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Die gestern gestartete diesjährige Ausgabe der Google I/O steht ganz im Zeichen künstlicher Intelligenz. Das zeigen nicht nur die angekündigten Änderungen bei Diensten wie Google News oder Google Foto, sondern auch Android P. Die kommende Version des Betriebssystems wurde aber nicht nur im Detail vorgestellt, auch eine erste Beta wurde bereits freigegeben. Die hinterlässt einen guten, aber auch unfertigen Eindruck.
Die vielleicht größte Überraschung während der Präsentation war aber weniger die Tatsache, dass die Testfassung nahezu zeitgleich freigegeben wurde, sondern eher die Zahl der kompatiblen Smartphones. Denn Google beschränkt sich nicht nur auf seine beiden Pixel-Generationen, sondern erlaubt auch Nutzer diverser anderer Modelle das Ausprobieren. Konkret sind dies:
- Essential Phone PH-1
- Google Pixel 2
- Google Pixel 2 XL
- Google Pixel
- Google Pixel XL
- Nokia 7 plus
- Oppo R15 Pro
- Sony Xperia XZ2
- Vivo X21 UD
- Vivo X21
- Xiaomi Mi Mix 2S
- OnePlus 6
Möglich wird diese Bandbreite an Geräten ausgerechnet durch eine von vielen Herstellern - zumindest hinter vorgehaltener Hand - mit Android 8 eingeführte Änderung. Denn erst Project Treble erlaubt es, die Beta-Version von Android P mit vergleichsweise geringem Aufwand für zahlreiche Modelle bereitzustellen.
Adaptiv wird Googles Lieblingswort
Hinter nahezu allen Änderungen in Android P steht die Idee, die Bedienung mit Hilfe von künstlicher Intelligenz zu vereinfachen. Entsprechend beginnen viele neue Funktionen mit dem Wort „adaptiv".
Das gilt zum Beispiels für den adaptiven Akku. Dahinter verbirgt sich ein Algorithmus, der erkennen soll, ob Apps häufig oder selten genutzt werden. Entsprechend werden Prioritäten verteilt, die in einem geringen Energiebedarf durch weniger Hintergrundaktivitäten resultieren sollen. Zusätzlich soll die KI Prozesse effektiver als bislang auf die vorhandenen CPU-Kerne verteilen, wenig Leistung fordernde Apps sollen so zuverlässiger von Efficiency-Kernen und -Clustern bearbeitet werden. Außerdem sollen die CPU-Kerne länger in den sogenannten Deep- und Deeper-Sleep-Zuständen verweilen.
Den Komfort erhöhen und gleichzeitig den Energiebedarf senken soll die überarbeitete adaptive Helligkeitssteuerung des Displays. Hier soll eine KI erkennen, in welchen Situationen der Nutzer zur manuellen Anpassung wechselt. Erkennt das System dadurch ein bestimmtes Schema, wird dies für die automatische Steuerung berücksichtigt. Im Idealfall muss der Nutzer so nicht nachjustieren.
Ebenfalls adaptiv arbeitet die Funktion App Actions, bzw App-Aktionen in der deutschen Fassung. Dabei handelt es sich um Vorschläge für konkrete Aktionen, die unterhalb der App-Vorschläge im App Drawer angezeigt werden. Erkennt Android P dank der KI, dass beispielsweise zu einer bestimmten Uhrzeit häufig eine bestimmte Person angerufen wird, wird eine entsprechende Verknüpfung im App Drawer dargestellt; ein Tap reicht, um den Anruf zu starten. Allerdings will Google die App-Aktionen auch außerhalb des App Drawers anbieten, beispielsweise im Play Store. Damit eine App von App-Aktionen berücksichtigt werden kann, müssen die jeweiligen Entwickler eine vergleichsweise geringe Anpassung vornehmen.
Ähnliches gilt für Slices. Der Name bezieht sich auf die Tatsache, dass die Funktion einen kleinen Teil - sozusagen eine Scheibe - einer App an anderer Stelle anbieten kann. Was abstrakt klingt, ist am Ende jedoch lediglich eine Verknüpfung. Im Rahmen der Keynote nutzte Google den Fahrdienst Lyft für eine Demonstration: Wird innerhalb der Google-Suche auf einem Android-P-Smartphone nach Lyft gesucht, wird direkt die Möglichkeit zum Rufen eines Wagens mit Informationen zu Fahrzeit und wahrscheinlichem Preis eingeblendet. Die eigentliche Lyft-App muss dafür nicht gestartet werden. Wie umfangreich die Änderungen an einer App ausfallen müssen, damit sie für Slices zur Verfügung steht, ist nicht bekannt.
Ein Hauch von iPhone X
Die Neuerung, die unter Umständen die wenigsten zukünftigen Nutzer eines Android-P-Smartphones zu Augen bekommen werden, dürfte die neue Bedienung sein. Zumindest in der nun verfügbaren Beta muss die noch manuell aktiviert werden. Ob das damit zusammenhängt, dass die Bedienung nicht mit allen Herstelleroberflächen kompatibel ist, ist nicht bekannt. Kann sie genutzt werden, ändert sich die Nutzung von Android jedoch weit weniger drastisch, als möglicherweise angenommen wird. Statt drei Symbolen gibt es am unteren Display-Ende nun nur noch je nach Situation eines oder zwei.
