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Was das Apple Silicon besser als Intel machen soll

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Was das Apple Silicon besser als Intel machen soll
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Die Ankündigung Apples, über eine Übergangsfrist von zwei Jahren die Intel-Prozessoren mit dem eigenen Apple Silicon ersetzen zu wollen, ist sicherlich die am meisten beachtete Meldung der WWDC in diesem Jahr. Der Zeitplan wirkt dabei ebenso ambitioniert, wie die Zeit die Entwickler haben, ihre Software anzupassen – auch wenn es Apple den Entwicklern dank Universal und Rosetta einfach machen will. Was aber bedeutet die Ankündigung für Intel und welche Schlüsse lassen sich daraus für den PC-Markt ziehen?

Zunächst einmal aber sollte man sich die Frage stellen, warum Apple nun diesen Schritt geht. Der 2005 vollzogene Wechsel von PowerPC zu Intel hatte eine recht einfache Motivation: Die PowerPC-Prozessoren stellten keine ausreichende Zukunftsperspektiv für Apple mehr dar. Tatsächlich war Apple auch der letzte große Kunde und im Rückblick betrachtet schaffte Apple den Absprung am Höhepunkt der PowerPC-Entwicklung.

Böse Zungen würden nun sagen, dass man diesen Punkt bei Intel verpasst hat. Und das kleine Apple von 2005 hatte nun einmal nicht die (finanziellen) Möglichkeiten, wie ein Apple in 2020. Interessanterweise kaufte Apple bereits im April 2008 die Firma P.A. Semi auf, die besonders stromsparende Variante der G5-PowerPC-Prozessoren entwickelte. Letztendlich war dies einer der Bausteine, um mit dem A4 im iPhone 4 den ersten eigenen SoC präsentieren zu können.

Schon 2008 war Johny Sroujis Leiter der Entwicklung – am vergangenen Montag sprach Sroujis über das Apple Silicon in den zukünftigen Macs. Das, was die A-Series-Chips in den iPhones und iPads geschafft haben, soll nun auf den Macs ebenfalls vollzogen werden. Man spricht von einer vollständigen vertikalen Integration von Hard- und Software. Alles kommt aus einer Hand und kann dahingehend angepasst werden. Apple spricht von einer kompletten Familie neuer Chips, die man anbieten wird. In gewisser Weise kennen wir das schon von den A-Series-SoCs, denn auch hier entwickelt Apple regelmäßig leicht unterschiedliche Modelle für die iPhones und iPads.

Interessanterweise hat Apple in der Keynote darauf verzichtet die Chips oder die verwendete Architektur zu nennen. Das Wort "ARM" kam nicht vor und das hat auch seinen Grund: Apple verwendet hier eine ARM IP (Intellectual Property), passt diese aber den eigenen Bedürfnissen an. Vermutlich wird man ARMs nächste Architektur-Generation ARMv9 verwenden, während alle aktuellen Designs sich von der ARMv8 ableiten lassen. Die fehlenden Nennung von ARM ist durchaus berechtigt. Einzig SoCs mit Cortex-Prozessoren verwenden in fast allen Aspekten das von ARM vorgesehene Designkonzept. Hersteller wie Ampere mit ihren Altra Datacenter-Prozessoren, Amazon mit dem Graviton 2 und Nuvia passen die ARM IP entsprechend an, hier kann dann aber eigentlich nicht mehr die Rede von einem ARM-Prozessor sein.

Apples Zielsetzung

Über die kommenden 2 1/2 Jahre will Apple sämtliche Intel-Prozessoren durch eigenes Apple Silicon ersetzen. Bei den SoCs für das iPhone, iPad, den AppleTV, HomePod und die Spezialchips für die Apple Watch sowie die AirPods gibt es gewisse Vorgaben was den Stromverbrauch und die Kühlkapazitäten betrifft. Aus dem Zusammenspiel einer möglichst hohen Leistung des SoC bei gegebenen Power-Budget hat Apple bislang so ziemlich das Maximum herausholen können – dies zeigen die diversen Benchmark-Vergleiche.

Für Macs kann Apple hier vor allem bei der Leistungsaufnahme und der Kühlung drehen, um einen möglichst idealen Betriebspunkt für die Hardware zu erreichen. Sicherlich dürften auch die neuen Chips keine horrenden Stromverbraucher werden, aber man hat deutlich mehr Spielraum in dieser Hinsicht.

Im Verhältnis aus Leistung und Leistungsaufnahme will Apple in der Leistung dort landen, wo aktuelle Desktop-Systeme zu finden sind, der Verbrauch soll aber nicht höher als bei den aktuellen Notebooks sein – vielleicht sogar etwas darunter. Es wird hier vor allem darauf ankommen, welches Einsatzgebiet Apple für ein bestimmtes Modell der Familie vorsieht. Ein kleines und flaches MacBook wird sich anders verhalten als ein iMac oder gar Mac Pro.

