Neuer Sensor, altes Fazit
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Wie ein roter Faden zieht sich die leichte Kritik an der Kameraqualität durch die Tests der letzten Huawei-Smartphones. Ob nun beim Ascend Mate 7, beim P8 oder beim Mate S: Die Aufnahmen fielen zwar überdurchschnittlich gut aus, ein Kaufargument waren sie aber nicht. Beim Mate 8 geht man zumindest in puncto Hardware einen neuen Weg. Denn der fast schon altbekannte Hauptsensor mit seinen 13 Megapixeln wurde abgelöst, auf der Rückseite steht nun ein neues Modell mit 16 Megapixeln bereit. Der IMX298 wird wie schon der bisher verwendete IMX258 von Sony bezogen und fällt mit 1/2,8 Zoll minimal größer aus (IMX258: 1/3,06 Zoll), die Pixel bleiben hingegen bei 1,12 ?m. Ob es sich erneut um eine RGBW-Matrix, die eine bessere Helligkeitserkennung verspricht, handelt, ist unklar. Entsprechende Daten hat Sony bislang nicht veröffentlicht.
Offen kommuniziert werden hingegen die weiteren technischen Details. So vertraut man auf einen Drei-Achsen-Stabilisator, der sich um bis zu 1,5° bewegen kann, sowie einen neuen ISP, der die generelle Bildqualität verbessern soll. Die Rechenleistung ermöglicht die Aufnahme von bis zu zwölf Fotos pro Sekunde, bei Videos ist das Limit hingegen trotz aller Neuerungen wieder bei Full HD erreicht. Immerhin werden diese mit 60 fps aufgezeichnet, bei reduzierter Auflösung (1.280 x 720 Pixel) sogar mit 120 fps. Dank überarbeitetem Autofokus erfolgt eine schnellere Scharfstellung, der einfache LED-Blitz musste einer True-Tone-Lösung mit zwei Dioden weichen.
Gelohnt hat sich der Wechsel der Hardware aber nur bedingt. Zwar bieten die Aufnahmen des Mate 8 mehr Details als die des Ascend Mate 7, von der Qualität eines Galaxy S6 Edge+ oder iPhone 6s Plus ist man aber ein sichtbares Stück entfernt. Zwar bleiben Helligkeits- und Farbunterschiede gut erhalten, stellenweise wirken größere Flächen aber leicht verwaschen. Dieser Effekt ist vor allem bei schlechten Lichtverhältnissen zu beobachten. Das Bildrauschen hält sich hingegen in Grenzen, erst spät tritt dieser Makel in Erscheinung. Ein anderes Problem betrifft ebenfalls Aufnahmen unter nicht optimalen Bedingungen. So ist beispielsweise in der Dämmerung zu beobachten, dass der Autofokus vergleichsweise viel Licht benötigt.
Bei Video-Aufnahmen treten die gleichen Stärken und Schwächen auf, die 8-Megapixel-Frontkamera schneidet hingegen in Summe etwas besser ab. Den Vergleich mit der Konkurrenz muss sie nicht scheuen, auch wenn wenig Licht gleichbedeutend mit qualitativ schwachen Fotos ist.
Leider kaum angefasst hat Huawei die Kamera-Applikation. Deren Aufbau ist inzwischen bekannt, vor allem die Übersichtlichkeit sowie die einfache Bedienung gefallen. Einen Minuspunkt gibt es hingegen wieder für die fehlende HDR-Automatik, Lob verdienen hingegen die verfügbaren Modi inklusive Profi-Modus und Lichtmalerei. Der letztere ermöglicht mit etwas Übung faszinierende Bilder.
Neuer Kern, alte Schale
So neu die Technik ist, so alt ist das Gehäuse. Das könnte man zumindest denken, wenn man Mate 8 und Ascend Mate 7 nebeneinanderlegt. Nicht nur, dass das neue Modell - 157,1 x 80,6 x 7,9 mm - beinahe über die gleichen Maße wie der Vorgänger - 157,0 x 81,0 x 7,9 mm - verfügt, auch das Design wurde nahezu 1:1 übernommen.
