Unser Test der Radeon RX Vega 64 und Vega 56 hat gezeigt: AMD liefert eine Leistung auf dem Niveau der GeForce GTX 1080 und GeForce GTX 1070, erkauft wird dies aber mit einer deutlich zu hohen Leistungsaufnahme. Derzeit hat AMD bei den Vega-Karten noch viele Baustellen, die vor allem den Treiber betreffen. Dieser scheint noch einiges an Potenzial der Hardware ungewollt zurückzuhalten, was vor allem die neuen Funktionen der Vega-Architektur in Form des HBCC, NGG Fast Path und Rapid Packed Math betrifft. Was wir zum initialen Artikel nicht mehr geschafft haben, wollen wir nun nachholen und schauen uns das Undervolting-Verhalten der beiden Karten an.
Zunächst einmal wollen wir aber den Begriff des Undervoltings erklären. Dabei handelt es sich um ein gezieltes Absenken der Versorgungsspannung. Die Hersteller liefern ihre Prozessoren und GPUs mit einer vordefinierten Spannung aus, die über die Varianz in der Fertigung hinweg einen stabilen Betrieb aller Chips gewährleisten soll. Noch denkbar wäre eine dynamische Anpassung dieser Spannung an den jeweiligen Chip. Diese individuelle Anpassung wäre aber sehr aufwändig und wird daher nicht vorgenommen.
Ziel des Undervoltings ist ein stabiler Betrieb mit einer niedrigeren Spannung als die vom Hersteller vorgesehene, was sich positiv auf den Strombedarf und damit auch auf die Abwärme auswirkt. Aufgrund des relativ hohen Bedarfs der Radeon RX Vega 64 und Vega 56 bietet sich ein Undervolting also an. Zwar steht die Radeon RX Vega 56 in Bezug auf das Leistung-Watt-Verhältnis etwas besser dar, aber auch hier schlummert sicher einiges an Potenzial.
Bevor wir aber loslegen, ein paar Worte zu den Voraussetzungen. In Sachen Software haben wir die aktuellen Treiber Radeon Software Crimson ReLive Edition 17.8.1 verwendet. Auch dieser liefert allerdings weiterhin fehlerhafte Taktraten in der Anzeige. Für die Einstellungen haben wir also weiterhin nicht auf WattMan vertraut, sondern es mit einem Drittanbieter-Tool versucht, welches eigentlich noch nicht an die Vega-Serie angepasst ist, aber scheinbar funktioniert. WattTool 0.92 kann frei heruntergeladen werden. Theoretisch sind die gleichen Einstellungen aber auch in WattMan möglich.
Weiterhin kann nicht nur den Taktanzeigen nicht vertraut werden, auch ein Absenken der Spannung sollte über einen geringeren Strombedarf validiert werden. Dazu haben wir die Leistungsaufnahme des Gesamtsystems überwacht – so wie wir das in den Artikeln auch vornehmen. Zudem haben wir das Power Target auf +50 % gesetzt.
Im WattTool haben wir die Einstellungen der P-States P6 und P7 vorgenommen. Alle anderen P-States sind in den manuellen Einstellungen ohnehin deaktiviert und somit für uns nicht interessant. Zunächst haben wir uns an die minimale, aber noch stabile Spannung herangewagt und diese Schritt für Schritt für beide Karten reduziert. Über den Strombedarf haben wir bei jedem Schritt geprüft, ob die Reduzierung der Spannung sich dort auch niederschlägt. Haben wir ein stabiles Spannungslevel gefunden, haben wir von dort aus den Takt erhöht, bis kein stabiler Betrieb mehr möglich war. Auch die Erhöhung des Taktes muss durch eine Verifizierung über eine erhöhte Leistung erfolgen.
