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Mit der neuen E-Klasse treibt Mercedes-Benz das Thema autonomes Fahren soweit voran wie derzeit wohl kein anderer deutscher PKW-Hersteller. Auf der CES Asia zeigte man diesbezüglich zwar keine Neuheiten, gewährte aber einen Einblick in das dahinterstehende System sowie das Cockpit, das nicht überall für positive Reaktionen sorgte.
Die Teilnahme an der noch jungen Messe, die zum zweiten Mal stattfindet, ist nicht zufällig. Ähnlich wie bei der CES in Las Vegas ist auch in Shanghai das Thema Automobil ein Schwerpunkt. Da passt es, dass Daimler nicht nur gerade erst seinen Car-Sharing-Dienst Car2Go in China gestartet, sondern auch vor zwei Wochen die Langversion der neuen E-Klasse vorgestellt hat. Abgesehen von ein paar mehr Zentimetern in der Länge sowie einer Änderung der Bedienelemente für die hinten Mitfahrenden bleibt technisch aber alles wie gehabt. Das bedeutet: Wer die entsprechenden Extras dazu bestellt, kann dem Wagen mehr Aufgaben übertragen als üblich.
Das sogenannte Fahrerassistanzpaket umfasst unter anderem die Geschwindigkeitsregelung Distronic Plus, die nicht nur Geschwindigkeit und Abstand zum Vordermann hält, sondern den Wagen nach dem Stillstand wieder anfahren lassen kann. Besondere Aufmerksamkeit hat man dabei den unterschiedlichen Sicherheitsanforderungen geschenkt. Während das automatisch Anfahren auf der Autobahn bis zu einer Minute nach dem vollständigen Abbremsen möglich ist, geschieht das in anderen Situationen nur binnen weniger Sekunden. Schließlich, so das Unternehmen, könnte sich die Situation beispielsweise in der Stadt schnell verändern – schnell noch die Straßenseite wechselnde Passanten und ähnliches sind hier nicht selten.
Den Punkt Fußgänger greifen aber auch die Komponenten aktiver Bremsassistent und der Assistent für Ausweichmanöver auf. Ersterer soll Zusammenstöße mit Personen verhindern, wenn diese als möglich erkannt werden, letzterer unterstützt das vom Fahrer eingeleitete Ausweichen in derartigen Situationen. Laut Hersteller tun sich hier viele Fahrer damit schwer, nach der ersten Lenkbewegung wieder geradeaus zu fahren, weshalb man auch dies erleichtert. Dass die Spur beim Fahren nicht nur automatisch gehalten, sondern auch ohne eigenes Zutun - sieht man einmal vom Betätigen des Blinkers als Auslöser - gewechselt werden kann, ist da schon etwa verbreiteter. Dank der im Fahrzeug verbauten Stereo-Kameras wird der Spurwechsel bei durchgezogenen Linien nur manuell ermöglicht, der Tote-Winkel-Assistent sorgt zudem dafür, dass auch parallel fahrende Autos berücksichtigt werden.
Wie gut das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten funktioniert, konnten wir uns im Simulator anschauen. Dieser demonstrierte aber nicht nur die Freiheit und Erleichterung beim Fahren, die Mercedes-Benz damit bietet, sondern auch die Sicherheitsmerkmale, die nach eigenen Angaben nicht nur aufgrund gesetzlicher Vorgaben, sondern auch aufgrund der Unternehmensphilosophie notwendig sind. Innovation und Tradition müssen im Einklang sein, könnte das Credo deshalb lauten. Technisch sei mehr möglich, dann sei eine vollumfängliche Funktionstüchtigkeit der autonomen Funktionen aber nicht mehr zu gewährleisten, wie es heißt. Dabei geht es auch um sehr widrige Wetterverhältnisse, denen man mit der derzeitigen Palette an Sensoren noch nicht in Gänze begegnen kann. Neben Radar und Ultraschall gehören auch Kameras dazu, in der Spitze werden dabei Informationen in einer Entfernung von bis zu 500 m vor und 80 m hinter dem Fahrzeug gesammelt. Und es könnte noch mehr werden, so Mercedes-Benz.
Dank der angedachten Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastruktur respektive Fahrzeug und Fahrzeug sollen Gefahrenquellen noch früher erkannt und berücksichtigt werden. Betont wird dabei, dass man auf einen offenen Standard setzt, auch Fahrzeuge anderer Hersteller sollen in diesem Netzwerk eine Rolle spielen; anders als beispielsweise bei Audi. So konservativ man sich in gewisser Hinsicht auch gibt: In vielen Punkten ist man weiter als die Konkurrenz, viele Assistenten arbeiten bei höheren Geschwindigkeiten oder in größeren Entfernungen als bei anderen.
Keine Innovation nur der Innovation wegen heißt es aber auch beim Cockpit. Kritik gab es hier für die fehlende Touchscreen-Funktionalität. Auf diese habe man aber absichtlich verzichtet, um den Blick nicht von der Straße zu lenken. Zudem gebe es mit den Touch-Sensoren am Lenkrad, dem Dreh-Drück-Schalter in der Mittelkonsole nebst Zeichenerkennung und der Eingabe per Sprache genügend Eingabemethoden. Natürlich sehe ein großes Touch-Display mit Touch-Funktion in der Mittelkonsole toll aus, die Ablenkungsgefahr schätze man bei Mercedes-Benz aber als viel zu hoch ein. Weshalb man nach wie vor daran festhält, dass bestimmte Funktionen nur dann nutzbar sind, wenn das Fahrzeug nicht rollt.
Ob und wann die Stuttgarter die neuen Assistenz- und Infotainment-Systeme auch in die anderen Modelle bringen werden, wollte man nicht verraten. Angesichts der künftig sinkenden Kosten sei es aber mittelfristig kein Problem, auch eine A-Klasse damit zu bestücken. Zuvor dürfte aber die S-Klasse bedacht werden. Für den Simulator nutzte man die aktuelle Version der großen Limousine, die um die Assistenzpakete der neuen E-Klasse erweitert wurde.