Wer wirklich was im Schilde führt braucht sich nur ohne Handy mit Freunden treffen und das ganze in Ruhe besprechen..
Exakt das ist der Punkt, weswegen ich niemandem jemals abgekauft habe, dass es um Prävention von Terrorismus geht. Man kann auf diese Weise sicherlich ein paar dumme Menschen schnappen, aber in der Regel würde zumindest ich davon ausgehen, dass Überwachung statt findet. Spätestens seit ECHELON sollte jedem bekannt sein, dass man gern belauscht. Und mit 9/11 hat sich das ja nochmal verschärft. Es kann also niemand so blöd sein, kritische Kommunikation bei offensichtlicher Überwachung über gängige Kommunikationswege zu lösen. Da geht man doch ganz anders vor.
Aus meiner Sicht geht es nur sekundär um Terrorismusbekämpfung. Es bietet sich an, das vorhandene System dazu zu nutzen. Ich denke aber dass es primär darum geht, diesen Überwachungsapparat überhaupt aufzubauen und zu optimieren. Das ist ja eigentlich logisch, da man mit der Zeit gehen muss. Man rüstet auf, verbessert das System, bis es irgendwann optimal ist. Wozu aber der ganze Aufwand?
In erster Linie sehe ich Spionage im Bereich Wirtschaft und Politik. Die Informationen hier liefern den meisten Profit, da man sie entweder verkaufen kann bzw durch andere, fehlende Informationen tauschen kann. Man kann nebenher eigene Unternehmen und damit die eigene Wirtschaft stärken und im Gegenzug den internationalen Wettbewerb besser kontrollieren. Und Politik war ja schon immer interessant. Wenn man weiß, was andere Länder planen, kann man entsprechend eigene Strategien anpassen. Natürlich kann man nicht ständig "rein zufällig" mit der perfekten Lösung antanzen, aber man kann auf lange Sicht viel erreichen, wenn man diese Informationen weise nutzt.
Es geht nicht unbedingt um Manipulation bzw. direkte Eingriffe, sondern um Kontrolle. Und man muss mit so einem System auch nicht zu einer Weltmacht aufsteigen. Man kann sich auch schön im Hintergrund halten, bestimmte Personen unter Umständen über Umwege erpressen und so Leute installieren, die man für kompetenter hält. Es gäbe so viele Dinge, die man tun oder unterlassen könnte - einfach weil man stets den Überblick hat.
Aktive Intervention ist manchmal auch gar nicht gewollt. Mittlerweile kann ich mir sogar sehr gut vorstellen, dass bestimmte Anschläge sogar bewusst nicht verhindert werden, um Angst zu schüren und damit die Maßnahmen zur Überwachung zu rechtfertigen.
Ich glaube, dass man kapiert hat, dass hier bald nicht mehr viel geht. Auch wenn die Demokratie ein schönes System ist, so funktioniert sie leider nicht so gut. Massive Aufstände und vllt sogar Revolutionen sind wahrscheinlich in den nächsten Jahrzehnten. Dies kann man geschickt unterdrücken, wenn man ausreichend Daten sammelt und gezielt durch Festnahmen demotiviert. Dafür ist eine große Datensammlung auch sehr hilfreich, weil man alles dokumentiert hat, was an "illegalen" Aktivitäten in der Vergangenheit gelaufen ist. Hier fängt dann die Fantasie erst an zu blühen. Ihr könnte euch ja mal zig verschiedene Szenarien ausmalen, wie mein ein solches Überwachungssystem geschickt nutzen könnte, um die eigene Position zu stärken.
