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In den vergangenen Tagen wurde viel darüber geschrieben, ob die Strom- und Spannungsversorgung der Radeon R9 295X2 (Zum Hardwareluxx-Test) zum Problem werden könnte. Dabei ging es nicht um den Verbrauch der Karte als solches, eine Performance-pro-Watt-Analyse soll hier keine Rolle spielen, sondern um die Art und Weise wie AMD die bis zu 500 Watt an die Karte bringt. Es wurden Spezifikationen zitiert, unterschiedlich ausgelegt, Berechnungen erstellt, diverse Testverfahren analysiert und sogar Wärmebilder zu Rate gezogen. Zur Aufklärung beigetragen hat bisher recht wenig davon. Daher wollen wir uns nun einmal etwas diesem Thema widmen und vielleicht auch einige Mythen aus dem Weg räumen.
Fakt ist, AMD hat die Radeon R9 295X2 auf eine Thermal-Design-Power (TDP) von 500 Watt ausgelegt. Laut aktueller PCI-Express-Spezifikation dürfen Grafikkarten nur maximal 75 Watt (3 Ampere bei 3,3 Volt plus 5,5 Ampere bei 12 Volt) über den PCI-Express-Slot ziehen. Zusätzlich möglich sind bis zu 75 Watt über einen 6-Pin-Anschluss (6,25 Ampere bei 12 Volt) und 150 Watt über einen 8-Pin-Stecker (12,5 Ampere bei 12 Volt). Insgesamt landen wir also bei 300 Watt für eine Grafikkarte mit jeweils einem 6-Pin- und einem 8-Pin-Anschluss, welche das offizielle PCI-Express-Logo tragen will, was vor allem dann von Interesse ist, wenn sich Systembuilder auf diese Angaben verlassen. Alles, was darüber hinaus geht, ist nicht verboten, wird aber nicht mehr für alle Systeme freigegeben. Nun sind Freigaben und Spezifikationen von PCI-Express das eine, aber was passiert auf physikalischer Ebene, wenn eine Karte wie die Radeon R9 295X2 mehr verbraucht, also diese maximalen 300 Watt?
Auf den ersten Blick ist alles sogar noch viel schlimmer, als ursprünglich angenommen, denn zumindest über die 3,3-Volt-Schiene des PCI-Express-Steckplatzes zieht die Radeon R9 295X2 keinerlei elektrischer Leistung (siehe Leistungsmessung bei Tom' s Hardware.de). Gut, die hier maximal möglichen 10 Watt spielen bei 500 Watt kaum eine Rolle. Weiterhin aber wird auch die 12-Volt-Schiene über den Slot nur mit maximal 28 Watt belastet, so dass fast die kompletten 500 Watt über die beiden 8-Pin-Anschlüsse bewerkstelligt werden.
Nun aber zu den Ängsten vieler, die davon ausgehen, dass diese 8-Pin-Anschlüsse die jeweils fast 250 Watt nicht tragen können, denn laut PCI-Express-Spezifikation sollen ja nur 150 Watt über diese Anschlüsse möglich sein. Hier sollte man zunächst einmal zwischen der elektrischen Spezifizierung der Anschlüsse selbst und einer Norm, wie es sie im Falle der PCI-Express-Spezifizierung ist, unterscheiden. Die PCI-Express-Spezifikation beschreibt keinesfalls die Herstellerspezifikationen der Anschlüsse selbst. Dazu nun etwas Elektrotechnik und einige Rechnungen:
Gefährlich wird eine Überlast an Steckverbindungen durch einen immer vorhandenen Übergangswiderstand. Fließt Strom hier hindurch, fällt nach dem Ohmschen Gesetz eine Spannung ab - am Übergangswiderstand wird also Leistung in Form von Wärme umgesetzt. Solche Steckerbindungen haben einen typischen Übergangswiderstand zwischen 1 und 10 mOhm. Wir nehmen in den folgenden Berechnungen einmal etwa 5 mOhm an. Gehen wir weiterhin davon aus, dass sich die 500 Watt der Karte gleichmäßig auf die beiden Anschlüsse aufteilen, so fällt bei 12 Volt pro Steckverbindung eine Stromstärke von 20,8 Ampere an. Diese 20,8 Ampere wiederum teilen sich auf die drei positiven Anschlüsse des 8-Pin-Anschlusses auf, so dass hier pro Leiter und Übergang innerhalb der Steckverbindung rund 7 Ampere fließen. Pro Leiter und Übergang ergibt das bei einem Übergangswiderstand von 5 mOhm den Abfall eine Leistung in Höhe von 245 mWatt. Diese Abwärme geht aber nicht komplett in die Umgebungsluft bzw. in die Isolierungen, sondern kann durch die Leiter selbst teilweise abgeführt werden. Der rückfließende Strom teilt sich am 8-Pin-Anschluss auf fünf Masse-Anschlüsse auf, so dass an dieser Stelle die umgesetzte Leistung noch geringer ist.
