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Drei Tage vor dem Start der Vorratsdatenspeicherung hat die Bundesnetzagentur auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen reagiert. Bis zum Abschluss des Verfahrens müssen Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen Verkehrsdaten nicht speichern. Für die Bundesregierung bedeutet dies eine klare Niederlage, schließlich wollte man nicht auf eine korrekte EU-Richtlinie warten.
Die Bundesnetzagentur, die für die Durchsetzung der Vorratsdatenspeicherung gemäß § 113b TKG – Pflichten zur Speicherung von Verkehrsdaten – zuständig ist, begründet dieses Schritt mit der Tragweite der Entscheidung des Oberwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen. Dieses hatte in der vergangenen Woche dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Münchner Providers Spacenet mit der Begründung zugestimmt (Az. 13 B 238/17), dass das Gesetz nicht mit EU-Recht in Einklang zu bringen sei. Dies schreibe vor, dass ein solcher Eingriff in die Privatsphäre so gering wie möglich ausfallen und das Speichern von Daten auf ein absolutes Minimum begrenzt werden müsse.
Das Gericht verwies allerdings darauf, dass es sich dabei um eine Einzelfallentscheidung handele. Entsprechend hätten andere Anbieter selbst gegen die Vorratsdatenspeicherung vorgehen müssen, um ihrerseits von ihr befreit zu werden. Die Bundesnetzagentur bewertet die Situation aber anders. „Aufgrund dieser Entscheidung und ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Begründung sieht die Bundesnetzagentur bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens von Anordnungen und sonstigen Maßnahmen zur Durchsetzung der in § 113b TKGgeregelten Speicherverpflichtungen gegenüber allen verpflichteten Unternehmen ab", so der Wortlaut der Stellungnahme, die am Morgen veröffentlicht wurde.
Das bedeutet zwar nicht das Aus für die Vorratsdatenspeicherung in ihrer jetzigen Form, eine Missachtung des Gesetzes führt aber zu keinerlei Sanktionen.
Wie lange diese Situation anhalten wird, ist noch völlig unklar. Zwar ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht anfechtbar, der Gang vor das Bundesverfassungsgericht und anschließend der vor den Europäischen Gerichtshof sind aber möglich. Derartige Schritte wurden bislang aber nicht angekündigt, dürften im Fall der Fälle aber mehrere Jahre in Anspruch nehmen.
In seiner Entscheidung hatte sich das Gericht in der vergangenen Woche unter anderem auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vom April 2014 berufen. Die Luxemburger Richter hatten seinerzeit unter anderem moniert, dass zu viele Daten von zu vielen Personen über einen zu langen Zeitraum gespeichert würden. Entsprechend wurde die EU-Richtlinie 2006/24/EG, auf der auch die damalige deutsche Regelung für die Vorratsdatenspeicherung basierte, für ungültig erklärt.
Der Entscheidung folgte eine politische Diskussion über Für und Wider sowie die Frage, in welcher Form eine neue Regelung möglich sei. Das Ergebnis sah vor, dass Verbindungsdaten zehn Wochen lang gespeichert werden müssen, dazugehörige Standortinformationen immerhin noch vier Wochen lang.
Update
Der Münchner Provider Spacenet hat die Entscheidung der Bundesnetzagentur begrüßt. Man sei sich von Anfang an sicher gewesen, mit der Klage Erfolg zu haben - auch wenn man sich darüber im Klaren sei, dass das Hauptsacheverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Allerdings, so Spacenet-Vorstand Sebastian von Bomhard, würde die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts die endgültige Entscheidung unübersehbar vorweg nehmen.
Enttäuscht zeigt sich von Bomhard allerdings vom Verhalten der Mitbewerber: „Die Aufmerksamkeit, die das Thema momentan in der Öffentlichkeit erreicht, hat uns wirklich positiv überrascht. Lange hatte es so ausgesehen, als ob wir mit unserer Ansicht allein auf weiter Flur wären - kein von uns angesprochenes Unternehmen war bereit gewesen, auf unserer Seite anzutreten."