Es bleibt also bei einem eher nüchternen Erscheinungsbild, bei dem man sich auf das Wesentliche konzentriert hat: Die Front ziert lediglich der Herstellerschriftzug, auf der Rückseite sind lediglich Kamera und Fingerabdrucksensor auffällig. Wer genau hinschaut, kann aber dennoch kleine, aber feine Unterschiede zwischen beiden Generationen erkennen. Der Lautsprecher auf der Front ist etwas schmaler, der Mono-Lautsprecher für die Freisprechfunktion ist von der Rückseite an den unteren Rand gewandert, Hauptkamera und Fingerabdrucksensor sind nun rund und nicht mehr (fast) quadratisch.
Geblieben sind die Platzierungen der Tasten für Standby und Lautstärke am rechten Rand, die Unterbringung der Audio-Buchse am oberen Rand sowie der Einsatz von viel Aluminium. Ebenfalls vom Ascend Mate 7 kennt man die schmalen Antennenisolatoren sowie die hervorragende Verarbeitung. In diesem Punkt leistet sich Huawei keinerlei Schwäche, selbst der SIM-Kartenträger ist nahtlos eingefügt.
Bedingt durch die kaum veränderte Größe schneidet das Mate 8 in Hinblick auf die Ergonomie wie der Vorgänger ab. Trotz diverser Hilfestellungen ist die Bedienung mit nur einer Hand nicht möglich, mit kleinen Händen wird selbst das Halten schon schwierig - vor allem, da Rahmen und Rückseite nur wenig Halt bieten und es bei 185 g bleibt. Positiv anzumerken sind die gute Platzierung der Tasten und die überdurchschnittliche Ausnutzung der Front, mehr als 78 % werden vom Display eingenommen.
Überarbeitete Software mit Kürzungen
Zuletzt eher träge bei der Nutzung neuer Android-Versionen, zeigt sich Huawei beim Mate 8 von der schnellen Sorte. Denn als Grundlage dient Android 6.0, wie üblich kommt aber auch eine eigene Erweiterung zum Einsatz. Hier verspricht der Sprung von EMUI 3.1 - das unter anderem auf dem Mate S zum Einsatz kommt - auf 4.0 eine ganze Menge an Änderungen. Tatsächlich aber kann man nur von kleineren Retuschen sprechen.
Optisch hat sich zunächst einmal kaum etwas getan. Die Oberfläche erinnert in bestimmten Bereichen wieder an iOS, vor allem bei der Darstellung installierter Apps oder innerhalb der Kamera-Applikation. Neu ist diesbezüglich, dass man sich nun auch beim Task Manager leicht an Apple orientiert, was die Bedienung im Vergleich zur früheren Version deutlich vereinfacht.
An anderen Stellen sind die Überarbeitungen weniger offensichtlich. Die Benachrichtigungszentrale verfügt nun auf Wunsch über ein geringes Maß an Intelligenz. Wartet hier eine neue Information wird der Reiter Benachrichtigungen beim Herunterziehen der Leiste automatisch eingeblendet. Ist die Liste hingegen leer, blendet das System die Verknüpfungen zu den wichtigsten Systemeinstellungen ein. Huawei-Kenner dürften sich zudem über die weitaus weniger aufdringliche „Stromverbrauchs-Firewall“ freuen. Bis zuletzt entpuppte sich diese als lernresistent, die neue Version verhielt sich zumindest im Test sehr zurückhaltend.
Vom Mate S übernommen hat man die erweiterte Bedienung per Fingerknöchel. Damit lassen sich vorher festgelegte Programme öffnen, die Kamera starten oder der Multi-Fenster-Modus starten. Gestrichen hat man hingegen Teile der Bedienung per Fingerabdruck-Sensor. Dieser fällt kleiner als beim Ascend Mate 7 aus, arbeitet aber grundsätzlich schneller, kann aber beispielsweise nicht mehr für das Ein- und Ausblenden der Benachrichtigungszentrale verwendet werden.
Wer das Mate 8 mitunter auch für produktive Zwecke nutzen will, dürfte sich hingegen über zwei vom Mate S übernommene Funktionen freuen. Denn sowohl die dort schon überzeugende Sprachrekorder-Funktion als auch die Dokumentenaufnahme innerhalb der Kamera-App stehen zur Verfügung. Mit Hilfe letzterer können zum Beispiel Tafelbilder, Briefe oder Visitenkarten fotografiert werden, die Software sorgt im Anschluss für die richtige Anpassung und Auswertung.
Unter der Oberfläche wurde ebenfalls Hand angelegt. Denn die Reaktionszeiten fallen spürbar kürzer aus, was zum Teil aber auch dem neuen SoC geschuldet sein dürfte.