Immer eingeblendet ist der neue Home-Button, der in Form eines Balkens gehalten ist. Das kurze Ziehen nach oben ruft die Übersicht der zuletzt genutzten Apps auf, ein zweites oder ein langes Ziehen blendet den App Drawer ein. Zum Navigieren innerhalb der App-Übersicht kann der Balken nach rechts gezogen werden. Dabei entpuppt sich zumindest derzeit noch als störend, dass die Rückkehr auf die Ausgangsposition in der Mitte nicht auf den Homescreen, sondern in die Suchfunktion führt. Und mehr als nur einmal wurde im ersten Test der Google Assistant durch einen ungewollt langen Druck auf den neuen Home-Button gestartet. Außerhalb des Homescreens wird links neben diesem der bekannte Pfeil für einen Schritt zurück eingeblendet.
Google hat sich nach eigenen Worten für diese neue Art der Bedienung entschieden, um auf die immer größer werdenden Displays von Smartphones zu reagieren. So soll die Steuerung mit nur einer Hand einfacher werden - ein Effekt, der sich zumindest auf dem für den Test genutzten Pixel 2 XL (Test) nicht gezeigt hat. Gut möglich, dass der Eindruck im alltäglichen Einsatz ein anderer ist. Denn Google spricht zusätzlich von zahlreichen kleineren Änderungen, die die Bedienung erleichtern sollen - angefangen beim überarbeiteten Handling von Benachrichtigungen über eine einfachere Lautstärkeregelung und Anpassung im Kontrollzentrum.
Leg das Smartphone aus der Hand!
Mit gleich drei Neuerungen will Google erreichen, das Nutzer weniger Zeit mit ihrem Smartphone verbringen. Dabei setzt man auf wenig subtile Hinweise und Aufklärung.
Für letztere soll das sogenannte Dashboard sorgen, das übersichtlich darstellt, wie viel Zeit der Nutzer insgesamt mit dem Gerät verbracht hat und wie viel Zeit davon auf einzelne Apps entfällt. Darüber hinaus kann über das Dashboard auch auf die zweite Neuerung zugegriffen werden, den App Timer. Über den lassen sich für Apps jeweils eigene Zeitlimits einstellen, beispielsweise 30 Minuten. Ist diese Spanne erreicht, wird das entsprechende Piktogramm auf dem Homescreen oder im App Drawer leicht ausgegraut. Der Nutzer soll so problemlos erkennen können, dass die gewählte Zeitspanne erreicht ist.
Wind Down geht in die gleiche Richtung, verändert aber die Darstellung der gesamten Oberfläche. Über den Google Assistant kann eine bestimmte Uhrzeit für das Aktivieren der Funktion eingestellt werden. Ist diese erreicht, wird die Oberfläche nur noch in Graustufen angezeigt. Auch das soll dafür sorgen, dass Facebook und Co. nicht noch länger genutzt werden sollten. Wird das Smartphone auf dem Nachttisch neben dem Bett aufbewahrt, kann der Bitte-nicht-Stören-Modus einfach durch das Umdrehen des Geräts aktiviert werden. Alternativ kann dieser Modus auch zusammen mit der Gute-Nacht-Funktion gestartet werden.
Erster Eindruck
Nach den ersten Stunden wirkt die Android-P-Beta erstaunlich vertraut. Das mag vor allem daran liegen, dass Google die Benutzeroberfläche optisch kaum verändert hat und auch die neue Bedienung per Wischgeste schnell zu erlernen ist. Wie gut die neuen Funktionen wie Slices oder App-Aktionen schon funktionieren, konnte innerhalb der ersten drei Stunden aber nicht herausgefunden werden. Zwar sind die entsprechenden Optionen in den Systemeinstellungen hinterlegt, doch eine derart kurze Zeitspanne reicht für die KI, die in weiten Teilen lokal auf dem Smartphone arbeitet, offensichtlich nicht aus, um passende Vorschläge zu machen.
Hinzu kommt, dass derzeit das Dashboard, Wind Down und der App Timer nicht integriert sind. Dies ist unter anderem auch Android Authority aufgefallen, eine Begründung dafür hat man aber auch dort nicht in Erfahrung bringen können. Bestätigen kann man aber auch dort, dass die KI tatsächlich einige Zeit für Empfehlungen und Eingriffe benötigt.
Der Ansatz, der Nutzer ein Stück zu erziehen und ihn vom Griff zum Smartphone abzuhalten, ist aber lobenswert. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, inwiefern Google dies auch in Wear OS integrieren wird.
Zu hoffen bleibt, dass Google die neue Steuerung über Wischgesten verfeinern wird und letztlich dafür sorgt, dass sie unabhängig von Herstelleroberflächen genutzt werden kann. Weitere Kritikpunkte tauchten im kurzen ersten Test nicht auf, sieht man einmal von teilweise fehlenden Übersetzungen ab. Systemabstürze oder App-Inkompatibilitäten gab es nicht. Dennoch sollte die Beta-Version nicht auf Geräten genutzt werden, die für den alltäglichen Einsatz gedacht sind.
Die finale Version von Android P soll im Laufe des dritten Quartals erscheinen, vermutlich Ende September. Ob Google zeitgleich die dritte Pixel-Generation vorstellen wird, bleibt abzuwarten. Welche Smartphones abseits von Pixel, Pixel XL, Pixel 2 und Pixel 2 XL als erstes mit Android P versorgt werden, ist ebenfalls noch nicht bekannt. Dass es sich dabei um die Geräte handeln wird, die auch zusammen mit der Beta-Fassung genutzt werden können, dürfte jedoch sehr wahrscheinlich sein.