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Groß, größer, Mate: Während nahezu alle Hersteller 5,7 oder etwas weniger Zoll inzwischen als eine Art Obergrenze für ihre Smartphones ansehen, bleibt Huawei dem Motto „Größer ist besser“ treu. Denn auf das bereits 6 Zoll große Ascend Mate 7 folgt nun das überfällige Mate 8 mit der gleichen Diagonale. Abgesehen davon hat sich aber vieles verändert, wie der Test zeigt.
Mit einem Nachfolger des im September 2014 gezeigten Ascend Mate 7 wurde eigentlich schon auf der letztjährigen IFA gerechnet. Doch stattdessen zeigte man mit dem Mate S einen für Huawei eher ungewöhnlichen Ableger, der sich am Ende als eine Art Versuchsballon entpuppte. Ein überraschend hoher Preis, eine zuletzt eher vernachlässigte Bildschirmgröße und diverse neue Software-Funktionen - das Experiment Mate S konnte am Ende nicht ganz überzeugen. Da dürfte es ein Vorteil sein, dass das Mate 8 etwas bodenständiger ausgerichtet ist.
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Auf eine Unsitte hätte man aber gerne verzichten können. Denn insgesamt wird es drei verschiedene Konfigurationen des Smartphones geben, die sich nicht nur hinsichtlich der abgedeckten Frequenzbereiche, sondern auch beim RAM (3 oder 4 GB) und internen Speicher (32 oder 64 GB) unterscheiden. Zur Verfügung stand das Standardmodell mit 3 und 32 GB, für das unverbindliche 599 Euro verlangt werden.
Das Display weckt Erinnerungen
Mit dem Nexus 6P wich Huawei von seinem eigenen Credo ab, dass bei einem Smartphone mehr als Full HD keinen Vorteil bieten würde. Insofern irritiert es zunächst, dass man sich beim Mate 8 wieder daran erinnert hat. Damit bietet das neue Modell mit 6 Zoll nicht nur die gleiche Größe wie der Vorgänger, sondern mit 1.920 x 1.080 Pixeln auch die gleiche Auflösung. Die daraus resultierenden 367 ppi sind im Alltag in nahezu allen Fällen ausreichend, sie dürften jedoch die Debatte bezüglich der Ausstattung eines teuren Handys befeuern.
Angesichts der Messwerte spricht vieles zudem dafür, dass nicht nur die Eckdaten, sondern gleich das ganze Panel beibehalten wurde. Erneut handelt es sich um eine IPS-Neo-Lösung, die in der Spitze eine Helligkeit von 424 cd/m² sowie ein Kontrastverhältnis von 1.488:1 erreicht. Zum Vergleich: Das Ascend Mate 7 brachte es im Test auf 427 cd/m² und 1.348:1. Ein weiteres Indiz ist die Farbtemperatur, die beim Vorgänger bei etwa 7.200 Kelvin lag. Das Mate 8 erreicht hier im besten Fall rund 7.360 Kelvin, was sich in einem Blaustich bei weißen Inhalten bemerkbar macht. Dennoch erscheinen Farben weitestgehend neutral.
Kirin 950: Viel Leistung, aber nicht alles wird abgerufen
Auf eine eindeutige Neuheit greift Huawei beim SoC zurück. Während das Mate S sich mit dem im Kern betagten Kirin 935 begnügen musste, kommt im Mate 8 der Kirin 950 erstmals zum Einsatz. Auch dabei handelt es sich um einen Octa-Core-Chip, es werden aber nicht mehr nur CPU-Kerne des Typs Cortex-A53 verbaut. Stattdessen beschränkt Huawei deren Arbeitsgebiet auf das langsamere der beiden Cluster, im schnelleren dürfen sich hingegen Cortex-A72-Kerne austoben. Das vor knapp einem Jahr von ARM vorgestellte Modell löst nicht nur den Cortex-A15 ab, sondern soll auch den deutlich jüngeren Cortex-A57 ein Stück weit obsolet machen. Gegenüber ersteren soll die Leistung um bis zu Faktor 3,5 höher sein, gegenüber letzterem wird sie in etwa verdoppelt. Dank ARMv8-Architektur sind sie 64-Bit-kompatibel, in SoCs mit Big.Little-Konzept kann ihnen - wie beim Kirin 950 der Fall - der Cortex-A53 zur Seite gestellt werden. Dass die Performance deutlich größer als bei bisherigen Chips ausfällt, liegt zu einem guten Teil aber auch an den Taktraten. Denn Huawei treibt das Cortex-A72-Cluster auf bis zu 2,3 GHz, die Cortex-A53-Kerne erreichen immerhin noch 1,8 GHz.
