Die App fasst alle Möglichkeiten zusammen
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Das P9 nutzte Huawei im Frühjahr, um eine neue Kamera-Applikation zu starten. Von den bis dahin genutzten Lösungen wich die neue Software deutlich ab, nötig war der Sprung aber nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Neuerungen. Beim Mate 9 war dies nicht nötig, hier und da gibt es aber zumindest kleinere Änderungen - man kann also von einer sehr sanften Evolution sprechen. Somit bleibt es dabei, dass der erste Schnappschuss schnell getätigt werden, bis zum Ausschöpfen aller Möglichkeiten aber ein wenig Zeit vergehen kann.
Ein Wisch nach rechts (jeweils vom Hauptbildschirm im Landscape-Modus betrachtet) blendet die verfügbaren Modi ein, ein Wisch nach links die jeweils möglichen Zusatzfunktionen. Dazu gehören beispielsweise das Speichern eines GPS-Tags, das Aktiveren die Objektverfolgung durch den Autofokus oder aber das simple Einblenden eines Kamerarasters. Ebenso können Fotogröße (in Megapixel) und Bildformat respektive die Video-Auflösung gewählt werden.
Am linken Bildrand warten schließlich noch die Optionen für LED-Blitz, Filter und Wechsel zwischen Front- und Hauptkamera - teils mit neuen Symbolen im Vergleich zum P9. Ist der Pro-Modus verfügbar, wird dies über einen kleinen weißen Balken links vom Auslöser dargestellt. Zieht man diesen nach links, kann schnell auf ISO, Belichtungszeit, Blendenzahl, Fokus-Modus (Single-Spot etc.) und Weißabgleich Einfluss genommen werden. Je nach Vorlieben und Erfahrung können einzelne oder alle Werte manuell angepasst werden, andere verbleiben hingegen in der Einstellung Automatik. Damit auch weniger versierte Fotografen mitunter oder gar regelmäßig in den Pro-Modus wechseln, werden ihnen die Auswirkungen der Änderungen an den Parametern unmittelbar auf dem Display angezeigt, Huawei nennt es deshalb passenderweise Live-Preview.
Die Wahl des Pro-Modus‘ ist aber auch deshalb die bessere, da nur hier Fotos im RAW-Format gespeichert werden können. Damit wird die nachträgliche Bildbearbeitung am PC erleichtert und führt meist auch zu besseren Ergebnissen. Neu ist der Punkt „Direktionale Aufnahme“ bei Videos. Über das dazugehörige Symbol am linken Rand kann eingestellt werden, ob alle vier Mikrofone den Ton aufzeichnen oder teilweise zur Unterdrückung störender Nebengeräusche genutzt werden sollen.
Altbekannt ist hingegen, dass während der Aufnahme von Videos gleichzeitig keine Fotos geschossen werden können. An einem anderen Dilemma trägt Huawei nur einen geringen Teil der Verantwortung. Denn ausgerechnet der fortschrittliche HEVC-Standard wird von YouTube nicht unterstützt, vom Mate 9 aber für UHD-Videos genutzt. Entsprechend können Clips nicht ohne vorherige Umwandlung auf das Video-Portal geladen werden - wer es dennoch versucht, erhält nach dem Upload eine Fehlermeldung.
Fast alles wird gut, vieles sogar hervorragend
Aus der Tasche holen, auf das Motiv richten, auslösen - oder aber eben doch mit viel Ruhe und Geduld mit den passenden Einstellungen auf den richtigen Moment warten: Eine Smartphone-Kamera muss beide Extreme abdecken, wenn sie überzeugen soll. Was dabei im Hintergrund für komplexe Prozesse ablaufen, ist für die meisten Nutzer nicht von Interesse. Sie wollen lediglich qualitativ hochwertige Fotos und Videos schießen. Mit dem Huawei Mate 9 gelingt all das auf einem hohen Niveau.
Sind die Lichtverhältnisse gut oder besser, überzeugen die Aufnahmen mit stimmigen Farben, Details und Helligkeiten. Das gilt unabhängig davon, ob die Sonne das Licht spendet oder eine Lampe. Sind die Lichtverhältnisse schlechter, fallen die Aufnahmen sichtbar dunkler als bei einigen Konkurrenten aus, was aber durchaus gewollt ist. Denn bei genauerer Betrachtung von Original und Foto fällt auf, dass sich das Mate 9 weitaus dichter als viele andere an der Realität bewegt und auf das weit verbreitete künstliche Aufhellen verzichtet. Was von beidem besser gefällt, ist eine Frage des eigenen Geschmacks. Grundsätzlich sollte eine Kamera aber die Realität festhalten, Veränderungen daran können später nachträglich vorgenommen werden.
Natürlich kann man aber schon vor der Aufnahme Einfluss auf verschiedene Faktoren nehmen. So gibt es die von Smartphones nicht mehr wegzudenkenden Filter, die das Mate 9 als Live-Preview einblendet. Oder aber die Farbprofile, die das Resultat sichtbar beeinflussen und den typischen Leica-Look imitieren sollen.
