Nichicon PLG 2700µF / 4V vs. KEMET A750 2200µF / 16V
Einleitung
Wie einige von euch hier sicherlich wissen, wurde bei früheren ReCap Listen gerne vom
2700er PLG in der 4 Volt Ausführung Gebrauch gemacht, sofern die Platzierung ausschließlich auf der Sekundärseite der Vcore Versorgung angedacht war und somit kein 5V Zerstörungsrisiko besteht. Wie sich dann bei Messreihen von mir und
@Stangelator herausstellte, ist die Kapazität der 2700er PLGs in HF Nutzung eher irgendwo im Bereich zwischen
2.200 – 2.400µF angesiedelt und somit längst nicht so attraktiv nah an den üblichen 3300er Originalcaps wie man es sich vielleicht gewünscht hat.
Im Vergleich zu den
KEMET A750 in 2200µF, welche gemessen reell in dem gleichen Bereich liegen, ergibt sich also rein aus Sicht der Kapazität kein wirklicher Vorteil in dem Bereich für die 2700er PLGs, die (Stand 17.02.2025) 2,41€ kosten, bzw.
2,87€ inkl. MwSt. im Gegensatz zu den 2200er KEMETs, die 1,25€ kosten, bzw.
1,48€ inkl. MwSt. – man zahlt also fast exakt den doppelten Preis aber sind die PLGs denn auch wirklich doppelt so gut in Sachen Glättung / Filterung?
Genau darum geht es in diesem Vergleich...
Testsetup:
Mainboard: ABIT AN7 – Sockel A / ca. 530 KHz Schaltfrequenz Sekundärseite
CPU: AMD Athlon XP 3200+ @ default, 1,65V
Netzteil: Corsair CX850M
Bestückung: 5x PLG 2700/4 & 5x A750 2200/16
Testsonde:
Die Testsonde ist ein Eigenkonstrukt, welches direkt auf das Barrel des Tastkopfes geschoben wird und über eine 5mm RM Platine rückseitig direkt zum Kondensator kontaktiert um zu vermeiden, dass durch lange Masseschleifen Störungen entstehen, die dann das Ergebnis verfälschen. Ich habe mir dafür extra PCBs fertigen lassen für die verschiedenen Rastermaße um problemlos im laufenden Betrieb proben zu können und möglichst wenig Störeinflüsse zu haben, die ansonsten wirklich extrem sind. Macht man solche Messungen z.B. mit dem Standard Tastkopf und Masseleitung ans Board o.ä., dann fangen wir alleine über diesen Loop tlw.
100mV und mehr an Störungen ein, die keine sinnvolle Messung ermöglichen.
Kandidat 1: Nichicon PLG 2700µF / 4V
Schauen wir uns zuerst mal das Signal als solches an mit einer ersten Messung zur Restwelligkeit an:
So sieht also das Vcore Signal auf dem AN7 aus – 1,65V im BIOS eingestellt. Wie wir sehen bilden die eingestellten 1,65V das untere Ende der reell anliegenden Spannung, während maximal ca. 1,67V gemessen werden. In der Peak to Peak Messung ergibt sich über 1.000 Messpunkte eine durchschnittliche Restwelligkeit von
ca. 22,7mV. Das ist tatsächlich schon sehr sauber und ein guter Wert, wenn wir uns vor Augen halten, dass die Original Bestückung aus
3300er KZG auf diesem Board eine
Restwelligkeit von ø 360mV gezeigt hat, aber darum geht es hier nun gar nicht
Schauen wir ins Histogramm:
Hier wird dann deutlich, dass die Abweichungen relativ gleichmäßig verteilt sind, es gibt kaum signifikante Abweichungen in eine der beiden Richtungen, bzw. über einen Messzeitraum von über 2.000 Samples gab es auch keine Ausreißer in irgendeine extreme Richtung. Die Filterleistung der PLGs ist also sehr solide und hier gibt es erstmal nichts zu meckern.