Was das am Ende bringt, zeigt unter anderem Geekbench 3. Hier erreicht der Kirin 950 eine maximale Einzelkernleistung von rund 1.700 Punkten, was deutlich mehr als beim Exynos 7420 des Samsung Galaxy S6 Edge+ ist; hier reichte es nur für knapp 1.500 Punkte. In dieser Disziplin geschlagen geben muss sich Huaweis Chip nur dem Snapdragon 820. Dieser konnte im Entwickler-Smartphone mit einem Kern mehr als 2.200 Punkte erreichen. In der Gesamtwertung zieht das Mate 8 aber auch an diesem vorbei, insgesamt reicht es für gut 6.200 Punkte. Als Bestätigung dient AnTuTu 5, auch hier setzt sich der Kirin 950 in puncto CPU-Leistung an die Spitze unserer Rangliste.
Ein kleines Stück nach hinten rutscht das Mate 8 aber, wenn es um die reine GPU- oder die kombinierte CPU- und GPU-Leistung geht. Denn die verwendete Mali-T880 in der Ausbaustufe MP4 ist zwar ebenfalls neu und das aktuelle Aushängeschild der Chip-Schmiede ARM, doch der Vorgänger Mali-T760 konnte in den vergangenen Monaten teils noch bessere Werte erzielen - allerdings lediglich aufgrund höherer Ausbaustufen wie unter anderem im Galaxy S6 Edge+ (MP8). Rund 19.000 Punkte im 3DMark (Ice Storm Unlimited) sowie 18 und 42 Bilder pro Sekunde im GFXBench 3 (Manhattan Offscreen/T-Rex Offscreen) sind aber dennoch hervorragende Werte. Der Snapdragon 820 erreichte hier annähernd 25.000 Punkte sowie 29 und 85 Bilder pro Sekunde und dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit und in Form von Seriengeräten am Ende diese Nase vorn haben. Wie groß der Vorsprung sein könnte, lässt AnTuTu 6 erahnen. Hier liegt Qualcomm mit 131.000 Punkten in der Gesamtwertung klar vor Huawei (91.000 Punkte).
Im Alltag macht das keinen Unterschied. Denn in nicht einer Situation war Ruckler, Hänger oder auffällige Ladezeiten zu beobachten.
Endlich schnelles WLAN
Aber der Kirin 950 soll nicht nur aufgrund der hohen Leistung ein Argument für den Kauf des Mate 8 sein, auch die Funktionen der zweiten Reihe sollen überzeugen. An erster Stelle stehen da bei einem Smartphone die Funkverbindungen. In Mobilfunknetzen wird maximal LTE Cat 6 mit bis zu 300 Mbit pro Sekunde unterstützt, daheim und an Hotspots steht endlich schnelles WLAN (802.11ac) zur Verfügung; der Verzicht auf den ac-Standard sorgte nicht nur beim Mate S oder P8 für Minuspunkte. Komplettiert wird das Angebot drahtloser Schnittstellen von Bluetooth 4.2 und NFC.
Seit dem Start der Galaxy-S6-Reihe steht auch die Anbindung des internen Speichers stärker im Scheinwerferlicht. Wer beim Mate 8 angesichts des microSD-Slots sowie der UFS-2.0-Tauglichkeit des SoCs glaubt, Huawei hätte die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau geschaffen und Samsung einen Seitenhieb verpasst, der irrt jedoch. Denn im Smartphone steckt nur der langsamere eMMC-Speicher, UFS 2.0 liegt damit brach. Immerhin werden vergleichsweise schnelle Speicherkarten unterstützt, selbst UHS-II-Karten sollen ausgereizt werden. Keinen Nutzen haben Käufer vom USB-3.0-Interface des Chips. Denn das Mate 8 verfügt lediglich über einen Micro-USB-2.0-Port.
Die beiden wichtigsten fehlenden Fakten: Der Kirin 950 kann mit LPDDR4-RAM umgehen und die Fertigung im 16-nm-FinFET-Plus-Verfahren verspricht Genügsamkeit im Umgang mit Energie.
