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Gemessen an der Zahl der Kunden ist Number26 eine kleine Bank. Nimmt man die aktuelle Medienpräsenz als Maßstab, spielt das Fintech-Startup derzeit aber in der höchsten Liga mit. Der Grund hierfür ist ein eigentlich ganz alltäglicher Vorgang, der dank der sozialen Netzwerke ordentlich aufgebauscht wird. Man könnte durchaus von einem Shitstorm sprechen, den das Berliner Unternehmen sich redlich verdient hat.
Wer die Geschehnisse des gestrigen Tages versäumt hat, braucht nicht lange nachlesen. Die noch junge Bank verschickte an Kunden per Email die Kündigung des Girokontos zum 1. August 2016. Einen Grund nannte man nicht, stattdessen berief man sich auf eine in den AGB hinterlegte Klausel. Soweit die unbestreitbaren Fakten. Was die Aufregung provozierte war aber nicht nur die fehlende Begründung, sondern auch die fehlende Kommunikation. Binnen weniger Stunden ließen Betroffene ihrer Verärgerung über Facebook, Twitter und Co. freien Lauf, Antworten seitens Number26 blieben fast immer aus. Dass die Bank quasi zeitgleich mit einem Systemausfall zu kämpfen hatte, der die Nutzung der zum Konto gehörende Karte unmöglich machte, mag hierfür ein Grund sein. Dass man dann aber eine mehr als knapp verfasste Pressemitteilung veröffentlichte und sich Bank-Chef Valentin Stalf eher ungeschickt via Twitter zu Wort meldete, brachte dann vermutlich das Fass zum Überlaufen.
@merlinjobst @number26 nothing abruptly, everyone can still use our account for 2 more months
— Valentin Stalf (@valentinstalf) 1. Juni 2016
Die sich selbst als hip darstellende Direktbank hatte ganz offensichtlich unterschätzt, dass ihre vermutlich vergleichsweise junge Klientel den Umgang mit den sozialen Medien besser als man selbst beherrscht. Denn selbst wenn die Kündigungswelle wie behauptet nur eine dreistellige Zahl an Kunden betrifft: Wer die Kommentare liest, würde eher auf mehrere tausend Betroffene tippen. Für ein Unternehmen, dass sich in fast allen Belangen nur auf das Internet verlässt, wird das schnell zu einem ernsthaften Problem. Erst recht, wenn es sich um eine Bank handelt, deren wichtigste Eigenschaft Vertrauen ist. Das dürfte Number26 gestern in Rekordzeit fast völlig verspielt haben. Auch, weil Meldungen aufkamen, dass ohne Anlass Schufa-Einkünfte eingeholt wurden. Eine Stellungnahme hierzu fehlte, was die Unfähgikeit in puncto Kommunikation noch bestätigte. Anstatt sich in Phrasen wie datenschutzrechtliche Gründe und ähnliches zu verlieren, hätte man einfach aussprechen können, was vermutlich der wahre Grund ist: So mancher Kunde war einfach zu teuer.
Deshalb ist die Frage, ob die Aufregung angebracht war und ob Veränderungen nicht absehbar waren. In Zeiten, in denen Banken widerwillig Kontoführungsgebühren anheben, um aufgrund des anhaltenden Zinstiefs überhaupt noch Geld zu verdienen, müssen Angebote wie die von Number26 - aber auch den Mitbewerbern - kritisch hinterfragt werden. Selbst wer nur das Internet als Filiale nutzt, hat Kosten, vor allem im Bankwesen.
Das gleiche gilt aber auch für Number26. Wer das wirtschaftliche Wachstum als wichtigstes Ziel definiert und dabei vergisst, dass soziale Kompetenz gerade in der Außendarstellung wichtig ist, darf sich über ein solches Echo nicht wundern. Geldgeschäfte sind immer auch Vertrauensgeschäfte, viele - auch potentielle Neukunden - dürften ihre Vertrauen in das Unternehmen verloren haben. Dabei dürften die Berliner der deutschen Startup-Szene sogar noch einen Bärendienst erwiesen haben. Wenn selbst das Aushängeschild mit ganz profanen Dingen völlig überfordert zu sein scheint, wie sollen dann andere Vertrauen gewinnen und rechtfertigen?
Ein Kommentar von Patrick Bellmer. Die Ausführungen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der gesamten Redaktion wider.