen deutlich mehr zu tun um diese auf gleiche Bitrate zu bringen, als dies bei erstgenannten Filmen der Fall ist. Dies führt aber letztendlich auch dazu, dass durch die höhere Kompression die Bildqualität leiden kann. Anne Aaron, Video Algorithmus Manager bei Netflix beschreibt dies wie folgt:
"You shouldn’t allocate the same amount of bits for ‘My Little Pony’ as for ‘The Avengers‘. A one-size-fits-all model doesn’t give you the most optimal quality."
Der neue adaptive Algorithmus passt sich demzufolge auch dem Quellmaterial an. So kann ein My Little Pony nun auch in 1080p bei einer Bitrate von 1,5 MBit/s gestreamt werden – zuvor war fast die vierfache Datenmenge notwendig. Stünden dem Kunden maximal 1,5 MBit/s zur Verfügung, hieße dies im Umkehrschluss eine Auflösung von 720 x 480 Pixel im alten Encoding. Bei "normalen" Filmen oder TV-Serien spricht Netflix von einer Einsparung der Bandbreite um 20 %. Orange is the New Black in 1080p wird im alten Encoding mit 5,8 MBit/s ausliefert, im neuen sind es 4,64 MBit/s. Da sich solche Videoinhalte nicht einfach kategorisieren lassen, entscheidet Netflix ab sofort für alle Videoinhalte einzeln über die anzuwendenden Qualitätseinstellungen für das Streaming.
Auf die internen Tests mit einigen Mitarbeitern sollen auch bereits externe Tests mit ausgewählten Kunden erfolgt sein. Diese Testphase ist weitestgehend abgeschlossen. Laut eigenen Angaben hat man bereits damit begonnen, seinen kompletten Katalog an Inhalten zu recodieren. Damit will man zur Weihnachtszeit beginnen und der Prozess soll zum Ende des ersten Quartals 2016 abgeschlossen sein. Dieser automatisierte Prozess soll natürlich ohne Wissen und Einschränkungen für die Kunden erfolgen. Dazu hat man sich auch mit Forschern der University of Southern California, der University of Nantes und der UT Austin zusammengetan und ein Verfahren entwickelt. Die Recodierung erfolgt dabei auf Webinstanzen von Amazon, die auch schon für die Auslieferung verantwortlich sind. Sämtliche Idlezeit dieser Server wird nun für die Recodierung genutzt. Dazu werden die Videoinhalte in kleine Häppchen geteilt und dann von den Servern verarbeitet.
Für Netflix bzw. das Algorithmus-Team geht es aber schon wieder weiter. Derzeit arbeitet man an neuen Verfahren für die Auslieferung an UltraHD- bzw. 4K-Inhalten. Hinzu kommt ein Streaming mit High Dynamic Range (HDR), womit man ebenfalls im Frühjahr beginnen will. Für die Zukunft denkt man aber bereits an Verfahren, die nicht für einzelne Filme oder Folgen von TV-Serien eine bestimmte Encoding-Qualität auswählen, sondern dies Szene für Szene tun. Der Aufwand dafür wäre noch einmal deutlich höher.