Danach haben wir versucht, durch eine minimale Spannungserhöhen einen noch deutlich höheren Takt zu erzielen, um so den Sweet Spot, also den Punkt der idealen Betriebsbedingungen zu finden. Zudem haben wir den HBM auf 1.000 MHz übertaktet. Schlussendlich sind wir bei folgenden Werten gelandet:
Modell | Takt | Spannung | Leistungsaufnahme |
Radeon RX Vega 64 | P6: 1.537 MHz P7: 1.632 MHz | P6: 1.150 mV P7: 1.200 mV | 462,7 W |
Radeon RX Vega 64 Undervolting | P6: 1.538 MHz P7: 1.538 MHz | P6: 1.110 mV P7: 1.110 mV | - 38 W |
Radeon RX Vega 56 | P6: 1.537 MHz P7: 1.592 MHz | P6: 1.150 mV P7: 1.200 mV | 394,3 W |
Radeon VX Vega 56 Undervolting | P6: 1.613 MHz P7: 1.613 MHz | P6: 1.070 mV P7: 1.070 mV | -73 W |
Die in der Tabelle erwähnten Taktwerte für die P-States P6 und P7 werden so in dieser Form in der Praxis nicht erreicht. Die Radeon RX Vega 64 läuft auf Taktfrequenzen zwischen 1.400 und 1.540 MHz, die Radeon RX Vega 56 zwischen 1.300 und 1.470 MHz. Es handelt sich dabei also nur um Vorgaben für den Boost-Mechanismus.
Kommen wir nun also zu den Ergebnissen:
Für die Radeon RX Vega 64 konnten wir die Spannung von 1.150 bzw. 1.200 mV auf 1.110 mV herunterfahren, sind beim Takt aber bei 1.538 MHz gelandet. Die bedeutet eine Reduzierung der Spannung um 8 %. Gleichzeitig konnten wir den Takt aber im Extremfall um fast 10 % erhöhen. Damit ist über eine weite Anzahl an Spielen, in denen der Boost-Takt zuvor nicht zu hoch ausgefallen ist, eine entsprechende Leistungssteigerung zu sehen. Wir haben dies mit einigen Spielen getestet, die entsprechenden Diagramme folgen.
Bei der Radeon RX Vega 56 ist das Undervolting-Potenzial etwas höher. Hier konnten wir die GPU-Spannung von 1.200 mV auf 1.070 mV (-12 %) reduzieren und den Takt bei 1.613 MHz erhalten, was einer Steigerung um fast 25 % im Extremfall entspricht. Teilweise senkt die Radeon RX Vega 56 ihren Takt in unseren Tests auf 1.300 MHz ab. Insofern sind die erreichten 1.613 MHz ein sehr gutes Ergebnis. Dies drückt sich auch in der einer Reduzierung der Leistungsaufnahme um 73 W aus.
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Einschätzung des Undervoltings
Es ist recht erstaunlich, wie groß der Zugewinn durch das Undervoltings für die beiden Karten ausfällt. Die Radeon RX Vega 64 und Vega 56 profitieren unterschiedlich stark im Hinblick auf die Leistung und die Einsparungen beim Strombedarf. Deutlich zu erkennen ist, dass die Radeon RX Vega 64 schon recht nahe am Limit läuft und hier wenig Potenzial vorhanden ist. Bei der Radeon RX Vega 56 hingegen sehen wir einen großen Spielraum, den jeder bastelfreudige Nutzer auch verwenden sollte.
Für die Radeon RX Vega 64 bedeuten die Ergebnisse folgendes: Hinsichtlich der Leistung setzt man sich teilweise recht deutlich vor die GeForce GTX 1080 Founders Edition. Wir haben hier keinerlei Werte für ein Undervolting der Konkurrenzkarten, sondern nehmen diese Werte nur als Referenzpunkte. Es wäre unfair, eine mit niedrigerer Spannung betriebene Karte mit einer solchen im Auslieferungszustand zu vergleichen. Gleichzeitig bedeutet das Undervolting der Radeon RX Vega 64 für die Leistungsaufnahme eine deutliche Reduzierung, auch wenn sie selbst dann noch immer zu den stromhungrigen Single-GPU-Karten gehört.
Die Radeon RX Vega 56 stellt sich etwas besser dar. Hier sehen wir eine deutliche Reduzierung des Strombedarfs, was dazu führt, dass sie der GeForce GTX 1070 (wieder ohne Undervolting) etwas näher kommt. Den größten Sprung macht sie aber gleichzeitig bei der Leistung, denn trotz einer Reduzierung der Spannung, konnten wir den Takt deutlich steigern, bzw. stabiler auf hohem Niveau halten. In den Benchmarks rückt sie daher der größere Radeon RX Vega 64 recht nahe auf die Pelle und kann auch die GeForce GTX 1080 oft hinter sich lassen.
Derzeit ist ein Undervolting aber noch recht kompliziert, da der Software nicht getraut werden kann. Anzeigen für den Takt müssen nicht stimmen und ob die Spannung übernommen wurde, wird nur durch einen Blick auf den Verbrauch sichergestellt. Ein einfaches Einstellen der Werte in der Software reicht momentan nicht aus – alles muss validiert werden.