Fazit
Schon beim Ascend Mate 7 fiel es schwer, eine eindeutige Bewertung vorzunehmen. Denn der hohen Leistung und den guten Laufzeiten standen die in Teilen veraltete Ausstattung, die Größe und das Gewicht gegenüber. Das führte am Ende zu der Bewertung „Gut, aber…“ sowie einer besonderen Auszeichnung einiger Komponenten. Ähnlich sieht es beim Mate 8 aus, denn auch hier ist vieles gut, teilweise sogar sehr gut, einige wenige Schnitzer machen eine allgemeine Empfehlung aber unmöglich.
Dazu gehört nicht nur das hohe Gewicht, sondern in erster Linie das Display. Für sich betrachtet weiß das durchaus zu gefallen, Helligkeit und Farbdarstellung liegen klar im guten Bereich, die Auflösung reicht im Alltag zudem fast immer aus. Doch unabhängig vom tatsächlichen Nutzen darf man angesichts des Preises mehr Pixel erwarten - beim Nexus 6P hat das auch geklappt. Der zweite große Kritikpunkt betrifft ausgerechnet den Kirin 950. Der derzeit schnellste im Android-Lager verfügbare SoC überzeugt mit seiner satten Leistung, für Kopfschütteln sorgen aber brachliegende Funktionen wie USB Typ-C oder UFS 2.0.
Wer mit der genannten Kritik leben kann, darf sich über sehr gute Laufzeiten, die bereits erwähnte hohe Leistung und die exzellente Verarbeitung freuen. Abgerundet wird der insgesamt gute Eindruck von Funktionen wie der Bedienung per Fingerknöchel oder dem zuverlässig und schnell arbeitenden Fingerabdrucksensor. Die fast vollständige Ausstattung sorgt für einen weiteren Pluspunkt, die Kamera ist - wie schon beim Vorgänger - trotz der Verbesserungen kein zwingendes Argument, das für einen Kauf spricht.
Mit welchen Smartphones das Mate 8 konkurriert, hängt stark von den eigenen Bedürfnissen ab. Soll das Display so groß wie möglich sein, bleibt lediglich das Nexus 6 für etwa 390 Euro übrig. Darf die Anzeige etwas kleiner, die Ausstattung aber ähnlich aktuell sein, werden das Galaxy S6 edge+ für etwa 640 Euro sowie das Galaxy Note 4 für rund 450 Euro interessant, ebenso das Nexus 6P für knapp 600 Euro.
Positive Eindrücke des Huawei Mate 8:
- Speicher erweiterbar
- hohe Systemleistung
- sehr gute Akkulaufzeiten
- hervorragend verarbeitet
- aktuelle Android-Version
Negative Eindrücke des Huawei Mate 8:
- Akku fest verbaut
- nicht alle Vorteile des SoCs werden genutzt
- hohes Gewicht
Persönliche Meinung
Wer viel Geld ausgibt, darf einen gewissen Gegenwert erwarten. Das ist bei einem Smartphone nicht anders als bei einem Notebook oder einem Fernseher. Die Frage ist am Ende lediglich, wie man diesen Gegenwert bemessen will. Ist es eine möglichst hohe Auflösung? Die in allen Punkten aktuellste Technik? Oder die beste Kamera? Wie das Urteil am Ende ausfällt, hängt von den persönlichen Vorlieben und Anforderungen ab.
Genau das macht die Bewertung des Mate 8 aber so schwer. Denn objektiv betrachtet erhält man mit dem großen Smartphone ein in Summe gutes, aber kein überragendes Gerät. Doch abseits der Macken bietet es teilweise Bestleistungen, nach denen so mancher zunächst gar nicht sucht, sie schon nach kurzer Zeit nicht mehr missen möchte.
Was aber wichtiger ist: Huawei zeigt eindeutig, dass man technische Innovationen nicht allein Samsung oder Apple überlassen will und man schnell lernt. Das Ergebnis ist das bislang beste Smartphone der Chinesen, das zudem Lust auf mehr macht.
Denn schafft man es, die Leistung des Kirin 950 mit einem kleineren Gehäuse und einer besseren Kamera zu paaren, dürfte der Druck auf die etablierten Anbieter weiter und vor allem schneller wachsen. Ein im Frühjahr vorgestelltes und zeitnah auf den Markt gebrachtes P9 könnte so die Verkaufsbilanz eines Samsung Galaxy S7 oder LG G5 kräftig verhageln.