Großes Bericht von Prag - 007 - Der Durst stirbt nie.
Die Entscheidung war schnell gefällt: Da Kursfahrtziele wie Amsterdam oder Weimar aufgrund der zu hohen Lebenshaltungskosten direkt aussortiert wurden, fuhren ca. 30 Agenten der Philo und Deutsch LKs in den böhmischen Teil Europas. Schon kurz nach der Überquerung der tschechischen Grenze gingen den unerfahrenen Sauerländer Buben die Augen über, da sich am Straßenrand diverse Vertreterinnen des ältesten Gewerbes der Welt versammelt hatten, um uns willkommen zu heißen und sich einladend zu präsentieren. Da wir als erzkatholische Sauerländer nach streng moralischen Prinzipien erzogen wurden, fragten sich nicht wenige von uns verängstigt, in was für einem Sündenpfuhl wir hier gelandet waren.
Zahlreiche Werbeplakate in Prag selbst, die Tabakwaren und Alkohol zeigten, sorgten für regelrechte Beklemmung und Irritation bei denjenigen, die sich auf eine rein informative und kulturell anspruchsvolle Studienfahrt eingestellt hatten.
Überrascht waren wir über die billigen Preise auf den von freundlichen Asiaten geleiteten Wochenmärkten. Diese netten Menschen verkauften uns doch tatsächlich garantiert fälschungssichere Markenartikel für ein Bruchteil des in Deutschland üblichen Preises. Abstriche machen musste man lediglich bei der Qualität der Zigaretten, die teilweise aus einem einzigen Stück Holz gefertigt waren und so schnell den Beinamen „Fichten-Zichten“ erhielten. Kurz vor dem Hotel war es dann soweit: Zum ersten Mal stellte sich die Person vor, die uns während des kompletten Einsatzes kulturelle und historische Besonderheiten sowie nützliche Alltagskniffe in Prag aufzeigte: „Der Raiseleiterin“ (Eine Frau…nehmen wir an).
Unsere Einsatzzentrale aka. Hotel hatte sich der Tarnung wegen zwischen zwei anderen Gebäuden Platz verschafft. Das Hotel Brno, dass mit einer Breite von 1.5 Metern nicht gleich ins Gesicht sprang, erwies sich nahrungstechnisch als echter Glücksfall. Ob Nudeln mit Kümmel, Kartoffeln alla Kümmel oder die obligatorische Kümmelsuppe: die Köchin erwies sich als ausgefuchste Würzerin, die auch nicht davor zurückschreckte lebendige Zutaten nach Art des Hauses zu verwenden. Unverständlicherweise nutzten einige dieses attraktive Angebot nicht und investierten tschechische Kronen in vergleichsweise langweilige Restaurants oder Imbissbuden.
War der Hunger erst gestillt, fand in kleineren Kreisen die Einsatzbesprechung auf den stilvoll möbelierten Zimmern statt. Bruchsicheres Mobilar und strapazierfähige Teppiche sorgten einerseits für einen modernen Charme und luxuriöses Ambiente, welches oftmals die Kulisse für heitere Abendstunden bot.
Schon am ersten Abend fiel bei der Erforschung des Territoriums der regionale Preiskampf in der Kneipenbranche auf. Scheinbar litt jedoch unter dem knallhart kalkulierten Endverbraucherpreis die Dienstleistungsqualitäten. Noch gezeichnet von den Tagen der Planwirtschaft war der Vorrat an „Pivo“ (tschechisch: Bier) leider begrenzt und konnte den großen Durst der zahlreich erscheinenden Agenten kaum stillen. Man griff deshalb auf das weitaus umfangreichere Spirituosenangebot zurück und bestellte à la carte leckere Cocktails sowie einheimische Spezialitäten („Lasst uns einen becherovkan“).
Da die Erkundungstouren am Abend schon einmal länger dauerten, fiel es manchen Agenten schwer, die von den Einsatzleitern festgelegten Treffpunkte/-zeiten einzuhalten. Für den Tag war nämlich stets eine umfangreiche, kulturelle Expedition unter Leitung von „Der Raiseleiterin“ angesetzt, die neben Sehenswürdigkeiten wie „Großes Burg von Känig Wääänzel“ oder dem „Wääänzelsplatz“ auch die mühevolle Erkämpfung der „Karlsbriiicke“ enthielt. Anstelle eines Bondcars mussten wir leider mit der tschechischen U-Bahn vorlieb nehmen. Vor der ersten Fahrt warnte uns unser Raiseleiterin: „Vorsicht vor die Diebäääh!“. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass nur Linie „Bäääh“ über die Zwischenhaltestationen
„Přestup“ und „Vystup“ verfügte, um uns sicher und ohne Komplikationen zu unserem Zielobjekt zu transportieren.
Obwohl wir undercover operierten, schien unsere Tarnung bei manchen Einheimischen aufzufliegen, da sie uns voller Misstrauen und Argwohn wie Fremdkörper betrachteten. Unserer Moral tat dies keinen Abbruch, zur zusätzlichen Information über das Einsatzgebiet mussten wir auch zahlreiche Videoaufzeichnungen analysieren, die von der Raiseleiterin wie folgt eingeleitet wurden: „Jetzt wir besichtigen einen Film…es wird Deutsch!“.
Sie war es auch, die uns mit allerlei Weisheiten wie „Prager Autofahrer sind großes Abenteuer“ versorgte und bei Laune hielt.
Lobenswert zu erwähnen ist das Engagement der Einsatzleiter, die uns bei der Erfüllung unserer Aufträge alle nur denkbaren Freiheiten ließen und ansonsten souverän und kulant agierten.
Am letzten Abend ließen alle Agenten und Einsatzleiter die Woche bei einem kühlem Pivo ausklingen.