@all
Ich habe den Artikel gefunden (THX @Madnex)
c't 12/2000 - Platten-Karussell - S. 156 - 'Schocktherapie':
Schäden durch zu harte Stöße sind besonders heimtückisch, da sie unter Umständen zunächst nicht auffallen und erst später zu defekten Sektoren bis hin zum Ausfall der Festplatte führen. Bei den meisten Laufwerken ruhen die Köpfe im abgeschalteten Zustand in einer Landezone am inneren Rand des Speichermediums. Wenn sie durch einen starken Stoß von der Magnetplatte abgehoben werden und danach wieder darauf aufschlagen, können sie selbst sowie das Medium Schaden nehmen.
Der Schaden am Medium wäre in der Landezone nicht einmal das Schlimmste; problematischer sind eventuelle Partikel, die sich lösen und im Gehäuse herumfliegen. Mit etwas Glück wirbelt sie der Luftstrom beim Anlaufen in den Luftfilter. Ungünstigstenfalls geraten sie im laufenden Betrieb zwischen Köpfe und Medium und erzeugen so weitere Fehler - und weitere Partikel. Eine immer schneller wachsende Anzahl defekter Sektoren ist ein Anzeichen für diesen Effekt und deutet auf das bevorstehende Ableben des Laufwerks hin.
Seitliche Erschütterungen können darüber hinaus das Lager schädigen, was sich günstigstenfalls nur in einem lauteren Betriebsgeräusch niederschlägt. Bei sehr kurzen, harten Stößen treten unter Umständen so große Kräfte auf, dass sich die Magnetscheiben gegeneinander verschieben und `unrund´ laufen. Dies kann die Servo-Logik moderner Festplatten bis zu einem gewissen Grade kompensieren - aber eben nur bis zu einem gewissen Grade.
Im Betrieb ist eine Festplatte natürlich wesentlich empfindlicher; vor allem ein `head slap´, also eine Berührung der Köpfe mit dem Medium, hat hier meist schlimmere Folgen. Bei seitlichen Erschütterungen können die Köpfe möglicherweise die Spur nicht mehr halten, was beim Schreiben größere Auswirkungen hat als beim Lesen, weil dadurch unter Umständen Daten auf den Nachbarspuren in Mitleidenschaft gezogen werden. Daher finden sich in manchen Herstellerspezifikationen niedrigere Grenzwerte für Erschütterungen beim Schreiben als beim Lesen.
So weit die Theorie. Doch wie viel verträgt eine Festplatte in der Praxis? Muss man sie wirklich behandeln wie ein rohes Ei? Die Hersteller testen ihre Laufwerke natürlich auf Schockfestigkeit und geben an, bis zu welcher Stärke eine Festplatte im abgeschalteten Zustand Stöße unbeschadet übersteht und wie stark man sie im Betrieb erschüttern darf. Diese Angaben erfolgen in g, also als Vielfaches der Erdbeschleunigung. Neben der Stärke ist auch die Dauer eines Stoßes von Bedeutung. Die Hersteller spezifizieren üblicherweise Stöße von elf beziehungsweise zwei Millisekunden Dauer oder beides.
In der oben stehenden Tabelle (Siehe dazu Nachtrag, Anm. loores) haben wir die Herstellerangaben über die Stoßfestigkeit einiger gängiger Festplattenmodelle zusammengetragen. Eine Desktop-Platte sollte im abgeschalteten Zustand kurze Stöße von 200 bis 300 g vertragen. Diese Zahlen klingen auf den ersten Blick astronomisch hoch, sind jedoch in der Praxis erstaunlich leicht zu erreichen. Die Beschleunigung eines Körpers ist bekanntlich seine Geschwindigkeitsänderung dividiert durch die Zeit. Wenn also ein harter Gegenstand wie eine Festplatte sehr schnell abgebremst wird, weil er auf eine harte Oberfläche trifft, so ergibt dies einen hohen Beschleunigungswert."
Um zu ermitteln, welche Erschütterungen eine Festplatte beispielsweise beim Transport oder bei der Montage tatsächlich erfährt, gibt es spezielle Messgeräte. Die Firma Dallas Instruments (
www.dallasinstruments.com) bietet beispielsweise einen solchen `Shock Logger´ an. Dabei handelt es sich um einen dreidimensionalen Beschleunigungsaufnehmer in Verbindung mit einem akkubetriebenen Minicomputer, der die Daten über einen längeren Zeitraum mitprotokolliert. Sie lassen sich dann später zum PC übertragen und auswerten. Damit die Ergebnisse authentisch sind, muss die ganze Apparatur dieselbe Form, Masse und Härte wie eine Festplatte haben, weswegen man sie zweckmäßigerweise in ein Original-Festplattengehäuse einbaut.