Natürlich gibt es aber auch die diversen Modi, die helfend unter die Arme greifen, wenn man sich auf die Vollautomatik nicht verlassen will, sich aber an den Pro-Modus aber (noch) nicht herantraut. Da lassen sich Gesichter im Verschönern-Modus aufhübschen, Nachtaufnahmen im gleichnamigen Modus interessanter gestalten und Lichter bei Dunkelheit im Lichtmalerei-Modus fast künstlerisch festhalten. Aber auch der HDR-Modus produziert Ergebnisse, die man sich häufig als Bild an die Wand hängen will - gleiches gilt für das Spiel mit dem Monochrom-Sensor und der Tiefenschärfe. Die erreicht zwar nicht die Qualität einer teuren Systemkamera, taugt für Abzüge aber allemal und ist im Mate 9 derzeit der Benchmark für Smartphones. Wer erfahren oder experimentierfreudig ist, nutzt den Pro-Modus und versucht auf diesem Wege, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Dabei gilt: Mit ein wenig Geduld und Übung lassen sich die guten Ergebnisse der (Teil-)Automatik in fast allen Fällen nochmals steigern, das Speichern im RAW-Format erleichtert zudem die spätere Bearbeitung am PC.
Doch wo viel Lob ist, da muss auch kritisiert werden. So verzichtet Huawei auch beim Mate 9 auf eine HDR-Automatik, die den Einsatz der Kamera erleichtern würde und nicht immer ist dieser Modus die beste Wahl für Aufnahmen mit großem Dynamikumfang. Wer sich die Aufnahmen - unabhängig davon, mit welchen Sensor oder in welchem Modus festgehalten - näher anschaut, dürfte in einigen Fällen eine etwas zu geringe Schärfe bemerken, vor allem in Richtung der Bildränder. Ein anderes Problem: Das Bokeh wird teilweise weder innerhalb der Kamera-App noch in der Galerie richtig angezeigt. Dabei geht es vor allem um die Bilder, bei denen eine große Blende - simuliert werden kann bis f0.95 - gewählt wird.
Eine für Smartphone-Verhältnisse hohe Qualität bieten aber auch die Video-Aufnahmen. Ob Full HD mit 30 oder 60 Bildern pro Sekunde oder UHD/4K: Wer auf sehr schnelle Bewegungen beim Filmen verzichtet, wird keine Artefakte oder vergleichbare Bildfehler finden. Farben, Details und Helligkeiten werden ebenso zuverlässig wie bei Fotos festgehalten, auf Wunsch sorgen die wählbaren Farbprofile oder Filter für die gewünschte Verfremdung inklusive Live-Preview. Die Direktionale Aufnahme sorgt für eine überraschend gute Herausfilterung von störenden Nebengeräuschen, der Verfolgungs-Autofokus zumindest in 720p und 1080p mit 30 Bildern pro Sekunde für ein kontinuierliches Scharfstellen des gewählten Objekts.
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Wer ein etwas anderes Video aufzeichnen möchte, kann auf die Modi Beauty-Video, Zeitlupe und Zeitraffer zurückgreifen. Auch hier überzeugt die Bildqualität, im Vergleich mit der Konkurrenz schneiden vor allem die Zeitlupen-Aufnahmen mit 240 Bildern pro Sekunde sehr gut ab. Wer sich hingegen mit dem Standard-Video-Modus zufrieden gibt, kann einen leicht abgespeckten Pro-Modus aktivieren. Hier sind immerhin noch der Weißabgleich, die Fokussierungsart und die elektronische Blende beeinflussbar. Ersterer ist jedoch fast überflüssig, denn schon die Automatik arbeitet sehr zuverlässig.
Kritik richtet sich an den in wenigen Fällen nicht zuverlässig arbeitenden Autofokus. Unabhängig vom gewählten Modus kam es im Test einige Male vor, dass er ohne offensichtlichen Grund neu justiert wurde.
Fazit
Schon im Test des Mate 9 attestierten wir der Kamera eine hohe Qualität, der Blick auf die Details liefert die Begründung für dieses Urteil. Grund für die erkennbare Steigerung gegenüber dem P9 ist das Annehmen von Kritik seitens Huawei sowie der konsequenten Weiterentwicklung gemeinsam mit Leica. Zwar offenbart man nicht, wer genau für was im Einzelnen die Verantwortung trägt, man betont aber, dass der traditionsreiche deutsche Kamerahersteller nicht nur seinen Namen mitsamt Logo zur Verfügung stellt.
Die vorgenommenen Änderungen an der Hardware - der optische Bildstabilisator sowie die höhere Auflösung des Monochrom-Sensors und die zusätzliche Fokussierungsmethode - sorgen dafür, dass die generelle Bildqualität die des P9 und auch nahezu aller Mitbewerber übertrifft. Auch, da man den Nutzern viele Möglichkeiten an die Hand gibt, um die Ergebnisse in die gewünschte Richtung zu lenken - der Pro-Modus mitsamt Live-Preview ist ein gewichtiges Argument. Aber auch die anderen verfügbaren Modi erleichtern den Umgang mit der Kamera des Mate 9 oder sorgen für echte Hingucker, ob nun gelungene HDR-Aufnahmen oder die immer wieder begeisternden Leuchtspur-Fotos.
Viel getan hat sich aber auch in puncto Videos. Lag das P9 hier noch hinter den wichtigsten Mitbewerbern, stimmt nun nicht nur die Qualität, sondern auch die Auflösung. Als kleines i-Tüpfelchen dürfen die dazugehörigen Sonderfunktionen bezeichnet werden, Zeitraffer- und Zeitlupen-Aufnahmen locken immer wieder Betrachter an.
Doch auch im Fazit gilt: Es gibt nach wie vor Raum für Verbesserungen. Beim Thema Videos betrifft dies den nicht immer zuverlässig arbeitenden Autofokus, beim Thema HDR die immer noch fehlende Automatik. Natürlich gibt es auch bei der Bildqualität noch Luft nach oben, das in einem Smartphone technisch Machbare schränkt aber ein - Stichwort Sensor- und Optik-Größe.
Huawei bewegt sich mit dem Mate 9 aber dichter an dieser Grenze als die Konkurrenz.