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Fast allen Smartphones und Routern droht Verkaufsverbot in der EU

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Fast allen Smartphones und Routern droht Verkaufsverbot in der EU
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Die Europäische Union wird gerne als Beispiel genannt, wenn es um ausufernde Bürokratie und Ineffizienz geht. Schnell ufert die Diskussion in diesem Bezug aber in Stammtischparolen aus, ohne dass differenziert über die einzelnen Faktoren gesprochen wird. Eher verliert sich das Gespräch meist schnell in Einzelheiten und vermeintlich kleinkarierten Regelungen, etwa zur maximalen Laufzeit der Warmhalteplatten bei Kaffeemaschinen. Nun liefert die EU-Kommission neuen Zündstoff für Skeptiker: Aufgrund eines Versäumnisses könnte dieses Sommer ein weitreichendes Verkaufsverbot für die meisten Smartphones, Router aber auch Navigationsgeräte innerhalb der EU eintreten. Ursache ist, dass eine bestehende EU-Richtlinie ausläuft, welche bisher die Standards festgeschrieben hat. Es fehlt aber noch an einer neuen Norm, weil die Ausarbeitung sich verzögert hat.

Die deutsche Bundesregierung ist bereits besorgt: Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries hat die Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska bereits kontaktiert. In ihrem Schreiben mahnt sie: „ Nach Ablauf der Übergangsfrist werden ab Juni 2017 zahllose neue, innovative Produkte aufgrund fehlender Zulassungsnormen nicht auf den Markt gebracht. Alte Produkte von Tausenden europäischer Hersteller können nicht mehr verkauft und müssten vom Markt genommen werden. “ Dieses Szenario dürfte weder den Herstellern noch den Kunden sonderlich zusagen – steht aber aktuell im Raum. Laut Zypries gefährden die Versäumnisse der EU-Kommission Arbeitsplätze in Unternehmen der Elektro- und Elektronikindustrie sowie im Handel.

Entstanden ist das Problem, weil die Kommission zwar eine neue Richtlinie (2014/53/EU) bzw. Radio Equipment Directive (RED) 2014 beschlossen hat, welche seit Juni 2016 formell gilt, jene aber viel zu vage sei. Denn in der Richtlinie wird nichts zur Bauweise der Geräte gesagt. Damit beschäftigen sich vielmehr die harmonisierten Europäischen Normen (hEN). Jene Normen wiederum werden von der europäischen Normungsorganisation ETSI verabschiedet, welche aber um Monate hinter dem Zeitplan liegt. Die deutsche Bundesregierung sieht hier eine massive Fehlplanung der EU-Kommission. Laut Ministerin Zypries sei das „ Normungsmandat deutlich später als üblich – nämlich mehr als zwölf Monate nach Veröffentlichung der Richtlinie – an die ETSI ausgereicht worden “.

Am Ende sieht es nun so aus, dass die relevanten Normen fehlen: Etwa wird wohl die Baunorm ETSI EN 301 893 für Geräte mit 5-GHz-Wi-Fi frühestens im Herbst 2017 fertig sein. Deswegen dürften entsprechende Geräte ab Juni 2017 vorerst in der EU nicht mehr in den Handel gelangen. Bereits ausgelieferte Produkte müssten sogar aus den Regalen verschwinden. Die fehlenden Normen könnten nur umgangen werden, wenn die Hersteller jedes Modell einzeln zur Prüfung vorlegen und genehmigen lassen. Allerdings ist das natürlich ein kostspieliger Prozess, den sich nicht jeder Hersteller für jede seiner Produktreihen leisten kann. Dadurch könnte sich das Produktangebot auf große Hersteller mit den wichtigsten Modellen beschränken – für den Markt im Grunde ein Desaster. Lösungsvorschläge für diese Misere hat die EU-Kommission bisher noch nicht parat.

Aktuell sieht es so aus, dass sich EU-Kommission und ETSI gegenseitig die Schuld für das Problem geben, ohne dass es zu produktiven Ergebnissen kommt. Zypries hat vorgeschlagen die Übergangsfrist der alten Normen zu verlängern. Was am Ende genau geschehen wird, ist aktuell aber offen.