Die Firma Seagate hat uns einen Shock Logger im Gehäuse einer Desktop-Festplatte zur Verfügung gestellt. Die damit erzielten Messergebnisse gelten streng genommen nur für genau diesen Plattentyp, lassen sich aber sicherlich näherungsweise auf andere Desktop-Platten übertragen. Auf Notebook-Laufwerke sind die Ergebnisse leider nicht anwendbar, da sie eine deutlich geringere Masse haben. Das bedeutet bei einem ähnlichen Aufprall höhere Beschleunigungswerte als mit einer 3,5"-Platte. Andererseits liegen bei 2,5"-Platten die Spezifikationen auch deutlich höher. Für die Travelstar 12GN gibt IBM beispielsweise eine Schockfestigkeit von 800 g (1 ms) im abgeschalteten Zustand und 175 g (2 ms) im Betrieb an.
Wie unsere Experimente ergaben, drohen der Festplatte die größten Gefahren während der Montage. In der Originalverpackung (schaumstoffgepolsterter Einzelkarton) kann einem Laufwerk kaum etwas passieren: Selbst einen Fall aus 1,50 m Höhe mildert sie auf unbedenkliche Beschleunigungswerte ab. Mit diesem Karton müsste man schon Fußball spielen, um das Laufwerk ernsthaft zu gefährden.
Auch ein PC-Gehäuse dämpft Stöße in recht hohem Maße. Wir haben den Shock Logger in ein handelsübliches Towergehäuse montiert und dieses einige Male recht unsanft auf den Boden gestellt sowie von allen Seiten angestoßen, wie es im Büroalltag schon mal passieren kann, wenn man mit einem Stuhl dagegen rollt. Die dabei aufgetretenen Beschleunigungswerte waren mit bis zu 8 g so niedrig, dass sie der Festplatte laut Spezifikation auch im laufenden Betrieb nicht schaden. Ganz umkippen sollte man den Tower allerdings nicht. Obwohl der Messwert mit 100 g bei 10 ms Dauer niedriger ausfiel als es der ohrenbetäubende Knall vermuten ließ, kann so ein Stoß auch einer abgeschalteten Platte gefährlich werden.
Eine unverpackte Festplatte ist dagegen sehr empfindlich. Schon wenn man sie nur lieblos auf den Tisch knallt, treten recht hohe Beschleunigungswerte auf. Ein Fall aus 3 mm Höhe auf eine Tischplatte wird dem Laufwerk zwar noch nicht gefährlich, fällt jedoch mit 40 bis 60 g deutlich härter aus als alles, was das Laufwerk üblicherweise im PC-Gehäuse zu erdulden hat.
Wer Festplatten gelegentlich zu Testzwecken hochkant auf dem Tisch stehend betreibt, sollte sich vorsehen: Das Umkippen kann mit über 300 g selbst für ein abgeschaltetes Laufwerk schon zu viel sein. Wie schlimm der Stoß ausfällt, hängt dabei wesentlich von der Härte des Untergrunds ab. Ganz schlecht ist die nackte Tischplatte, während schon ein gewöhnliches, 3 mm dickes Schaumstoff-Mauspad dem Laufwerk das Leben retten kann. Es empfiehlt sich also, Festplatten nicht einfach auf den Tisch zu legen, sondern stets etwas unterzulegen. Ganz prima eignet sich dafür nach unseren Messungen übrigens die c't (eventuelle CDs vorher rausnehmen!).
Um Festplatten auf dem Weg zum Kunden besser vor Stößen zu schützen, hat sich Seagate eine neue Verpackung namens SeaShell einfallen lassen. Statt in einer herkömmlichen Antistatik-Tüte steckt das Laufwerk jetzt in einer transparenten, antistatischen Kunststoffbox. Sie schützt das Laufwerk in der Tat recht gut vor harten Stößen, wie unser Umkipp-Test auf der Tischplatte zeigt.
Wer Festplatten selbst einbauen will, tut gut daran, sie möglichst lange in der Originalverpackung zu belassen und eine weiche Unterlage bereitzuhalten. Zusammenstöße mit harten Gegenständen, etwa dem Rechnergehäuse oder auch nur dem Schraubenzieher, sind unbedingt zu vermeiden. Sehr gefährlich ist es, Festplatten zu stapeln. Zum einen treten hohe Beschleunigungen auf, wenn Metall auf Metall stößt, zum anderen fällt so ein wackeliger Stapel allzu leicht um. Misstrauen ist angesagt, wenn einem ein Verkäufer eine Festplatte nur in ihrer Antistatiktüte auf die Ladentheke knallt. Wer weiß, ob sie im Lager nicht mal ganz oben auf genau so einem Stapel lag ... (bo)"
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loores