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Mit der Veröffentlichung der finalen technischen Spezifikationen und Leistungsdaten zur Radeon RX Vega 64 sowie Vega 56 kommen natürlich auch Fragen auf. Diese machen wir uns aber nicht erst seit heute, sondern stellen uns bereits seit einigen Wochen, spätestens aber ab dem Vega Tech Day zur Siggraph Ende Juli, die Frage, ob AMD mit der Vega-Architektur seine eigenen Ziele wirklich hat erfüllen können.
Die Frage stellt sich aufgrund einiger Ergebnisse unseres Tests. In einigen Fällen ist die Radeon RX Vega 64 nur etwa 30 % schneller als eine Radeon R9 Fury X. Beide Karten besitzen 4.096 Shadereinheiten und sind vom grundsätzlichen architektonischen Aufbau identisch – die Verbesserungen der Vega-Architektur in den Compute Units einmal außen vor gelassen. Gleichzeitig ist die Fiji-GPU der Radeon R9 Fury X aber etwa 30 % niedriger getaktet, das Leistungsplus wird also in gewisser Weise durch das Taktplus aufgefressen. Wo aber ist die Mehrleistung geblieben, die eigentlich durch den Wechsel der Architektur und den HBM2 zu erwarten wäre?
Abgesehen von diesem direkten Vergleich ist die Leistung der Radeon RX Vega 64 alles andere als überwältigend. Der Konkurrenz in der Form der GeForce GTX 1080 Ti hat man nichts entgegen zu setzen und so ist allenfalls die GeForce GTX 1080 als Gegenspieler anzusehen. Gleichzeitig scheint es AMD nicht geschafft zu haben, die Effizienz zu steigern, denn trotz des erwähnten Leistungsniveaus liegt die Leistungsaufnahme deutlich über den Konkurrenzmodellen.
Techniken wie FreeSync helfen sicherlich dabei die Leistung etwas zu relativieren – aber es ist eben genau das – nur eine Relativierung. Gleiches gilt für Techniken wie den High Bandwidth Cache Controller, der seine Stärken noch gar nicht ausspielen kann. Rapid Packed Math, Shader Intrinsics, Asyncronous Compute, DirectX 12 und Vulkan bieten ebenfalls interessante Ansätze und machen die Vega-Architektur stärker, dies nützt aber alles wenig, wenn die Einsatzmöglichkeiten in der Praxis fehlen.
Auch preislich ist zum Start sicherlich Kritik angebracht. Immer wieder betonte AMD, dass die Vega-GPUs in Massen verfügbar sein würden. Bei jeder Präsentation wurde darauf verwiesen, dass mehrere Karten mit Vega-GPU alleine zu Demozwecken vorhanden sind, doch der Handel zeigt derzeit nur leere Regale und bestellte Ware. Vermutlich wird es noch mindestens eine Woche dauern, bis die Karten auch im Handel verfügbar sind. Auch dies wurde uns anders versprochen.
Vega-GPU soll Allrounder mit Abstrichen sein
In zahlreichen Gesprächen mit AMD haben wir versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Zunächst einmal beruft man sich darauf kein Entwicklungsbudget von mehreren Milliarden US-Dollar für eine GPU zu haben, wie dies bei NVIDIA der Fall ist. Das Entwicklungsteam soll aber mit der Entwicklung eines "Allround-Chips" betraut worden sein, der folgende Ziele erreichen sollte:
- Rückkehr in das High-End-Gaming-Segment
- Schaffung einer Grundlage für zukünftige GPUs
- Marktanteile im professionellen Bereich gewinnen (Radeon Pro)
- Produkt für AI- und Deep-Learning-Anwendungen schaffen (Radeon Instinct)
Für all diese Ziele hat der Konkurrent drei GPUs entwickeln müssen. Vega 10 tritt gegen die GP104-GPU im Gaming-Segment an, gegen die GP102-GPU im Workstation-Bereich und gegen die GP100-GPU für professionelle Compute-Anwendungen. Ohne die genaue Leistung der Radeon Pro WX9100 oder Radeon Instinct MI25 mit Vega-GPU zu kennen, fällt es schwer zu erkennen, ob all diese Ziele erreicht werden konnten. Deutlich wird außerdem, dass AMD sich mit der Vega-10-GPU möglichst breit aufstellen möchte. Dazu geopfert werden musste die Effizienz, dies gibt auch AMD offen zu.
Nun kann sich jeder selbst ein Bild der aktuellen Situation machen und selbst entscheiden, ob die ersten beiden Vega-Ableger ein Erfolg sind oder nicht. Letztendlich entscheidet der Käufer darüber und wir werden erst in ein paar Wochen sehen, wie gut AMD die Radeon RX Vega 64 und Vega 56 absetzen kann. Zweifel an der Einhaltung der eigenen Ziele durch AMD sind aber sicherlich angebracht, egal wie der Hersteller dies nun darstellen möchte.
Ein Kommentar von Andreas Schilling. Die Ausführungen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der gesamten Redaktion wider.