Aktuell wird viel darüber diskutiert, ob Apple mit den eigenen Chips wird mithalten können. Bei den A-Series-SoCs kann man diese Frage klar mit "ja" beantworten. Apple hat auf der WWDC bereits demonstrieren wollen, dass man aktuell schon soweit ist. Alle Demos von macOS Big Sur und der weiteren Software liefen bereits auf Entwicklerhardware mit Apple Silicon. Dabei handelt es sich um einen A12Z Bionic, wie er im iPad Pro zum Einsatz kommt. Der A12Z Bionic ist ein Achtkern-Prozessor, der vier Hochleistungskerne (64-Bit-ARMv8.3-A) und vier hocheffiziente Kerne zusammenbringt. Im iPad Pro kommt er zusammen mit acht GPU-Kernen zum Einsatz. Als Speicher verwendet Apple im iPad 6 GB LPDDR4X. Die gezeigte Entwickler-Hardware kommt auf 16 GB. Mehrfach betonte Apple während der Demos, wie reibungslos bereits alles laufe. Selbst drei 4K-Streams scheinen in Final Cut Pro X kein Problem zu sein. Ein Grund dürfte sein, dass der Entwickler-Hardware ein höheres Kühlungs-Potential zur Verfügung steht. Der A12Z darf sich sicherlich eine deutlich höhere Leistungsaufnahme genehmigen, als dies im iPad der Fall ist.

Die A13-Generation der aktuellen iPhones ist sogar noch etwas schneller und für die zukünftigen A14-Chips ist sicherlich mit einem weiteren Leistungssprung zu rechnen. Die "Desktop-Serie" der Chips setzt also auf eine bereits etablierte Basis auf, die ausgeweitet wird.

Schaut man sich die Leistungswerte der ARM-Datacenter-Lösungen an, kommen wir hier bei 80 Kernen eines Ampere Altra bei einer TDP von 250 W auf 3,125 W/Kern. Ein AMD EPYC 7742 mit 64 Kernen kommt auf 3,52 W/Kern und ein Xeon Platinum 8280 auf 7,3 W/Kern. Für die entsprechenden Workstation-Lösungen sieht dies dann ganz ähnlich aus, was auch einen Mac Pro mit Apple Silicon sehr realistisch werden lässt.

Ein derartiger Vergleich für Desktop-Prozessoren ist nur schwer möglich, da wir hier noch keinerlei Erfahrungen mit ARM-Designs haben. Aber es wird das Potenzial aufgezeigt, welches in der Hardware steckt. Die Integration der Hard- und Software kann Apple, das hat man mit den Leistungswerten der iPhones und iPads gezeigt.

Apple setzt auf ein Hybrid-Design

Bereits klar ist: Apple wird auch für das Apple Silicon auf ein Hybrid-Design setzen. Wir werden also Chips sehen, die mindestens zwei unterschiedliche CPU-Kern-Zielsetzungen zusammenbringen. Apple spricht hier von einem Asymmetric Multiprocessing (AMP). Im Gegensatz zu traditionellen SMP-Systemen (Symmetric Multiprocessing), die eine nahezu beliebige Anzahl identischer Kerne verwenden, haben AMP-Systeme Kerne, die nicht alle gleich sind.

Macs mit den Apple-eigenen Chips sind AMP-Systeme, die sowohl über Performance-Kerne (P-Cores) als auch über Effizienz-Kerne (E-Cores) verfügen. Obwohl die E-Cores auf hohe Effizienz optimiert sind, bieten sie beträchtliche Rechenressourcen, die genutzt werden können.

Vergleich zu Intel Lakefield

Auch Intel hat kürzlich einen solchen Prozessor vorgestellt, der zumindest in besonders leichten und kompakten Notebooks eingesetzt werden soll. Die Lakefield-Prozessoren verwenden einen Performance-Kern (Sunny Cove) und vier Effizienz-Kerne (Tremont). Für den Desktop soll Alder Lake-S das erste Hybrid-Design von Intel bieten. Auf Seiten der mobilen Chips hat sich das BIG.little-Konzept inzwischen durchgesetzt und das Apple Silicon wird eine entsprechende Desktop-Umsetzung dessen sein.

Einer der spannenden Punkte bei den Lakefield-Prozessoren wird die Zusammenarbeite mit Windows 10 sein. Intel verwendet hier ein 1+4-Design, was keine symmetrische Auslegung bedeutet. Ein Performance-Kern muss also die Threads entgegennehmen, die darauf gerechnet werden sollen, während ein typisches BIG.little-Konzept immer mindestens ein Paar für den Performance- oder Effizienz-Kern vorsieht.

