Der Hype um "Erweiterten Farbraum"

awehring

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Als ich mir vor einiger Zeit einen neuen Monitor kaufte, bin ich auf den Hype um einen „erweiterten Farbraum“ hereingefallen und habe mir einen Monitor mit WCG (Wide Color Gamut) gekauft. :wall:

Da ich die Farben von Anfang an etwas gar bunt fand, trotz Kalibrierung, habe ich in der Sache recherchiert und festgestellt, dass es für WCG-Monitore eigentlich nur einen einzigen Verwendungszweck gibt:

Wenn man (a) einen Fotoapparat hat, der RAW-Dateien liefert, (b) sich die Mühe macht, einen durchgängigen Workflow mit Farbmanagement einzurichten und zu befolgen, (c) einen Bilderdienst finden konnte, der Dateien mit erweitertem Farbraum printen kann oder (d) einen Drucker hat, der korrekte Farbprofile hat um z. B.: den Adobe RGB Farbraum korrekt wiederzugeben.

Die Gründe dafür: Auch Profikameras liefern mit JPEG prakisch immer sRGB; Bilderdienste, die Adobe RGB (oder dergleichen) können, gibt es praktisch nicht; einen Drucker mit präzisem ICC-Profil für Adobe RGB findet man nur mit grosser Mühe. Wenn man aber den erweiterten Farbraum nicht aufs Papier bringt (erschwingliche WCG Beamer gibt es auch nicht), kann man sich die Mühen am Anfang der Kette sparen und arbeitet am besten durchgängig in sRGB. Die RAW-Fotos, so man sie hat, kann man immer noch für später archivieren.
Darüberhinaus machen WCG-Monitore nur Sinn für Grafiker im Druckgewerbe.

Alle existierenden Farb-Videos auf diesem Planeten, inkl. HD und BluRay, sind (mit minimalen Abweichungen) in sRGB. Nur frühe NTSC-Videos hatten einen anderen Frabraum mit einer grösseren Abweichung beim Grünpunkt.
Wahrscheinlich gibt es deshalb keine Software-Video-Player oder Codecs, die Farbmanagement unterstützen, was sehr ärgerlich ist, wenn man einen WCG-Monitor hat. Es gibt nicht einmal Video-Schnittprogramme, die Farbmanagement unterstützen.

Aus diesen Gründen ist auch praktisch das gesamte Bildmaterial im Web in sRGB.

Mit Ausnahme von Bildbearbeitungsprogrammen gibt es kaum Software, die Farbprofile korrekt unterstützt.
Auch der Internet Explorer 9 hat nur ein Pseudo-Farbmanagement: Andere Farbräume werden intern nach sRGB konvertiert, das Monitorprofil bleibt unberücksichtigt (Quelle: Mögliche Probleme im Umgang mit Websites ). WCG Monitore zeigen also nach wie vor viel zu bunte Bilder. Leider.
Firefox ist der einzige Browser der Farbmanagement vollständig umsetzt.

Mit allen anderen Anwendungen zeigt ein WCG-Monitor immer ein viel zu buntes Bild. :grrr:

Inzwischen werden – total irrsinnig – sogar Fernseher mit „erweitertem Farbraum“ beworben. :stupid:


Meiner Meinung nach sollten bei den Monitor-Tests jene Bestnoten in der Farbwiedergabe erhalten, die sRGB korrekt wiedergeben. Als Fussnote könnte man eine korrekte Adobe RGB-Wiedergabe erwähnen, als Service für die (semi-)professionellen Fotografen.

Ebenso bei Druckern und Scannern: Diese sollten nach korrekter Wiedergabe von sRGB beurteilt werden, mit Erwähnung von beiliegenden Farbprofilen, die einen Teil des Adobe RGB wiedergeben können (kein Tintenstrahldrucker kann den vollständigen Adobe RGB; nur Offset-Druckmaschinen können das).

Nicht recherchiert habe ich, fände es aber interessant, ob digitale Projektoren für grosse Kinos, und die entsprechenden Videoformate, erweiterte Farbräume unterstützen. Chemische Filme gehen über Adobe RGB hinaus.
Leider liest man immer nur von der Auflösung der digitalen Kinos, aber nie über die Farbwiedergabe. Hier könnten die Kinos eventuell einen Vorteil gegenüber Heimkinos mit BluRay haben.
 