Der Kerngedanke hierbei ist: wenn man jetzt schon auf diese Weise Daten sammelt, obwohl dies gesetzlich eher stark umstritten ist und ethisch/moralisch sowieso fragwürdig - wieso sollte man dann davor zurück schrecken, die Justiz auf anderen Ebenen zu unterwandern, indem man zB eindeutige Beweise manipuliert. Grade digitale Datensätze lassen sich realtiv leicht verändern. Das Potential ist vorhanden, man könnte unglaublich viele Beweise fingieren und damit die Rechtsprechung beeinflussen. Man kann nach Gutdünken Menschen einbuchten oder freisprechen. Wetten, dass über die Guantanamo-Häftlinge gewisse Datensätze existieren? Wetten, dass man diese nicht zur Verfügung stellt, da sie nicht zulässig sind, weil sie ja gar nicht existieren dürften? Wir praktisch, dass man die Wahrheit nicht beweisen kann. Eigentlich war es ein Verfahrensfehler, aber man darf die Unschuld nicht beweisen, weil die Beweise illegal sind. Wie schade, dass man grade einen Datensatz aus Versehen gelöscht hat. Das hätte doch grade die Unschuld bewiesen und den wahren Täter entlarvt. Sowas wird natürlich niemals (wieder) vorkommen, dass Beweise vernichtet, manipuliert oder zurück gehalten werden - wer will schon ein Gerichtsverfahren beeinflussen, wenn es sich doch grade so praktisch entwickelt - sofern es überhaupt ein Verfahren gibt.
NSU-Prozess (und andere) lässt grüßen. Ein Schelm wer Böses denkt.
Es geht mMn also hauptsächlich darum, ein flexibles und effektives Kontrollinstrument zu gestalten, welches den Machterhalt in schwierigen Zeiten garantieren kann. Das wirklich Wunderbare ist, dass es für beide Seiten funktioniert, sowohl für den bösen Despoten, der durch einen Putsch die Gewalt über ein solches Machtmittel erhalten hat - als auch für den Anführer einer neuen Revolution. In beiden Fällen wird man versuchen, mit dem Überwachungsapparat "Gutes" zu tun - die Definition ist dabei abhängig vom eigenen Standpunkt, völlig subjektiv und irrational.
Genau deswegen halte ich diese gesamte Entwicklung für brandgefährlich. Nicht nur bietet sie das unglaubliche Potential einer totalen Kontrolle, sondern lässt sich auch noch massiv ausnutzen - entweder von kleinen Fischen, um andere Leute aus dem Weg zu schaffen, oder als Hilfsmittel zur Säuberung. Man stelle sich vor, Hitler hätte diese Technologie gehabt. Ich glaube, da hätte weder Jude, noch "Verräter" überlebt. Und wer hätte damals garantieren können, dass Hitler sowas nicht in die Hände bekommt? Wer kann das heute garantieren, dass nicht irgendein Fanatiker die Wähler blendet und am Ende einen Massenmord begeht? Wenn wir die ethnische Säuberung als oberste Disziplin betrachten und das neutrale Sammeln von Daten aufgrund von auffälligen, aber normalen Fluktuationen im Verhalten eines 0815-Bürgers als unterste Stufe - was glaubt ihr, wie viele Abstufungen es dazwischen gibt? Und wie viele dieser Möglichkeiten sind wohl moralisch, sowie ethisch vertretbar? Ich würde sagen, dazwischen liegt eine ganze Menge Optionen, was man mit einer solche Masse an individuellen Daten anstellen kann - und keine dieser Nutzungsmöglichkeiten halte ich für begrüßenswert.
Was ist hier passiert? Paranoia verbreitet sich. Angefangen hat es mit jenen, die um ihre Macht fürchten - und ich würde fast behaupten, dass es gute Gründe für deren Paranoia gibt. Denn wenn man Macht besitzt und diese weise und gerecht einsetzt, was hat man dann zu befürchten? Das Volk sollte doch hinter einem stehen. Wenn man aber genau weiß, dass man die ganze Zeit die Leute verarscht, dann kann man ja wohl kaum gut schlafen. Entsprechend braucht man Schutzmechanismen - aus Paranoia wird Überwachung. Und das geht so lange gut, bis es jmd rausfindet. Dann ist das Vertrauen kaputt - hier befinden wir uns grade.
