Abstract schrieb:Dieser Artikel belegt, dass die AMD RX 480 Grafikkarte die Leistungsvorgaben der PCI Express (PCIe) Spezifikation verletzt. Es werden mögliche Motive AMDs erörtert und in Aussicht gestellt, dass der für den 5. Juli angekündigte Treiber die Spieleleistung senkt.
Am 29.6.2016 war es soweit – AMD präsentierte mit der RX 480 den ersten Ableger der neuen Polaris Generation. Die Karte kann mit guten Leistungswerten aufwarten und hat nicht zuletzt aufgrund der üppigen 8GB Speicher viele Kaufempfehlungen eingefahren.
Einigen Redaktionen fiel bei der Verbrauchsmessung jedoch eine Ungereimtheit auf: Bereits ohne Übertaktung wird die angegeben TDP von 150W regelmäßig überschritten. Zudem genehmigt sich die Karte deutlich mehr Energie aus dem PCIe Steckplatz, als in der Spezifikation vorgesehen. Auch bleibt die Effizienz deutlich hinter den Werten zurück, welche AMD im Vorfeld kommuniziert hat.
Der Sachverhalt und die technischen Hintergründe werden in folgendem englischsprachigen Video gut zusammengefasst:
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Die Stromversorgung
Basierend auf den Analysen von PC Perspective lässt sich ableiten, dass die Stromversorgung für eine geringere Leistungsaufnahme ausgelegt ist. Dies soll an folgender Messung belegt werden:
Gut ist zu erkennen, dass die angegebene TDP von 150 Watt regelmäßig überschritten wird. Problematischer ist jedoch, dass der Steckplatz mit über 75 Watt belastet wird. Dieser stellt 5 Pins zur 12 Volt Stromversorgung bereit, welche bis jeweils 1,1 Ampere spezifiziert sind – insgesamt dürfen also maximal 66 Watt abgefordert werden. Dieser Wert wird dauerhaft überschritten. Dies ist besonders kritisch, da diese Begrenzung keine konservative Vorgabe seitens der PCIe Spezifikation, sondern eine herstellerseitige Beschränkung des Steckplatzes ist. Der sechspolige Stromanschluss wird mit bis zu 85 Watt belastet, wobei er gemäß PCIe Spezifikation bis zu 75 Watt zur Verfügung stellen darf. Dies ist weitaus weniger problematisch, da der Stecker selbst für deutlich höhere Leistungen ausgelegt ist und seinen Strom direkt vom Netzteil bezieht.
Was außerdem auffällig, ist der sehr ähnliche Verlauf der beiden Teillasten. Interessant wäre, eine Widerstandsmessung von Steckplatz zu Stromstecker durchzuführen – ist diese niederohmig, ließe sich schlussfolgern, dass beide Versorgungen auf der Karte gekoppelt sind. Schaltungstechnisch ist dies durchaus sinnvoll. Indem die Leistung gleichmäßig verteilt wird, werden die einzelnen Verbindungen minimal belastet und die Verluste möglichst geringgehalten. Eine Folge ist jedoch, dass sich weder per Treiber, noch per Biosupdate das Verhältnis „Leistungsaufnahme Steckplatz zu Leistungsaufnahme Stromstecker“ ändern ließe. Da mir keine Karte vorliegt, kann ich den Nachweis nicht erbringen., nehme dies jedoch für diesen Artikel an.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Stromversorgung bis zu einer Gesamtlast von 132 Watt (66 Watt je Teillast) einwandfrei funktioniert. Da die RX 480 eine höhere Leistung abfordert, wird der PCIe Standard verletzt.
Mögliche Motive
Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass AMD geplant hat, die PCIe Spezifikation zu verletzen. Auch war in früheren Leaks (wie beispielsweise zur Computex) die Rede von 110 bis 135 Watt. In Hinblick auf die Stromversorgung ist davon auszugehen, dass diese Angaben zum damaligen Zeitpunkt korrekt waren. Warum also eine solche Entscheidung, welche in einem PR Desaster enden kann?
Es gibt im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Es wurde kurz vor Release beschlossen, die Karte in einem anderen Marktsegment zu positionieren. Oder der Chip erfüllt die Erwartungen nicht. Schon länger wurde die Karte als „VR für Jedermann“ beworben – also einen günstigen Einstieg in VR taugliche Systeme. Dabei wurde als Untergrenze die AMD R9 390 bzw. Nvidia GTX 970 genannt. Zu erwarten war also, dass die RX 480 eine Leistung etwas oberhalb dieser Karten erreicht. Wie aktuelle Benchmarks zeigen, positioniert sich die neue Karte leistungstechnisch genau dort. Wahrscheinlicher ist also, dass sich AMD mit dem gleichzeitigen Architektur- und Fertigungswechsel übernommen hat.
