Werbung
So gut Smartphone-Kameras zuletzt auch geworden sind, in bestimmten Punkten sind sie selbst günstigen Kompakten unterlegen. Das weiß auch Lenovo und bietet mit der Hasselblad True Zoom ein Moto Mod für das Moto Z an. Viel mehr als ein paar zusätzliche Spielereien und das bekannte Logo des traditionsreichen schwedischen Kamera-Herstellers bietet das Modul nicht, wie der Test zeigt.
Auf Moto Mod selbst sind wir bereits im Test des Moto Z eingegangen. Mithilfe von Metallkontakten und Magneten können Zusatzmodule schnell und einfach an das Smartphone - kompatibel ist auch das Moto Z Play - gekoppelt werden.
Erhältlich sind derzeit neben der Hasselblad True Zoom unter anderem ein Projektor- sowie ein Lautsprecher-Aufsatz, genutzt werden kann aber immer nur ein Moto Mod, eine Art Daisy Chain ist nicht vorgesehen. In diesem Punkt gleicht Moto Mod dem Prinzip des G5, anders als beim LG-Konkurrenten muss das Smartphone für den Wechsel der Module aber nicht abgeschaltet werden - Plug & Play lautet das passende Stichwort.
Der Hasselblad True Zoom fehlt etwas Hardware
Grundsätzlich bringt die Hasselblad True Zoom alles mit, was auch in einer klassischen Kompaktkamera steckt. So verfügt sie über einen eigenen Bildsensor und eine eigene Optik, ebenso gibt es einen separaten zweistufigen Auslöser, einen Blitz sowie zwei Mikrofone. Nicht im Gehäuse verbaut sind Sucher, Speicher, Akku und jegliche Art der Konnektivität. All das steuert das Smartphone bei, im Test das Moto Z.
Hasselblad True Zoom | Lenovo Moto Z | Lenovo Moto Z Play | |
Sensor | BSI CMOS, 12 Megapixel | BSI CMOS, 13 Megapixel | BSI CMOS, 16 Megapixel |
Sensor-Größe | 1/2,3 Zoll | 1/2,4 Zoll | - |
Pixel-Größe | 1,55 Mikrometer | 1,12 Mikrometer | 1,3 Mikrometer |
Brennweite | 4,5 bis 45 mm (Kleinbild: 25 bis 250 mm) | 4 mm | - |
Zoom: | 10fach optisch, 4fach digital | 8fach digital | 4fach digital |
Blende | f3.5 bis f6.5 | f1.8 | f2.0 |
Bildstabilisator | optisch (Fotos) und elektronisch (Videos) | optisch (Fotos) und elektronisch (Videos) | elektronisch (Videos) |
Blitz | Xenon | Dual-LED (True Tone) | Dual-LED (True Tone) |
ISO-Modi | Auto, 100, 200, 400, 800, 1.600, 3.200 | Auto, 100, 200, 400, 800, 1.600, 3.200 | Auto, 100, 200, 400, 800, 1.600, 3.200 |
Max. Video-Qualität | 1080p 30 fps | 2160p 30 fps | 2160p 30 fps |
Preis | 299 Euro | 699 Euro | 449 Euro |
Der Blick auf die konkrete Ausstattung zeigt, dass hohe Erwartungen nicht erfüllt werden dürften. Mit 12 Megapixeln bleibt die Auflösung nicht nur hinter der des Moto Z zurück, auch zahlreiche Kompaktkameras bieten mehr Pixel. Da die reine Anzahl der Bildpunkte aber nichts über die tatsächliche Qualität aussagt, rücken andere Werte in den Mittelpunkt. Mit einer Kantenlänge von 1,55 Mikrometern fallen die einzelnen Punkte im Vergleich zu Smartphones groß aus, mit 1/2,3 Zoll ist der BSI-CMOS-Sensor dann aber wieder vergleichsweise klein.