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Meiner Meinung nach sollten bei den Monitor-Tests jene Bestnoten in der Farbwiedergabe erhalten, die sRGB korrekt wiedergeben
Im gehobenen Segment auch abseits eines gemanagten Workflows gar kein Problem. Die Geräte bringen dort eine flexible Farbraumemulation (Beispiel) mit (NEC implementiert bildschirmintern sogar ein Gamut Mapping mit rf RI). Damit reproduzieren diese Geräte auch unter diesen Umständen den gewünschten Content (in diesem Fall also sRGB) exakter als faktisch jeder Bildschirm ohne erweiterten Farbraum. Eine Geräteklasse darunter sind inzwischen immerhin oft brauchbare fixe sRGB Modi zu finden (Beispiel, unten auf der Seite).

einen Drucker mit präzisem ICC-Profil für Adobe RGB findet man nur mit grosser Mühe
Ein Drucker wird farbmetrisch nicht durch ein Arbeitsfarbraumprofil, sondern "dicke" Tabellenprofile beschrieben. Ein fixes Mapping findest du bei speziellen DeviceLink Profilen. Ansonsten kümmert sich ein CMM um die Farbtransformationen anhand der beteiligten Profile. Wobei das ein weites Feld ist. Im professionellen Umfeld kommen RIP-Lösungen zum Einsatz, die u.a. auch die vernünftige Linearisierung des Druckers erlauben.

kein Tintenstrahldrucker kann den vollständigen Adobe RGB; nur Offset-Druckmaschinen können das
Der Farbraum ist hier deutlich kleiner als sRGB (siehe ISOcoated). Allerdings ist die Schnittmenge bei weitem nicht 100%ig. Mit einem modernen Tintenstrahler/ Fotodrucker vergrößert sich der Farbraum ein gutes Stück.

Wie auch immer: Egal ob Offset- oder Fotodrucker-Proof: Erst ein Bildschirm mit erweitertem Farbraum liefert hier die Basis für eine korrekte Beurteilung, da sonst selbst beim Proofing des vglw. kleinen Offset-Farbraumes im Cyan-Bereich unangenehme Unterabdeckungen vorhanden sind.

Vergleich Bildschirm mit CCFL Backlight (72% NTSC) mit ISOcoated in Lab (D50)

Vergleich Bildschirm mit WCG-CCFL Backlight (102% NTSC) mit ISOcoated in Lab (D50)
(Sicht jeweils entlang der Helligkeitsachse)

Gruß

Denis
 
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hmm ich weiß garnicht genau wo dein Problem liegt, ich denke für Leute die damit arbeiten ist das ganze nicht unwichtig und mein Bluray Player gibt auch die "deep" Infos an meinen TV weiter ,also ich seh da kein Problem mit erweitertem Farbraum zu werben ,allerdings finde ich es nicht legal bei TN Panels mit 16Mio (interpolierten) Farben zu werben ,die wirkliche Zahl liegt bei ~300-500k
 
mein Bluray Player gibt auch die "deep" Infos an meinen TV weiter ,also ich seh da kein Problem mit erweitertem Farbraum zu werben
In Bezug auf die Videofarbräume hat er schon recht. HDTV definiert zu sRGB identische Primärvalenzen. DeepColor hat aber ohnehin nichts mit dem Farbumfang zu tun, sondern meint einen erhöhten Tonwertumfang - wobei auch hier nativ derzeit weiterhin mit 8bit pro Kanal gearbeitet wird (da in YCbCr gespeichert letztlich sogar weniger => Videolevel).

Gruß

Denis
 
Ich hab aber oft gelesen das die dann mit 10Bit oder mehr arbeite würden ,meinst du das würde in der Realtität nicht umgesetzt?
 
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ja gut, die bildchen sehen gut aus, aber der TE hat nicht unrecht - man braucht einen workflow hinter so einem monitor.
Natürlich, ein gemanagter Workflow ist wichtig. Allerdings bieten heute einige WCG Geräte zumindest einen sehr brauchbaren, fixen sRGB-Modus oder eben gar eine flexible Farbraumemulation.

Gruß

Denis
 
@Denis: danke für Deine Erläuterungen oben

... aber der TE hat nicht unrecht - man braucht einen workflow hinter so einem monitor.

... und sowohl der WCG-Monitor als auch der Workflow lohnt sich nur, wenn man eine Bildquelle hat, die mehr als sRGB liefert und einen Drucker, der mehr als sRGB wiedergeben kann.

Das werden (fast) nur Anwender sein, die mit auf Papier gedruckten Bildern ihr Geld verdienen.

Alle anderen sind mit einem Monitor, der sRGB präzise wiedergibt, eindeutig besser bedient. Weil mit einer sRGB Quelle ist ein zu grosser Farbraum genauso schlecht wie ein zu kleiner.

Erstaunlicherweise werden Monitore heute nach dem Motto "Mehr Farbraum ist besser" angepriesen. Das ist so, als würde man Schuhe nach dem Motto "Je grösser desto besser" verkaufen wollen. Tatsächlich braucht man genau passende (Schuhe und Monitore).
 
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Jetzt habe ich mich nochmals etws intensiver mit meinem Monitor (einem HP LP2275w) auseinandergesetzt und musste leider feststellen, dass man ihm keinen korrekte sRGB Wiedergabe beibringen kann.
Auch wenn man im Monitor-Setup "RGB" wählt, bleibt der Farbraum unverändert gross, annähernd Adobe RGB. :motz:
Ich habe das nachgemessen mit dem Datacolor Spyder 3 und dem HCFR Colorimeter Messprogramm.

Die Abweichungen zu sRGB sind 55.5 deltaE bei grün, 49.4 deltaE bei rot. Blau liegt mit deltaE 6.2 im noch einigermassen akzeptablen Bereich.