Dabei ist dies ein durchaus bekanntes Problem. Intel setzte von 2007 bis 2016 auf ein „Tick-Tock“ Modell, bei welchem abwechselnd die Architektur und die Fertigung geändert werden. Fehler lassen sich also einer der beiden Ursachen zuordnen. Probleme bei einem gleichzeitigen Wechsel können verehrend sein, wie Nvidia mit der „Thermi“ getauften Generation lernen musste. Damals hat es AMD besser gemacht und mit einer Mittelklassenkarte (HD 4770) zunächst Erfahrungen mit dem neuen Prozess gesammelt. Dies kann als einer der Gründe für den großen Erfolg der folgenden Serie angesehen werden.
Jetzt ist die Situation jedoch eine andere. Beide großen Grafikkartenhersteller mussten lange den 28 nm Prozess nutzen, da sich die kleineren Verfahren immer wieder verzögerten. Hierbei hatte der Konkurrent Nvidia stets die Nase vorn und eine höhere Spieleleistung bei geringerem Verbrauch geboten. Mit dem Sprung auf 16nm und verhältnismäßig kleinen Architekturänderungen wurde zudem eine sehr leistungsfähige und zugleich sparsame Architektur namens Pascal vorgestellt. Die RX Serie von AMD kann mit der HD 4770 verglichen werden. Bevor gegen Ende des Jahres die großen Chips vorgestellt werden, soll mit der Mittelklasse erste Erfahrungen gesammelt werden. Jedoch spielt AMD mit einem höheren Einsatz und hat anstatt einer Karte gleich ein ganzes Lineup vorgestellt. Dies kann nun zum Problem werden.
Ausblick
Die früheren Leaks und die Auslegung der Spannungsversorgung belegen, dass Polaris unerwartet viel Strom verbraucht. Dies lässt ein Problem auf Siliziumebene befürchten. Nun hat AMD mitgeteilt, eine Lösung per Treiber zur Verfügung zu stellen. Dabei muss die Leistungsaufnahme deutlich gesenkt werden – angeblich geschieht dies ohne Minderung der Spieleleistung. Am 5.7. wird sich jede Redaktion mit entsprechendem Equipment auf die RX 480 mit neuem Treiber stürzen und die Leistungsaufnahme genauestens untersuchen. Selbst kleinste Unstimmigkeiten werden durch die Medien gehen. AMD muss also innerhalb der Spezifikation bleiben, wenn sie kein gigantisches PR Desaster verursachen wollen. Dabei gibt es nur die Möglichkeit, die Gesamtleistungsaufnahme der Karte unter 132 Watt zu senken. Könnte AMD dies ohne Einbußen in der Spieleleistung, hätten sie des bereits im Release Treiber implementiert. Dass hingegen die letzten Tage derart bahnbrechende Erkenntnisse geliefert haben, halte ich für unglaubwürdig.
Es gibt jedoch zwei Lichtblicke. Zum einen könnte AMD entgegen meiner Annahme die Möglichkeit haben, die Leistungsaufnahme von Steckplatz und Stromstecker getrennt zu beeinflussen. Ein neuer Treiber könnte also sicherstellen, dass der Steckplatz nicht überbelastet wird und die benötigte Energie über den Stromstecker beziehen. Dass dieser außerhalb der PCIe Spezifikation betrieben würde, ist wie oben erläutert verhältnismäßig unbedenklich. Zum anderen ist es nicht unüblich, dass die Spieleleistung über die gesamte Produktlebensdauer aufgrund von Treiberverbesserungen erheblich zunimmt. Auch der Hersteller muss zunächst Erfahrungen mit seiner Hardware sammeln und herausfinden, wie diese perfekt in Spielen genutzt werden kann. Also selbst wenn ein übermorgen veröffentlichter Treiber die Spieleleistung zunächst senkt, dürfte diese über die nächsten Monate wieder zurückgewonnen werden.
Abschließend bleibt zu hoffen, dass AMD die eigentliche Ursache gefunden hat und der Fehler bei dem großen "Vega" Chip behoben ist.