Alle Materialien müssen dann gegen das verwendete Öl resistent sein. Dabei ist Öl nicht gleich Öl. Letztlich muß man jedes beteiligte Material vorher testen. Weil sich Unverträglichkeiten oft erst nach Tagen oder Wochen zeigen, werden "Zeitraffermethoden" angewandt. Diese bestehen im wesentlichen aus Temperaturwechseln. Je nach Temperaturbeständigkeit des zu prüfenden Werkstoffs werden einige Temperaturzyklen von z. B. 0...80°C durchfahren. Stellt sich dann heraus, daß ein bestimmter Kunststoff etwa in Weißöl durchhält, hat man keine Aussage über das Verhalten in einer bestimmten Sorte Trafoöl oder Motorenöl. Die Alterungsvorgänge und Unverträglichkeiten zeigen sich auf materialspezifische Weise, äußern sich also nicht bei allen Stoffen in gleicher Weise. Einige Stoffe lösen sich auf, andere werden klebrig oder quellen wie ein Hefekuchen.
Auf einem bestückten Mainbord und besonders im Netzteil ist eine schwer überschaubare Vielfalt unterschiedlicher Kunststoffe verarbeitet. Das beginnt beim Lack auf der Leiterplatte und endet beim Vergußmaterial eines Trafos. Bei einem einfachen Kondensator, der sich dutzendweise in verschiedenen Bauformen im Netzteil findet, sind mit dem umhüllenden Becher und seinem Verguß schon zwei verschiedene Kunststoffe beteiligt, von der Beschriftung ganz zu schweigen. Die Beschriftung interessiert nicht? Vielleicht aber die Mixtur, wenn die Beschriftung im Öl gelöst ist.
Etliche Bauelemente mögen waschdicht sein, damit sie sich nach der Verlötung von Flußmittelresten befreien lassen. Es existiert aber keine Aussage darüber, ob die Dichtung z. B. eines Trimmers ölresistent gegenüber genau der verwendeten Ölsorte ist. Man erlebt dabei echte Überrachungen. Gewiß würdest Du annehmen, daß z. B. die Gummikappe eines PKW-Spurstangengelenks mit Dauerfettfüllung ölresistent ist!? Dann weise ich Dir ein Dutzend Ölsorten nach, in denen sich die "ölresistente" Gummikappe in Wohlgefallen auflöst. Sogar Ölsorten, die man trinken darf, die sich etwa als Abführmittel eignen und zur Schmierung beweglicher Teile in der Nahrungsmittelindustrie Verwendung finden, lassen nur wenige Kunststoffe zufrieden.
Wer sich mit der Entwicklung ölgefüllten Equipments beschäftigt, verwendet nur wenige Kunststoffe, deren Herkunft und Zusammensetzung peinlichst kontrolliert wird. Braucht man aus irgendwelchen Gründen einen neuen Werkstoff, muß man u. U. lange suchen und endlose Tests im Materialprüfschrank fahren.
Von der Verwendung von Trafoöl rate ich im übrigen dringend ab. Diese Öle besitzen eine extreme Kriechfähigkeit. Wenn man eine geöffnete Flasche mit Trafoöl auf den Tisch stellt, ist tags darauf der ganze Tisch mit einer hauchdünnen Ölschicht bedeckt und nach einigen Tagen hat sich im ganzen Raum eine schmierige Staubschicht verbreitet. Mit Trafoöl kannst Du aus Privaträumen einen Sanierungsfall machen, an dem Du Dir die Zähne ausbeißt.
Das Vorhaben wird schon an Materialunverträglichkeiten scheitern. Die eingebrachten Komponenten werden irreparabel zerstört. Das ist aber noch nicht alles. Hinzu kommen elektrische Probleme. Sofern man durch geeignete Auswahl die Materialunverträglichkeiten in den Griff bekommt, macht Elektrik in Öl nur Sinn, wenn das Öl über viele Stunden entgast wird. Dabei ist von Vakuumtechnik im Bereich 10 exp-6 bar die Rede. Wenn man das ignoriert, sind mit großer Wahrscheinlichkeit zunächst Teilentladungen und alsbald direkte Spannungsüberschläge die Folge. Öle haben nämlich eine deutlich höhere Dielektrizitätszahl als Luft. Deshalb werden elektrische Feldstärken z. B. in einem Trafo unter Öl herabgesetzt. Hat man auch nur die kleinsten Lufteinschlüsse, gibt es dort eine heftige Feldstärkenüberhöhung, die i. d. R. bald zum Durchschlag führt. Teile, die unter Öl eingesetzt werden sollen, sind deshalb in der Formgebung speziell dafür konstruiert.