Und auch an anderer Stelle liegen Freud und Leid dicht beieinander. Die Brennweite von 4,5 bis 45 mm (Kleinbild-Äquivalent: 25 bis 250 mm) versprecht einen 10fach optischen Zoom, die Lichtstärke liegt je nach Brennweite aber nur bei f3,5 bis f6,5. Vergleichbar sind diese Werte mit günstigen Kit-Objektiven von Systemkameras, das Moto Z bietet eine feste Brennweite von 4 mm sowie Blende f1.8.
Beim Aufbau der Hasselblad True Zoom hat man sich an gewöhnlichen Kameras orientiert, was die Eingewöhnungsphase stark verkürzt. Auf der oberen Kante warten Ein-/Ausschalter, der zweistufige Auslöser sowie die Zoom-Wippe, von vorn betrachtet sind Objektiv, Fokus-Licht, Xenon-Blitz und die beiden Mikrofone zu erkennen. Weitere Anschlussmöglichkeiten oder Bedienelemente gibt es nicht, auch ein Stativ-Gewinde fehlt. Die Koppelung erfolgt genauso schnell und einfach wie beim JBL SoundBoost, das Starten erfolgt entweder über den dedizierten Einschalter oder aber das Aufrufen der Kamera-Applikation.
Mit 145 g ist das Modul alles andere als leicht, mit 15,1 mm zudem auch mehr als doppelt so dick wie das Moto Z selbst. Im gekoppelten Zustand kommt man so auf 152,3 x 72,9 x 20,3 mm und 281 g.
Keine eigene Kamera-Applikation für die Hasselblad
Letzteres irritiert zunächst, denn die Erwartungshaltung ist eine andere. Doch Motorola und Hasselblad haben sich dafür entschieden, dem Mod keine eigene Anwendung mit auf den Weg zu geben. Das ist einerseits hilfreich, da der Nutzer nicht mit zwei unterschiedlichen Programmen arbeiten muss. Andererseits muss man so mit dem Aufbau der Motorola-App leben und hat eine Chance vertan, die Huawei beispielsweise beim P9 und der Zusammenarbeit mit Leica genutzt hat.
Immerhin erhält der Nutzer bei gekoppelter Hasselblad True Zoom aber Zugriff auf neue Funktionen. Es gibt drei Modi - Farbe JPEG, Schwarz-Weiß JPEG und Farbe RAW+JPEG - sowie sechs Motivautomatiken (Automatisch, Sport, Nachtportrait, Gegenlicht-Portrait, Nachtlandschaft und Landschaft). Alle anderen Punkte wie Speicherung der Geo-Daten, Wahl der Auflösung und anderes kennt man vom Moto Z, gleiches gilt für den Wechsel zwischen Foto, Video und Pro-Modus. Letzterer erlaubt mit Hasselblad-Mod die gleichen Veränderungen wie ohne, es können also Weißabgleich, Belichtungszeit, ISO und EV auf Wunsch direkt beeinflusst werden. Im direkten Vergleich fällt jedoch auf, dass Zeitlupen-Videos nicht vorgesehen sind - ebenso fehlt die Möglichkeit zur Aufnahme von 4K-Material.
Ärgerlich ist das nur anfangs, denn für Video-Aufnahmen ist die Hasselblad True Zoom alles andere als geeignet. Die Aufnahmen wirken selbst bei optimalen Lichtbedingungen leicht blass und schon bei sehr langsamen Bewegungen bilden sich Artefakte. Zusätzlich enttäuscht die Audio-Spur, deren Material augenscheinlich nur von den beiden Mikrofonen des Moduls aufgezeichnet wird, die alles andere als hochwertig wirken.
Fotos mit viel Luft nach oben
Das wäre zu verschmerzen, wenn Fotos qualitativ überzeugen würden. Doch die knapp 300 Euro teure Hasselblad True Zoom schafft es, meist sichtbar schlechtere Ergebnisse als das Moto Z selbst abzuliefern. Während der Weißabgleich noch vergleichsweise zuverlässig arbeitet, enttäuschen Farbtreue, Schärfe an den Rändern sowie Rauschen schon bei guten Lichtverhältnissen. Gelbliche oder orangefarbene Flächen fallen einen Tick zu Rot aus, Grün wirkt zu oft ausgeblichen, einzig blaue Inhalte sind stimmig festgehalten.