Dual-SIM mit Einschränkungen
Beim Telefonieren und Surfen profitiert man von den guten Sende- und Empfangseigenschaften des Mate 8, im Test kam es auch unter schwierigen Bedingungen zu keinerlei Verbindungsabbrüchen - das LTE-Netz musste erst sehr spät zugunsten einer 3G-Verbindung verlassen werden. Auf einem ähnlich guten Niveau bewegt sich die Gesprächsqualität. Lautstärke und Klang des Lautsprechers überzeugten ebenso wie die Unterdrückung störender Nebengeräusche. Der für das Freisprechen vorgesehene Mono-Lautsprecher am unteren Rand erreicht einen hohen Pegel, ab einer Volumen-Einstellung von etwa 75 % treten jedoch erste Verzerrungen auf.
Wer die Dual-SIM-Funktion des Mate 8 nutzen will, muss nicht nur auf die Erweiterung des Speichers per microSD-Karte verzichten, sondern auch genau wissen, welche SIM-Karte welche Funktion übernehmen soll. Denn nur eine kann auf 3G- und 4-G-Netze zugreifen, zudem kann grundsätzlich nur eine für die Übertragung von Daten freigegeben werden.
Seltener Gast an der Steckdose
Fragt man einen Nutzer des Ascend Mate 7, welche Fähigkeit sich als die wichtigste entpuppt hat, dürfte die Antwort in den meisten Fällen „Die Laufzeit!“ lauten. Denn mit 4.100 mAh bietet das knapp eineinhalb Jahre alte Smartphone auch heute noch eine überdurchschnittliche Ausdauer - die Messlatte für das Mate 8 liegt also hoch. Ein Blick auf das Datenblatt lässt jedoch hoffen, dass noch bessere Werte möglich sein könnten. Zwar hat Huawei den Akku leicht auf 4.000 mAh verkleinert, das neue Fertigungsverfahren beim SoC sowie der sparsamere RAM sprechen jedoch für ein Plus. Zudem konnte Android 6 bereits unter Beweis stellen, dass die von Google integrierten Energiesparmaßnahmen wirksam sein können.
Doch zunächst macht sich etwas Enttäuschung breit. Denn in der Video-Schleife mit einer wie üblich auf 200 cd/m² eingestellten Helligkeit hielt das Mate 8 nur knapp 11,5 Stunden durch, der Vorgänger erreichte rund eine Stunde mehr. Aufatmen lässt einen dann aber der in PCMark integrierte Test. Hier kann das Smartphone mit glatt neun Stunden einen neuen Bestwert aufstellen.
Im wichtigeren Praxiseinsatz offenbart das Mate 8 dann seine wahren Qualitäten. Denn trotz längerer Surf-Sessions per WLAN und LTE, diversen Telefonaten und E-Mail-Abgleich hielt es gut 3,5 Tage und damit etwa zehn Stunden länger als der Vorgänger durch - bedingt vor allem durch Android 6.0, das den Energiebedarf im Standby spürbar senkt.
Die zunächst gegensätzlich wirkenden Messungen in PCMark und der Video-Schleife erklärt das Betriebssystem nicht. Hier hilft jedoch ein kurzer Blick auf die beiden größten Abnehmer, das Display und den SoC. Ersteres wird vor allem dann zu einer Art Problem, wenn vergleichsweise wenig Leistung benötigt wird, der Bildschirm jedoch permanent oder zumindest für längere Zeit eingeschaltet ist. Denn bedingt durch die Größe belastet die Hintergrundbeleuchtung die Bilanz, was sich jedoch weniger bemerkbar macht, wenn der Kirin 950 mehr zu tun bekommt. Ein kleineres Display würde zwar für ein noch besseres Ergebnis sorgen, die relative Verbesserung würde mit hoher Wahrscheinlichkeit aber geringer als in Szenarien wie der Video-Schleife ausfallen.
Für den sogenannten Power-Nutzer nicht uninteressant dürfte das Wiederaufladen sein. Zwar hat Huawei den Akku erneut fest verbaut und auf Wireless Charging verzichtet, dank Quick Charge - das mitglieferter Netzteil liefert maximal 18 W - kann der Energiespeicher aber innerhalb von etwa 2,5 Stunden wieder voll geladen werden; die Herstellerangabe stimmt diesbezüglich also.