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Nicht, dass Edward Snowdens Enthüllungen nicht schon genug schmutzige Wahrheiten ans Tageslicht gefördert hätten - auch der Umgang des britischen Geheimdienstes mit Menschenrechtsaktivisten und der britischen Presse wird zunehmend schmutzig. In den letzten Tagen sorgten gleich zwei Meldungen für Aufsehen, die ein schärferes Vorgehen des Geheimdienstes gegen Unterstützer Snowdens und gegen die Zeitung The Guardian erkennen lassen. Die britische Tageszeitung The Independent berichtet nun, dass zumindest die Zerstörung von Festplatten in der Redaktion des Guardians auf eine Anordnung von ganz oben erfolgt sei.
Nachdem am vergangenen Sonntag der Lebensgefährte eines Guardian-Reporters, David Miranda, mit fragwürdiger Begründung stundenlang am Londoner Flughafen verhört, eingeschüchtert und seiner elektronischen Geräte beraubt worden war, folgte Anfang der Woche gleich die nächste Hiobsbotschaft. Der Guardian teilte gestern mit, dass er kürzlich Besuch des britischen Geheimdienstes GCHQ erhalten hätte. Die Geheimdienstler drohten rechtliche Konsequenzen an, wenn die Zeitung nicht Festplatten mit Material von Edward Snowden zerstören würde. Der Guardian entschied sich, den Forderungen nachzugeben. In einer tragisch-komischen Aktion "pulverisierten" Guardian-Mitarbeiter unter geheimdienstlicher Aufsicht die fraglichen Festplatten und Speicherchips mit Winkeltrennschleifern (auch bekannt als Flex) und weiteren Werkzeugen. Auch dem britischen Geheimdienst musste klar sein, dass die Daten nicht nur beim Guardian lagenn, sondern global an verschiedenen Stellen gesichert sind. Scheinbar ging es nicht in erster Linie darum, die fraglichen Daten zu vernichten, sondern um die Einschüchterung eines der wichtigsten Sprachrohre im Spionageskandal. Dass der Geheimdienst damit nicht erfolgreich war, zeigen die zahlreichen Enthüllungen, die der Guardian seit der Festplattenaktion publizierte.
Eine neue Wende erhält der Fall jetzt durch einen Artikel von The Independent. Demzufolge soll der Geheimdienst nicht aus eigener Initiative gehandelt haben, sondern er wurde erst auf eine Aufforderung des britischen Premiers hin aktiv. David Cameron habe persönlich angewiesen, dass der Guardian unter Druck zu setzen sei und Snowden-Material aushändigen solle. Der Premier hätte also eine zentrale Rolle bei der fragwürdigen Aktion gespielt, die britische Politik wäre unmittelbar in das Geheimdienstgebahren involviert gewesen.
Deutsche Politiker äußerten sich zwischenzeitlich bestürzt über die erzwungene Festplattenzerstörung. Markus Löning (FDP), der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, zeigt sich laut der Berliner Zeitung besorgt um die Presse- und Meinungsfreiheit in Großbritannien. Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel hält ein Eingreifen der Europäischen Union für denkbar.