Nicht immer Always-on und den Dreh raushaben
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Auf eine andere Änderung müssen ebenfalls so mancher Nutzer verzichten. Denn den erweiterten Always-on-Modus bietet die Moto 360 aus technischen Gründen nicht. Dabei handelt es sich dabei um eine der wichtigsten Neuerungen. Wird der Modus aktiviert, wird die zuletzt geöffnete Applikation auch dann angezeigt, wenn das Display in den Standby wechselt - bislang konnte so lediglich das Zifferblatt dargestellt werden. Einen Haken gibt es allerdings: Denn bislang unterstützt nicht jede App die neue Möglichkeit. Zumindest aber Google macht schon ausgiebig gebrauch davon. So kann unter anderem Notizen (Keep) im Standby angezeigt werden, ebenso Google Maps. Vor allem für die Karten-Software bedeutet dies ein großes Plus. Denn wer beispielsweise in Innenstädten zu Fuß unterwegs ist und zu einer bestimmten Adresse navigieren möchte, spart nicht nur den Griff zum Smartphone.
Auch der Energieverbrauch der Uhr sinkt. Denn beim Wechsel vom aktiven Modus in den Standby wird die Darstellung des Display-Inhalts verändert. Auf farbige Inhalte wird komplett verzichtet, ebenso auf - in Augen der App - unwichtige Details. Statt dessen informiert die Smartwatch in diesem Modus in Schwarz und Weiß über den eigenen Standort und die wichtigsten Informationen, beispielsweise Hauptstraßen oder Bahnhöfe.
Die Bedienung erleichtern soll auch die neue Interpretation von Handbewegungen. Musste man sich bei der Steuerung von Android Wear auf den Touchscreen sowie eine physische Taste - meist für den Standby bestimmt - beschränken, ist der Wechsel zwischen geöffneten Applikationen mit Version 5.1.1 auch per Geste möglich. Eine schnelle Drehung des Handgelenks nach hinten entspricht einem Wisch nach oben, eine nach vorn analog einem Wisch nach unten. In der Praxis funktioniert dies zumindest bei der G Watch R nach einer sehr kurzen Eingewöhnungsphase sehr zuverlässig, bei anderen Modellen dürfte es ähnlich aussehen. Allerdings sorgt diese Art der Nutzung für so manch neugierigen Blick in der Öffentlichkeit. Aber gerade wenn die zweite Hand nicht frei ist, erweist sich die Neuerung als hilfreich.
Wünschenswert wäre jedoch, dass Google nicht nur die Vertikale, sondern auch die Horizontale berücksichtigt. Denn dann könnte die Navigation auch innerhalb der Apps ohne zweite Hand erfolgen. Immerhin: Wer sich rechts der Hauptansicht in einer Applikation befindet, kann per Handgelenksdrehung dennoch wieder auf die erste Ebene wechseln.
Ein wenig mehr Übersicht, ein wenig mehr Information
Wichtiger aus Sicht der Nutzer und Googles dürfte jedoch die Umstrukturierung der App-Übersicht sein. Denn wo bislang eher mühselig eine Art Startmenü aufgerufen werden musste, reicht nun ein einfacher Tap auf das aktivierte Display oder alternativ ein längerer Druck auf die - falls vorhanden - physische Taste. Im Anschluss wird eine dreispaltige Liste angezeigt: Links die installierten Apps, in der Mitte alle Kontakte des verbundenen Smartphones, rechts die alte Übersicht. Zwischen den Spalten kann per Wisch gewechselt werden.
Was zunächst jedoch wie ein gewaltiger Fortschritt wirkt, entpuppt sich bei zahlreichen Apps jedoch nur als minimale Verbesserung. Denn an der Sortierung kann der Nutzer nichts ändern, was schnell zu Scroll-Orgien führen kann. Dass der gerade geöffneten Applikationen an oberster Stelle zusätzlich angezeigt werden, ist da nur ein schwacher Trost.