Sieht man sich aber beispielsweise einen strahlend blauen Himmel näher an, wird selbst bei ISO 100 Bildrauschen erkennbar, spätestens bei ISO 800 kann sich dieses Problem selbst vor ungeübten Augen nicht mehr verstecken. Das Moto Z produziert aber bei eine solchen Lichtempfindlichkeit zwar auch keine Meisterwerke mehr, das Rauschen ist hier aber geringer. Im direkten Vergleich zeigt sich aber auch, dass das Hasselblad-Modul bei schlechten Lichtverhältnissen minimal hellere Aufnahmen produziert.
Das gleicht die verwaschenen Bildränder, die praktisch unter allen Bedingungen auftreten, aber bei weitem nicht aus. Spätestens ab Zoom-Stufe 6 kommt dann aber häufig noch eine leichte generelle Unschärfe hinzu, Verwackler kann der optische Bildstabilisator dann nicht mehr vollständig ausgleichen.
Beim Zoomen fällt aber auch eine kleine Schwäche in der Bedienung auf. Denn selbst sehr kurze Änderungen an der Wippe quittiert die Kamera mit einer Änderung um mindestens 0,5 Stufen. Ein langsamer arbeitender Motor wäre hier die bessere Lösung gewesen, alternativ hätte auch eine Zoom-Steuerung per Touch-Screen gereicht. Zumindest denkbar ist, dass Motorola eine solche Möglichkeit nachreicht. Denn ein erstes Update sorgt bereits dafür, dass der Zoom präziser zu bedienen ist - zuvor sorgte ein kurzes Antippen der Wippe schon für eine Änderung um zwei bis drei Stufen.
Fazit
Die Idee von Zusatzmodulen ist so gut wie auch komplex. Es muss aber nicht nur das System selbst überzeugend und leicht bedienbar umgesetzt werden, auch die Module selbst müssen einen echten Mehrwert darstellen. Eine aufsetzbare Kamera dürfte dabei das sein, was den meisten Smartphone-Nutzern als erstes in den Sinn kommt. Deshalb ist die Hasselblad True Zoom die wohl größte Chance, das Moto-Mod-System populär zu machen.
Gerade deshalb ist es aber schade, dass Motorola und Hasselblad die Chance nicht nutzen. Man kann dabei leider nicht nur von ein paar wenigen Patzern sprechen, geredet werden muss über teilweise grobe Fehler, die vor allem mit Blick auf die Erfahrung des schwedischen Kameraherstellers unerklärlich sind.
War man unter Umständen gar nicht oder nur sehr am Rande in die Entwicklung involviert und hat stattdessen in erster Linie nur seinen Namen zur Verfügung gestellt? Diesen Eindruck kann man zumindest bekommen, wenn man sich Punkte wie die enttäuschende Bild-Qualität, die eingeschränkten Optionen innerhalb der Applikation und vermeintliche Kleinigkeiten wie die verbesserungswürdige Zoom-Steuerung oder das fehlende Stativgewinde anschaut. Noch schlimmer wird es, wenn die Aufnahmen des Moto Z mit denen der Hasselblad True Zoom vergleicht. Erstere fallen in neun von zehn Fällen besser aus, darüber hinaus bietet die Smartphone-Kamera mehr Möglichkeiten.
Allein deswegen verdient die Hasselblad True Zoom keine Empfehlung. So interessant der Versuch ist, in der Praxis scheitert er. Die weitaus bessere Lösung ist der Kauf einer guten Kompaktkamera oder einer günstigen Systemkamera, die mitsamt Kit-Objektiv schon für etwa 280 Euro zu haben ist.