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Unmittelbar vor dem Start der diesjährigen Computex hat der britische Prozessorentwickler ARM einen neuen CPU-Kern vorgestellt. Gegenüber seinem Vorgänger soll der Cortex-A76 um bis zu 35 % mehr Leistung bieten, das interessanteste Detail ist aber ein anderes. Denn rund um den neuen Kern ist lediglich von Windows als Einsatzgebiet die Rede. Der künftige Einsatz in Smartphones ist aber dennoch sehr wahrscheinlich.
Gegenüber dem Cortex-A75, der unter anderem als Basis für Qualcomms Kryo-385-Kern (Snapdragon 845) zum Einsatz kommt, hebt ARM vor allem vier Fortschritte hervor.
So sind Sprungvorhersage und Befehlszyklus nun entkoppelt, was Latenzen vor allem bei hohen Bandbreiten verringern soll. Zudem kann das Frontend pro Takt nun vier bis acht Instruktionen einholen, auch dank veränderter Cache-Nutzung Vorhersageänderungen. Der zweite Punkt betrifft das erstmals genutzte Vierfach-Decoding pro Kern, was letztlich der maximalen Anzahl an Instruktionen pro Takt zugute kommt. Bis zu acht können pro Takt weitergeleitet werden. An dritter Stelle nennt ARM einen höheren Durchsatz bei Integer- und Vektorberechnungen. Das soll sich vor allem beim Machine Learning bemerkbar machen. Letztlich trägt auch eine optimierte Cache-Hierarchie sowie ein neuer Prefetcher der vierten Generation zur Leistungssteigerung bei.
All diese und weitere Änderungen sollen dafür sorgen, dass die Integer-Leistung 90 % höher als beim Cortex-A73 ausfällt, die Fließkommaleistung soll gar 150 % höher ausfallen. Insgesamt, so ARM, liegt das Plus gegenüber dem zwei Jahre alten Kern bei 80 %; 35 % sind es gegenüber dem Cortex-A75. Allerdings verwendet ARM für die Vergleiche unterschiedliche Taktraten: 2,45 GHz beim Cortex-A73, 2,8 GHz beim Cortex-A75 und 3,0 GHz beim Cortex-A76.
Die „laptop performance", die auf Basis von AArch64 Specint2K6 errechnet hat, soll ebenfalls weit höher als zuletzt ausfallen. So spricht man bei der Single-Thread-Performance von 110 % mehr als beim Cortex-A73, in einem Big.Little-Gespann mit 5 W Leistung sollen es 90 % mehr sein. Details zu Aufbau des Gespanns oder Taktraten werden in diesem Vergleich aber nicht genannt.
Zusammengefasst sprechen die Briten gegenüber dem Cortex-A75 aus dem vergangenen Jahr von 35 % mehr Leistung im Allgemeinen, der vierfachen Machine-Learning-Performance sowie einer um 40 % gesteigerten Effizienz. Letztere dürfte zu einem großen Teil an der vorgesehenen Strukturbreite liegen. Denn optimiert ist der Cortex-A76 für TSMCs Fertigung in 7 nm FinFET, alternativ stellt ARM aber auch die entsprechenden Daten für TSMCs 16 nm FFC zur Verfügung. SoC-Entwickler, die sich für 16 nm entscheiden, können prinzipiell sofort mit der Arbeit beginnen. Der Startschuss für 7 nm soll erst im vierten Quartal erfolgen.
Als optimalen Partner in einer DynamIQ-Einheit sieht ARM den im vergangenen Jahr vorgestellten Cortex-A55, der in erster Linie die Rolle des Efficiency-Cores übernimmt.
Den GPU-Part soll im Idealfall die ebenfalls heute vorgestellte Mali-G76 einnehmen. Die wesentliche Veränderung gegenüber dem bisherigen Topmodel Mali-G72 betrifft die Verdopplung der ALUs durch doppelt so breite SIMDs. Es bleibt allerdings bei drei Engines pro Kern; genutzt wird nach wie vor die 2016 eingeführte Bifrost-Architektur. Dass die maximale Leistung dennoch nur um 25 % steigen soll, liegt an der verringerten Anzahl der einsetzbaren Kerne. Konnte die Mali-G72 noch mit bis zu 32 Kernen (MP32) ausgestattet werden, liegt das Limit nun bei 20 (MP20). Das dürfte in der Praxis jedoch keine Rolle spielen, zuletzt wurde die Grenze nicht einmal annähernd erreicht - selbst Samsung Exynos 9810, der im Galaxy S9+ (Test) steckt, verfügt nur über 20 Kerne. Hervorgehoben werden neben dem Leistungsplus auch eine um 30 % höhere Effizienz sowie eine um 170 % höheren Machine-Learnung-Performance.
Wann erste SoCs mit Cortex-A76 oder Mali-G76 vorgestellt werden, ist noch nicht bekannt. Dabei dürfte es sich aber vermutlich um Huaweis Kirin 980 und um Samsungs neuen High-End-Chip handeln, der aller Wahrscheinlichkeit nach Anfang Januar 2019 präsentiert wird. Im Bereich des möglichen liegt zudem, dass der Nachfolger des Snapdragon 845 den neuen CPU-Kern als Basis verwenden wird. Das weitaus größere Fragezeichen dürfte jedoch hinter ARMs Fixierung auf Windows, bzw. Windows on ARM stehen. Noch ist die Plattform weit davon entfernt, ein Erfolg zu sein - nicht nur in Deutschland spielt sie keine Rolle. Zugute halten muss man ARM jedoch, dass die Verantwortung dafür in erster Linie bei Microsoft sowie den ersten drei OEMs - ASUS, HP und Lenovo - liegt.