Ebenfalls eher halbherzig ausgefallen ist das, was Google als verbessertes Benachrichtigungssystem bewirbt. In der Theorie soll der Nutzer jederzeit über eingehende Nachrichten und ähnliches informiert werden - unabhängig davon, welche App auf der Smartwatch gerade angezeigt wird.
Tatsächlich aber fällt die neue Routine äußerst störrisch aus. Denn mal werden neue Nachrichten angezeigt, dann wieder nicht. Welche App dabei im Test gerade ausgeführt wurde und welche für die Benachrichtigung verantwortlich war, spielte keine Rolle. Verschiedenen Foren-Einträgen zufolge ist dies jedoch kein Einzelfall. So soll es Nutzer geben, bei denen es zu keinerlei Problemen kommt, ebenso solche, bei denen das System gar nicht funktioniert. Lediglich eine Tendenz ist zu erkennen, Sonys Smartwatch 3 scheint besonders betroffen zu sein. Die dahinter steckende Idee ist jedoch löblich. Denn so bleibt der Nutzer jederzeit auf dem aktuellen Stand und muss weniger zwischen den Apps wechseln.
Fazit
Vor einem Jahr attestierten wir Android Wear ein großes Potential. Inzwischen ist klar: In Teilen haben Google und Entwickler dieses genutzt, doch vieles liegt noch immer brach - daran ändert auch das Update auf Version 5.1.1 nichts. Die Gründe dafür sind vielfältig. An einigen Stellen muss man dem Konzern die falsche Herangehensweise vorwerfen, an anderen Punkten kollidiert das System Smartwatch mit den Wünschen der Nutzer. Letzteres gilt vor allem für die neue App-Übersicht. Dass man sich der Kritik angenommen und eine andere Lösung geschaffen hat, ist zunächst löblich. Doch wie der Test zeigt, ist dies nur wie ein Pflaster auf einer klaffenden Fleischwunde: Der anfänglich positive Effekt wird schnell verdrängt. Wie man es besser machen kann, ist jedoch eine gute Frage. Auch die Apple Watch wird trotz des komplett anderen Ansatzes früher oder später auf diese Hürde stoßen.
Dass zwischen gut gemeint und gut gemacht so manches Mal Welten liegen können, zeigt aber auch so manch andere Änderung. Das Zeichnen von Emojis ist nicht viel mehr als ein manchmal umständlich zu nutzendes Gimmick, das neue Benachrichtigungssystem leidet unter Kinderkrankheiten. Aber es geht auch anders. Die Steuerung per Bewegung des Handgelenks ist überraschend gut gelöst, die anpassbare Zeichengröße für so manchen Nutzer vermutlich äußerst nützlich. Und im Grunde genommen müssen auch die Synchronisierung per WLAN sowie der ausgeweitete Always-on-Modus zu den klaren Stärken des Update gezählt werden.
Doch hier offenbart sich der gleiche Fehler, den Google schon mit den Anfängen von Android begangen hat: Die Wahlfreiheit führt zu fehlenden Funktionen. Dies mündet in der traurigen Tatsache, dass so manche Android-Wear-Smartwatch nach nicht einmal einem Jahr quasi zum alten Eisen gezählt werden muss. So kann man inzwischen weder die ASUS ZenWatch noch die Moto 360 empfehlen - beide Modelle können nicht alle Funktionen in Android Wear 5.1.1 nutzen. Hinzu kommt, dass die neue Version zumindest subjektiv mehr Leistung als der Vorgänger benötigt - an so mancher Stelle reagierte die G Watch R nach dem Update weniger flüssig.
Ist das Update deshalb schlecht? Mit Sicherheit nicht. Google hat einige der großen Kritikpunkte aufgegriffen und in Teilen beseitigt. Gefallen lassen muss sich jedoch den Vorwurf, dass man hier und da auf halber Strecke stehen geblieben ist oder mehr wollte, als eigentlich möglich ist. Abzuwarten bleibt deshalb, was die nächsten großen Aktualisierungen bieten werden. Gut möglich, dass man sich den ein oder anderen Punkt bei der Konkurrenz abschaut.