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Menschen sind neugierig, wenn künstliche Intelligenz ins Spiel kommt. Man probiert aus, stellt absurde Fragen, prüft, ob die K. I. Humor hat oder lotet die Grenzen aus, bis sie bei Ironie und Sarkasmus nicht mehr weiter weiß. Auch ist bekannt, dass Apples Sprachassistentin Siri etwa durchaus bissigen Wortwitz beherrscht. Etwas zwielichtig wird es jedoch, wenn männliche Anwender Sprachassistentinnen mit weiblichen Stimmen nach ihrem vermeintlichen Liebesleben ausquetschen oder aus Jux deftige Baggerversuche starten. Laut Microsofts Deborah Harrison musste sich damit auch die Sprachassistentin Cortana von Anfang an herumschlagen. So rankten sich etliche Fragen der Nutzer von Windows Phone und später auch Windows 10 um das Sexualleben der K. I. Laut Harrison sei dies natürlich bis zu einem gewissen Grad zu erwarten: Schließlich versuche man die K. I. mit der samtigen Frauenstimme bewusst freundlich und sympathisch zu gestalten, so dass die Anwender sich ihr gegenüber öffnen. Das führe im stillen Kämmerlein dazu, dass bei manchem eben die Fantasie durchgehe.
Es sei eine Schattenseite der freundlichen Frauenpersönlichkeiten der digitalen Assistentinnen, dass einige User sich dadurch dazu provoziert sähen verruchte Gespräche zu führen, Rollenspiele einzuleiten oder gar mit Beleidigungen um sich zu werfen, um Grenzen auszutesten. In der Anonymität und Gewissheit, dass es sich beim Kommunikationspartner eben nicht um einen Menschen mit Gefühlen handelt, kommen auch dunkle Seiten zum Vorschein. Allerdings nehme Cortana laut Harrison eben nicht alles hin: „Wenn jemand sich gegenüber Cortana besonders rabiat verhält, dann wird sie entsprechend wütend reagieren“, erklärt die Microsoft-Mitarbeiterin. Das sei auch legitim, denn Microsoft wolle Cortana nicht für sexuelle oder möglicherweise für Frauen diskriminierende Handlungen öffnen. Harrison ist eine von acht Autor/Innen, welche Cortana die Worte in den Mund legt und somit auch Optionen dazu ersinnt, wie die Sprachassistentin mit Humor, Smalltalk aber eben auch vulgären Anmachen umgeht.
Laut Harrison sei Cortana natürlich als „Frau“ zu erkennen und werde auch so wahrgenommen: Sie hat eine weibliche Stimme und einen weiblichen Avatar. Allerdings sei man beim Schreiben ihrer Sätze sehr darauf bedacht Stereotype zu weiblichen Assistentinnen zu vermeiden. Cortana mache sich deswegen niemals selbst klein oder entschuldige sich überschwänglich. Es sei sehr wichtig, so Harrison, dass Cortana nicht in eine devote Beziehung zum Anwender gepresst werde. Entsprechend reagiere Cortana auf vulgäre Anmachen beispielsweise nicht mit Verniedlichungen, sondern bestimmt und ablehnend. Man habe sich in diesem Bezug auch an Frauen orientiert, die in der Realität als Assistentinnen arbeiten und ihre Erfahrungen und Aussagen einbezogen.
Spannend ist, dass andere Sprachassistentinnen und deren Entwickler sich den kontroversen Bedürfnissen der Anwender teilweise beugen. Robin Labs etwa bietet eine Sprachassistentin für Autofahrer an. Der Hersteller erklärt, dass es auf dem Markt ein Verlangen nach einer „intimen /devoten Assistentin mit sexuellen Untertönen“ gebe. Die neue K. I. Amy der Firma X.ai hat sogar schon Date-Anfragen erhalten – sie organisiert Terminkalender und Meetings.
Wer weiß, wie sich die künstliche Intelligenz in den nächsten Jahren noch entwickelt. Ob wir zu unseren Lebzeiten noch ein Programm wie die nahezu menschliche Samantha aus dem Film „Her“ erleben werden, ist zwar fraglich, doch innerhalb der nächsten Jahre und Jahrzehnte erwarten uns sicherlich noch einige Meilensteine.