Schaut man sich die Datenblätter bei Molex an, wird hier pro Leiter eine Stromstärke von 13 Ampere als zulässig angesehen. Die gleichen Steckverbinder kommen übrigens auch oft bei modularen Netzteilen zum Einsatz. Noch einmal zur Erinnerung: Bei der AMD Radeon R9 295X2 dürften so in etwa 7 Ampere fließen - es ist also alleine schon aufgrund der Spezifizierung für die Steckverbindung mehr als ausreichend Luft. Die anfallende Abwärme kann problemlos abgeführt werden und auch wenn einige mit einer Wärmebilderkamera gemachten Fotos hier 75 °C zeigen - weder die Kabel inkl. Isolierung, noch die Steckverbinder bewegen sich in einem kritischen Temperaturbereich, da diese in der Regel bis 105 °C spezifiziert sind.
Dies alles muss aber nicht bedeuten, dass es nicht doch zu Problemen kommen kann. Diese sind dann aber weniger auf die Umsetzung der Versorgung zurückzuführen, als vielmehr auf die Unbedachtheit der Nutzer. Ein System, in dem eine Grafikkarte steckt, die bis zu 500 Watt verbraucht, kann nicht mit einem 550- oder 650-Watt-Netzteil betrieben werden. AMD hat ausgiebig beschrieben, welche Anforderungen an das Netzteil zu stellen sind und daran sollte man sich auch halten. Auch wenn hier einmal ein Fehler passiert, besitzen die meisten Netzteile eine "Over Current Protection", also einen Schutz bei zu hoher Last. Die Hardware dürfte also zunächst einmal nicht in Gefahr sein.
Viele stellten sich auch die Frage, warum AMD nicht einfach gleich drei 8-Pin-Anschlüsse auf der Radeon R9 295X2 verbaut hat. ASUS hat es mit der ARES II vorgemacht. Nun sind wir keine Experten für das Layout eines derart komplexen PCBs, wir gehen aber mal davon aus, dass AMD es sicherlich in Erwägung gezogen hätte, wenn man die Möglichkeit gehabt hätte. Ein weiterer Anschluss hätte etwas mehr Platz benötigt und die Frage, ob dieser vorhanden wäre, lässt sich sicherlich nur von AMD selbst beantworten.
Noch einmal: Aus elektrisch-physikalischer-Sicht sind die beiden 8-Pin-Anschlüsse auf der Radeon R9 295X2 nicht problematisch. Die Rahmenbedingungen sind weitaus entscheidender. Ein zu schwaches Netzteil ist zunächst einmal nur ein Grund dafür, dass das System nicht startet oder bei Last abschaltet. Wer seine Hardware wenig pflegt, Gehäuselüfter nicht reinigt, Netzteile bzw. deren Belüftung verstauben lässt, kommt eher in Schwierigkeiten, als derjenige, er sich mit seiner Hardware beschäftigt. Wer 1.400 Euro für eine Grafikkarte ausgibt, dem dürfte ein kurzer Blick in die technischen Daten des Netzteils und in das eigene Gehäuse zuzumuten sein. Schließlich besteht auch eigenes Interesse in einem einwandfreien Betrieb der Hardware.
Wir hoffen wir konnten mit einigen Mythen aufräumen und Ängste entkräften. Bei weiteren Fragen stehen wir natürlich in den Kommentaren zur Verfügung. Auch die Nutzer im Forum helfen sicherlich gerne bei der Suche nach dem richtigen Netzteil oder bei Fragen nach der Kompatibilität.