Gibt es sonst noch eine Möglichkeit, den Farbraum des Monitors auf sRGB zu korrigieren?

Vielleicht so ähnlich, wie es das Datcolor Spyderpro macht. Dieses schiebt der Grafikkarte eine Korrekturtabelle unter. Aber leider nur für Gamma, Farbtemperatur, etc., aber nicht für den Farbraum.

Kennt jemand ein Programm, das das macht?
 
Ich habe das nachgemessen mit dem Datacolor Spyder 3 und dem HCFR Colorimeter Messprogramm.
Beides ist zur Überprüfung jedweder Abweichungen nicht ideal. Einerseits wegen des WCG-CCFL Spektrums* des HP (Erklärung), anderseits weil HCFR aus farbmetrischer Sicht sehr problematisch ist. Wie auch immer: Natürlich bildet der Bildschirm sRGB Content nativ nicht korrekt ab. Ein korrektes Monitorprofil inkl. dem Einsatz fm fähiger Software ist hier "angesagt".

Alternative für ungemanagte Umgebungen böten nur Bildschirme mit vernünftigem sRGB Modus oder gleich einer Farbraumemulation.

Gruß

Denis

*
Zwar liegt das Spyder3 näher am CIE-Normbetrachter als beispielsweise das gute alte DTP94 (was den absoluten Fehler verringert), leidet dafür aber an teils erheblichen Serienstreuungen. Du kannst mir das ausgemessene Profil zukommen lassen, dann schaue ich mir das mal an.
 
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Zwar liegt das Spyder3 näher am CIE-Normbetrachter als beispielsweise das gute alte DTP94 (was den absoluten Fehler verringert), leidet dafür aber an teils erheblichen Serienstreuungen. Du kannst mir das ausgemessene Profil zukommen lassen, dann schaue ich mir das mal an.

Oh, das ist aber ein sehr nettes Angebot ! :love:

Meinst Du das ICC-Profil [Korrektur: also die ICM-Datei], das Spyder3Pro erstellt hat?

---------- Beitrag hinzugefügt um 13:51 ---------- Vorheriger Beitrag war um 11:34 ----------

Hier noch für alle, die den Thread mitlesen, mein Messergebnis anschaulich.



Der Monitor (HP LP2275w) ist auf sRGB eingestellt, im Bild ist das weisse Dreieck der gemessene Farbraum, das schwarze Dreieck der sRGB Farbraum.

Durch die grosse Differenz werden Bilder, die im sRGB vorliegen, viel zu bunt dargestellt.

Wenn die Anzeige-Programme Farbmanagement unterstützen, wird das korrigiert. Allerding gibt es ausser Foto-Bearbeitungs- und Anzeigeprogrammen und dem Firefox Browser kaum ein Programm, das Farbmanagement unterstützt (inkl. der Monitorprofil).

Besonders ärgerlich ist das bei Videos, da es keinen Videoplayer (auch kein Schnittprogramm) gibt, das Farbmanagement unterstützt. Mit einem WCG-Monitor Videos farbstimmig zu schneiden ist also unmöglich.

Aber auch in Office-Programmen, Powerpoint, etc., sind Farben (und Bilder) immer zu bunt.

Offenbar gibt es keine Möglichkeit das softwaremässig in den Griff zu bekommen. Ich müsste einen neuen Monitor mit sRGB-Farbraum kaufen. Da habe ich mich leider vor dem Kauf zu wenig damit beschäftigt. :fire:
 
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Bei Prad gibts doch einen schon etwas älteren Artikel, der beschreibt wie man einen Monitor vom erweiterten Farbraum auf sRGB "runterkalibriert".
 
Wenn man die Kamera aus sRGB einstellt, dann sind doch auf die Raws sRGB oder nicht?
 
@shyne: Ja. Das Problem ist die Wiedergabe am Monitor, und zwar vor allem von allem, was NICHT eigene Fotos sind. Siehe den ersten Beitrag hier.
 
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Hi,

ich habe den ersten Beitrag ausführlich gelesen, es klang nur so für mich da, als würden RAWs automatisch in NICHT sRGB gespeichert, was mich erschrocken hat... Aber nun ist es geklärt, hatte es wohl falsch verstanden :)

Du bist nicht zufällig aus dem Pott oder?
 
Wenn ein Monitor Adobe RGB korrekt darstellen kann, ist das durchaus interessant für das Bearbeiten mit RAW Bildern. Jeder halbwegs ambitionierte Hobbyphotograph arbeitet mit RAW. Das sind keine Exoten. Und die gucken sich ihre RAWS alle erstmal in Photoshop oder anderer SW an. Nach Bearbeitung wird umgewandelt in jpeg. Das Drucken von Fotos wird von vielen Hobbyphotographen leider nicht mehr oder nur wenig praktiziert. Insofern stellt sich das Problem des Druckens in Adobe RGB nicht wirklich.

Interessante Diskussion.

Gruss
Thomas
 
Hm, mit Software bin ich etwas überfragt, die neueren Graka-Treiber bringen da nichts mit?
 
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