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Um es politisch unkorrekt zu formulieren: Das beste nach jeder großen Keynote sind die Jubelperser. Egal, was das Unternehmen ankündigt, man lobt das Gesehene und Gehörte in den Himmel und verteidigt diese Position dann so lange, bis es peinlich wird. Das konnte auch am späten gestern Abend nach der Eröffnung der diesjährigen Google I/O beobachtet werden.
Wie erwartet hatten Sundar Pichai und seine Mitarbeiter Säcke voller neuer Produkte und Ideen dabei. Was nach zwei Stunden aber klar war: Die Säcke hatte Google nicht selbst gefüllt, sondern in der Nachbarschaft gestohlen. Zu offensichtlich waren und sind die Parallelen zu Amazon, Facebook und Co, zu gering die echten Eigenentwicklungen.
Wer Google Home mitsamt Google Assistant für das Maß aller Dinger hält, kennt weder Echo noch Alexa. Die beiden von Amazon entwickelten Produkte sind hierzulande zwar noch nicht erhältlich, zeigen in den USA aber schon seit Monaten, wie ein digitaler Butler aussehen und funktionieren kann. Vielleicht nicht in dem Umfang, den Google gestern versprochen hat, aber bei Amazons Ehrgeiz wäre ein Vorsprung nicht von Dauer. Zumal da ja auch noch das Gerücht durch die Gegend schwirrt, dass Sonos Interesse an der Integration von Alexa haben soll. Wie kontextuell Assistant am Ende wirklich arbeiten wird, bleibt abzuwarten. Ein belastbares Beispiel blieb man gestern schuldig.
Was irgendwie auch für Allo und Duo gilt. Gefühlt bringt Google damit die Messenger Nummer 847 und 848 auf den Markt, die etwas können sollen, was kein anderer kann. Das trifft aber nur dann zu, wenn man im Anhäufen von Funktionen, die wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben, als Durchbruch bezeichnet. Schon jetzt gibt es zig Wege, Fotos kommentiert und sicher zu versenden, schon jetzt bieten Konkurrenten das Übermitteln von zeitlich begrenzt einsehbaren Nachrichten an. Die Integration von Assistant wirkt zunächst innovativ, aber auch hier bleibt abzuwarten, wie gut das System am Ende funktioniert. Neu ist das trotz eventuell vorhandener Qualität aber auch nicht. Einen verblüffend ähnlichen Ansatz verfolgt Facebook mit seinem Messenger, der vielleicht so etwas wie der eigentliche große Gewinner des gestrigen Abends sein könnte.
Und dann waren da auch noch die Instant Apps. Statt große Anwendungen, die eventuell nur ein- oder zweimal genutzt werden, komplett herunterzuladen und zu installieren, sollen kleine Module beinahe ohne Verzögerung an ihre Stelle treten. Klingt gut, nur war Googles Beispiel extrem ungünstig gewählt. Das Bezahlen der Parkgebühr könnte man auch einfach über eine schlicht gehaltene Webseite realisieren, die mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit schneller als eine Instant App lädt.
Ganz unten am Boden eines Sacks hatte Google dann aber doch etwas Bemerkenswertes. Die vorgestellte eigene TPU könnte Druck auf so manchen Chip-Hersteller und -Entwickler ausüben und gleichzeitig dem Deep Learning deutlich mehr Schwung verpassen. Sexy ist das nicht, weshalb Google diesem Produkt nur sehr wenig Aufmerksamkeit schenkte und die meisten Fans es schlicht ignorierten.