Schauen wir uns nun mal die Restwelligkeit etwas genauer an und gehen in der Sonde von der DC Abtastung in die
AC Abtastung, damit nur noch die Restwelligkeit übrig bleibt und wir deren Verhalten zum Nullpunkt in eine deutbare Relation setzen können:
Im AC Modus betrachtet ergibt sich nun das Bild, dass die Restwelligkeit in den
oberen Bereich deutlich geringer ist, als nach unten hin. Zur eingestellten Spannung ergeben sich bei den 2700er PLG also im Durchschnitt nur
etwa 8,5mV Ripple, welche oberhalb der eingestellten Spannung liegen, also quasi nicht der Rede Wert und schon gar kein Wert, der irgendeinem Stück Silizium bleibenden Schaden zufügen würde. Auch hier kurz im Vergleich angerissen sei, dass die
originalen KZGs hier im Durchschnitt
240mV Ripple über den eingestellten Wert aufwiesen, sprich wer die CPU mit sagen wir 1,70V betreibt, hätte ihr in den Peaks etwa um die
1,9-2,0V zugemutet

Das kann dann schonmal Chips degenerieren, aber back to topic...
Nach unten hin sehen wir hier im schlimmsten Falle ca. 15mV Abweichung, auch das ein solider Wert, der eindrücklich zeigt, dass die Kapazität hier völlig ausreichend ist um eine Spannungsversorgung zu gewährleisten, die keine großen Drops nach unten hin besitzt. Auch das ist wieder ein gutes Indiz dafür, dass die Kapazität hier bei den großen 3300er Caps hauptsächlich ein Beiprodukt war um den möglichst geringen ESR zu bekommen, weil es damals nicht anders ging. Eine Reduktion von 3300µF auf 2200µF zeigt hier keinerlei signifikante Spannungseinbrüche.
Auch hier ein kurzer Blick ins Histogramm:
Wie es die Messung zuvor schon andeutet, sehen wir hier die meisten Messpunkte im Bereich der 8,5mV angesiedelt, nur wenige Ausreißer die vereinzelt bis etwa 10mV hoch gehen, was absolut in Ordnung geht und eine sehr saubere Spannung darstellt.
Die PLGs machen also wirklich einen guten Job und sind aus der technischen Qualität gesehen über jeden Zweifel erhaben, auch wenn sie vielleicht bei der Kapazitätsangabe etwas geschummelt haben oder wir vielleicht nicht exakt die Laborbedingungen erreichen, bei denen sie für das Datenblatt den Wert ermittelt haben.
Schauen wir uns als nächstes die 2200er 16V KEMETs an:
Kandidat 2: KEMET A750 2200µF / 16V
Die KEMETs müssen jetzt zeigen, was sie für gerade Mal die Hälfte des Geldes zu leisten vermögen... Beginnen wir wieder mit der Messung in der Vcore DC Darstellung:
Auch hier liegen wieder 1000 Messpunkte als Grundlage zur Verfügung und wir sehen hier ebenfalls eine sehr gute Glättung der Vcore mit einer leichten Tendenz tlw. nach oben hin etwas über die 1,67V hinaus zu schießen, aber das ist wirklich
minimal. Nach unten hin bilden auch hier die eingestellten 1,65V die Baseline, was absolut zu erwarten war, schließlich sind die beiden Caps auch von der Kapazität her auf einem Niveau und dürften nach unten hin wenig Unterscheidung zeigen, was sich hier bestätigt. Wir sehen im Durchschnitt über die 1.000 Messpunkte
20,8mV Restwelligkeit und damit im
Durchschnitt sogar 2mV weniger als bei den PLGs. Es wird sich aber gleich noch zeigen wie sich das im Detail zusammensetzt.
Schauen wir erstmal wieder ins Histogramm:
Was hier nun direkt auffällt, wenn man beide Histogramme nebeneinander betrachtet:
Die
2700er PLG streuen über einen etwas kleineren Bereich von
21,4mV bis etwa 24,9mV während die
A750 zwischen
18,5mV und 25,8mV liegen. Es zeigt sich das Bild, dass es so wirkt, dass die A750 deutlich komprimierter in der Streuung sind als die PLGs und viel mehr Messpunkte sehr nah am Durchschnitt liegen, was aber hier nur daran liegt, dass die Ausreißer bei den KEMETs etwas größer sind und somit die Skalierung des Histrogramms auf der X Achse entsprechend komprimiert wirkt. In Summe betrachtet streuen die KEMETs etwas stärker.