Dies ist zumindest beim Developer Transition Kit (DTK) bzw. dem dort verwendeten A12Z Bionic der Fall. Ein ähnlicher Aufbau ist bei den ersten Chips sicherlich wahrscheinlich, wenngleich wir sicherlich recht bald, wenn nicht schon zum Start, auch Prozessoren mit mehr als vier Hochleistungskernen sehen werden. Das Modell lässt sich in jedem Fall gut hochskalieren. Das Asymmetric Multiprocessing lässt hier viel Spielraum. Selbst dutzende Kerne für den Mac Pro mit Apple-Prozessor sind nicht unwahrscheinlich und durchaus denkbar.

GPU und I/O des Apple Silicon

In den A-Series-SoCs kommt eine integrierte GPU zum Einsatz, die zwar von Apple entwickelt wurde, deren Grunddesign aber wohl weiterhin von Imagination Technologies stammt. Unklar ist, ob dieses auf einem Design von Imagination PowerVR beruht. Die Demos der WWDC zeigten, dass auch Spiele offenbar keine Hürde sein werden, wenngleich der Mac im Vergleich zu PC nicht wird aufschließen können.

Für die MacBooks dürfte die integrierte Grafikeinheit auch schnell genug sein. Schon anders könnte dies bei den Pro-Modellen ausschauen, wo heute gerne dedizierte GPUs zum Einsatz kommen. Das Apple Silicon wird aber sicherlich über ein PCI-Express-Interface verfügen und kann darüber eine dedizierte GPU/Grafikkarte anbinden. Die passenden Treiber und Schnittstellen verwenden Apple aktuell schon.

Apple nutzte diverse Präsentationen auf der WWDC, um die weiteren Funktionen der A-Series-SoCs für den Desktop-Einsatz schmackhaft zu machen. Dazu gehört die dedizierte Neural Engine, die Machine-Learning-Anwendungen im Hintergrund ausführt. Apple beschleunigt hier zahlreiche Anwendungen auf dem iPhone und iPad – wird dies dann auch über das Apple Silicon tun können.

Man kann sich bei Apple also auf viel Erfahrung aus der bisherigen Entwicklung der A-Series-SoCs verlassen. Es wird aber auch Bereiche geben, wo man fast von Null angefangen hat und bisher auf Intels Referenzvorgaben zurückgreifen konnte. Ein Punkt ist dabei die Thunderbolt-Schnittstelle, die bisher in den iPhones und iPads nicht zum Einsatz gekommen ist. Das Developer Transition Kit bietet beispielsweise noch keinen Thunderbolt-Anschluss.

Die Integration von USB und den weiteren Schnittstellen wie WLAN und Ethernet wird für Apple aber kein größeres Problem darstellen bzw. ist bereits über die Mobilgeräte umgesetzt worden.

Bereits der A12Z Bionic (und frühere Modelle) unterstützen LPDDR4X, das entsprechende Speicherinterface gibt es also schon. Für die Desktop-Version wird es dann wohl DDR4 sein. Die Leistung der integrierten Grafikeinheit ist in gewisser Weise an den schnellen Speicher gekoppelt. Im Leistungsbereich der integrierten Lösungen kommt noch der Unified Memory hinzu.

Auf die Plätze, fertig, los!

Apple hat sein Ökosystem über die vergangenen Jahre auf den aktuellen Schritt vorbereitet. Man lässt bereits Chips bei TSMC fertigen und wird diesen Bereich in Zukunft weiter ausbauen. Intern hat man die Expertise um eigene Prozessoren zu entwickeln, die dazu notwendigen Lizenzen sind vorhanden.

Nun beginnt der Feinschliff. Angefangen bei den eigenen Systemen und Softwarepaketen (macOS Big Sur stellt hier die Basis bereit), bis hin zu externen Softwareentwicklern – seien es die Softwareriesen wie Microsoft und Adobe, aber vor allem die vielen kleinen Entwickler, die den App Store über die vergangenen Jahre haben wachsen lassen. Der Mac App Store konnte hier noch nie mithalten, dürfte aber neuen Schwung erfahren. Dies vor allem, weil zukünftig auch iPhone- und iPad-Apps nativ auf den Apple-Chips laufen werden.

Ende 2020 soll der erste Mac mit Apple Silicon auf den Markt kommen. Spätestens dann werden wir wissen, wie Apples Prozessor-Familie zum Start aussehen wird. Intel wird die Änderungen zu spüren bekommen. Apple ist einer der größten Kunden für Desktop-Prozessoren. Die Xeon-Modelle des iMac Pro und Mac Pro dürften hingegen für Intel kaum ins Gewicht fallen. Die weiteren Auswirkungen werden sich zeigen müssen. Intel scheint in einigen Bereichen bereits ebenfalls auf ein (eigenes) asymmetrisches Design wechseln zu wollen.