Jetzt gibt es verschiedene Optionen, wie es weiter gehen könnte. Hier eine Auswahl:
1) Wir lassen uns von dieser Paranoia anstecken und werden selbst paranoid. Wir meiden alles, wir verschlüsseln alles, wir reden wieder miteinander Angesicht zu Angesicht, meiden den öffentlichen Raum. Da wir uns beobachtet fühlen bzw wissen dass wir beobachtet werden, werden (system)kritische Themen im Keller abgehandelt. Jeder wählt das, was aus Sicht des Systems vertretbar ist, niemand hinterfragt öffentlich. Alles wird von oben diktiert, aber wir tun so als wären wir glücklich und als hätten wir eine Wahl. Stattdessen werden wir im Geheimen ohnmächtig, verlieren den Bezug zur Realität. Im selben Atemzug unterwerfen wir uns. Die Kapitulation hat bereits mit der Kritiklosigkeit begonnen. Nach zwei Generationen ist aber auch das Problem des schlechten Gewissens bzw. der Ärger über verpasste Chancen verflogen. Kaum jemand erinnert sich noch, warum alles das gleiche sagen und alle Menschen alles und jeden gut finden. Alle sind glücklich, weil niemand das sagt was er selbst denkt bzw. niemand denkt mehr selbst, sondern denkt nur noch das, was alle sagen. Das System gewinnt so sehr an Macht, dass ein Umsturz kaum noch möglich ist. Eigentlich braucht es keinen Umsturz mehr, denn niemand weiß, was das ist und warum das mal eine Option war.
2) Wir lassen uns von der Paranoia nicht anstecken und besinnen uns auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben, vor allem dem Konsum. Es gibt so viel zu entdecken, seien es Produkte oder Formate. Wir lassen uns nicht von diesen oder zukünftigen Themen großartig vom Hocker reißen. Weder haben wir etwas zu verbergen, noch brauchen wir Moralapostel. Wir leben und genießen - ob frei oder nur halb-frei - YOLO! Irgendjmd wird das Problem schon lösen. Deswegen gehen wir ja wählen - damit andere unsere Probleme für uns lösen. Wir sind viel zu sehr beschäftigt damit, uns selbst zu beschäftigen. Wir arbeiten, damit wir später etwas Freizeit haben und auch entsprechend genießen können. Wir nutzen unsere Freizeit für diverse spaßige Aktivitäten, damit wir uns ablenken von dem ganzen undankbaren Mist, der uns ständig um die Ohren gehauen wird. Politik, Wirtschaft, Ungleichheit, Gerechtigkeit, Terrorismus, Fussball.
Wir beschäftigen unseren Geist mit banalen Aktivitäten bis wir völlig abstumpfen und nicht mehr verstehen, warum wir überhaupt aus dem Haus gehen. Ab einem gewissen Punkt haben wir verlernt, selbst zu denken und selbst zu handeln. Eventuell werden wir uns selbst abschaffen, weil der stumpfe Konsum irgendwann auch nicht mehr ausreicht. Vllt kommt dann jmd auf die glorreiche Idee, alle durch Massenmord zu erlösen.
3) Wir lassen uns anstecken von einer gesunden Portion Paranoia und Selbstbestimmung. Vllt haben wir irgendwann einmal gehört, dass Freiheit wichtiger ist als Sicherheit. Wir streben nach solch einem System, weil mit genug Freiheit und entsprechend Toleranz eigentlich alles super laufen könnte. Transparenz als oberstes Ziel wird zeigen, dass wir alle gleich sind. Ein schöner naiver Traum, wäre da nicht der Mensch. Wir bemühen uns trotzdem, stellen fest, dass sich kaum etwas geändert hat. Vielmehr hat eine gegenseitige Aufrüstung begonnen. Während Konzerne und Regierungsbehörden immer mehr an Macht gewinnen und die Demokratie weiter aushöhlen, kämpfen wir geschlossen einen Kampf, weil wir eine Vision haben. Wir wehren uns, indem wir unsere Kommunikation anpassen, gleichzeitig aber nicht den Rückzug in den Untergrund antreten und damit eine Fantasiewelt erschaffen. Stattdessen gehen wir offen mit der Problematik um, stellen uns den Herausforderungen und üben Druck aus zB indem wir uns weigern, dieses System zu unterstützen. Wir finden einen Weg, den Spieß umzudrehen, versuchen die gegen uns gerichteten Instrumente gegen Konzerne und Staaten zu benutzen. Wir haben keine wirkliche Ruhe, weil wir uns stets mit Politik, Wirtschaft und dem Leben im Allgemeinen befassen müssen. Wir suchen ständig nach Fakten, erweitern unser Wissen. Wir streben eine höhere Bildung für alle an, weil Wissen Macht ist. Der sinnfreie Konsum ist uns fremd geworden. Wir lassen uns nicht mehr einlullen. Wir sind aktiv und interessiert. Wir haben den steinigsten Weg von allen gewählt und wir sind stolz drauf, weil wir etwas ändern möchten und können.