Wir wechseln wieder in die AC Abtastung und betrachten die Restwelligkeit isoliert um den Nullpunkt herum:
Wieder mit 1.000 Messpunkten betrachtet zeigt sich bei dem A750 eine leicht andere Zusammensetzung der Restwelligkeit gegenüber der PLG. Während die PLG eine
Vtop im Durchschnitt von etwa
8,5mV hatten, zeigen die A750 hier eine obere Restwelligkeit von durchschnittlich
12,2mV mit Peaks bis bis 16,4mV während die PLGs Peaks von etwa
10,6mV hatten.
Die KEMET A750 sind also im Bereich der Filterung der Spannungsspitzen den PLGs
leicht unterlegen, im Durchschnitt um ca. 4mV, im Peak um knapp 6mV. All das ist aber
völlig unbedenklich, wenn man sich nochmal vergegenwärtigt, dass die
originalen Caps in den
Peaks 240mV an die CPU gefüttert haben
Betrachtet im Histogramm ergibt sich dann dieses Bild:
In über 2.000 Samples ergibt sich hier das gleiche Bild, mit etwas mehr Varianz als bei den PLGs und zeigt, dass die A750 im Durchschnitt geringfügig stärkere Peaks durchschlagen lassen als die PLGs, im Schnitt um die
12,2mV.
Zusammenfassung Messergebnisse:
Messung | PLG 2700µF / 4V | A750 2200µF / 16V |
Ripple gesamt vCore | ø 22,7mV / min. 21,4mV / max. 24,9mV | ø 20,8mV / min. 18,5mV / max. 26,6mV |
Ripple Vtop vCore | ø 8,5mV / min. 7,4mV / max. 10,6mV | ø 12,2mV / min. 10,2mV / max. 15,8mV |
Fazit:
Sind die PLG den fast doppelten Preis wirklich wert?
Nein! Sind sie definitiv nicht.
Im Detail betrachtet muss man den PLG natürlich zugestehen, dass sie im Durchschnitt die
qualitativ bessere Filterleistung haben, aber in Relation gesetzt zu dem Maßstab, von dem wir hier reden, ist der Unterschied zwar vorhanden, aber nicht von wirklicher Relevanz, da die Filterleistung der beiden Polymere ganzheitlich betrachtet
in beiden Fällen als sehr gut beschrieben werden kann, vor allem im Vergleich zu jeder Art von Originalbestückung, welche massiv schlechtere Werte aufweisen auf Grund von Alterung / Degeneration / Defekten.
Wer also bei ReCaps mit dem
16V 2200µF KEMET A750 zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen will und sowohl 3300µF 6,3V Caps wie Rubycon MBZ / Nichicon HM / UCC KZG..., welche sowohl primärseitig an 5V hängen können oder sekundärseitig nur die Vcore sehen, ist mit den KEMETs also gut beraten und hat einen recht universell einsetzbaren Cap in der Schublade, der halt nicht nur diese üblichen Verdächtigen ersetzen kann, sondern als einzelner Cap für Ultra-Low-ESR 2200µF 6,3V / 10V / 16V und die o.g. 3300er eingesetzt werden kann. Davon also ein paar mehr in der Schublade zu haben ist sicherlich kein verkehrter Gedanke und in Anbetracht des Preises und der erbrachten Leistung ist es ein
überragend gutes P/L Verhältnis, verglichen mit den PLGs.
Ich hoffe damit konnte ein bisschen mehr Licht auf die beiden Kondensatoren geworfen werden und das ein oder andere Gewissen nachhaltig beruhigt werden. Ich bekomme es ja häufig mit, dass sich in Anfragen für Replacements an den 2200ern manchmal gestoßen wird, aber völlig zu unrecht, wie ich hier nun nochmal darlegen wollte.
Für die Zukunft habe ich noch ein paar andere Testreihen geplant, u.a. auch solche, wo Panasonic FR / Rubycon ZLQ gegen Polymere ins Rennen geschickt werden um auch die verschiedenen Charakteristika für euch nochmal visuell und beschrieben aufzubereiten. Es bleibt spannend
Und nun weiterhin happy löting
