Werbung
Mit der Ankündigung von StreamOn durch die Deutsche Telekom sowie einer Analyse der AGB bliebt eine Frage offen: Verstößt StreamOn gegen die Netzneutralität oder nicht?
Es gibt gleich mehrere Punkte, die strittig sind und die auch darüber entscheiden werden, ob das Angebot der Deutschen Telekom von der Bundesnetzagentur genehmigt werden wird. Allerdings macht die Deutsche Telekom bereits Nägel mit Köpfen, denn ab dem 19. April werden die neuen Tarifoptionen verfügbar sein. Ob bis dahin eine Entscheidung durch die Behörden gefällt wurde, ist unwahrscheinlich. Netzpolitik.org hat sich genauer mit dem Thema beschäftigt und darin einige von uns angesprochene Punkte noch einmal bekräftigt.
Deep Packet Inspection wird angewendet
Die Deutsche Telekom muss den Datenverkehr, der nicht auf das Datenvolumen angerechnet wird, vom restlichen Datenverkehr unterscheiden. Dazu werden verschiedene technische Maßnahmen ergriffen. Die Deutsche Telekom lässt sich von den Partnern alle notwendigen technischen Daten liefern, um die Streams erkennen zu können. Dazu gehören IP-Adressen, URL-Listen, sogenannte SNI (Server Name Indication) für HTTP-Verschlüsselungen sowie eventuell notwendige Zertifikate.
Uns war nicht ganz klar, ob dies bereits einer Deep Packet Inspection entspricht oder nicht. Laut Netzpolitik tut es das aber, denn "aufgrund der Identifizierung durch diese Merkmale ist klar, dass die Telekom Deep Packet Inspection verwendet, um tief in den Datenverkehr (bis zu OSI-Layer 7) einzugreifen und die einzelnen Datenpakete auszusortieren."
Dies widerspricht dem Artikel 3 Absatz 3 der EU-Verordnung zur Netzneutralität der besagt: "Ein angemessenes Verkehrsmanagement erfordert keine Techniken zur Überwachung spezifischer Inhalte des Datenverkehrs, der über den Internetzugangsdienst übertragen wird."
Die Überwachung konkreter Inhalte ist demnach untersagt.
Best-Effort-Prinzip wird umgekehrt
Zwar wird der Datenverkehr aus dem Streaming von Audio und Video nicht auf das Datevolumen angerechnet, aber natürlich will die Deutsche Telekom keine besonders hohen Bitraten ausliefern. Die Bitrate des Streamings soll laut Netflix bei 1 MBit/s für StreamOn liegen.
Diese Art von Verkehrsmanagement ist in einem gewissen Rahmen zulässig, so lange damit die Infrastruktur vor Überlastungen geschützt wird. Allerdings sollen solche Maßnahmen nicht dauerhaft angewendet werden. Die Bundesnetzagentur spricht von "nicht länger als erforderlich aufrechterhalten werden". StreamOn aber ist eine dauerhafte Produktstrategie, die keinesfalls Engpässe verhindern soll. Sollte eine solche Maßnahme der Optimierung ergriffen werden müssen, müsste dies für alle Kunden der Deutschen Telekom der Fall sein.
Laut EU-Netzneutralitäts-Verordnung darf eine solche Optimierung nicht einem kommerziellen Zweck dienen – "Verkehrsmanagementmaßnahmen nicht auf kommerziellen Erwägungen". Die Deutsche Telekom bietet bis auf StreamOn aber keinerlei ähnlicher Angebote und das ökonomische Interesse von StreamOn dürfte zweifelsfrei bestätigt sein.
Zero-Rating ist nicht diskriminierungsfrei
Die Deutsche Telekom betonte mehrfach, dass StreamOn ein diskriminierungsfreies Angebot sei. Jeder könne daran teilnehmen. Dies mag auch richtig sein, allerdings fehlen derzeit die Erfahrungsberichte, ob nur die großen Anbieter (Amazon, Netflix, Apple und Co.) schnell innerhalb von StreamOn angeboten werden oder auch kleine Neuanmeldungen schnell hinzugefügt werden. Die US-Tochter T-Mobile bietet mit BingeOn ein ähnliches Angebot. Hier gibt es Erfahrungsberichte, die von größeren Verzögerungen bei kleineren Anbietern sprechen.
Ein solches Angebot kann fast gar nicht diskriminierungsfrei sein, denn die Deutsche Telekom kann nicht gewährleisten, dass alle Angebote ihren Zugang erhalten – auch wenn sie sich an alle Bedingungen halten. Wir sprechen hier nicht nur von den größten Audio- und Videostreaming-Angeboten aus den USA, sonders es müsste der weltweite Markt mit in Betracht gezogen werden. In einem freien Internet, welches eigentlich keinerlei Beschränkungen unterlegen ist, baut ein solches Angebot aber Schranken auf.
In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob StreamOn ein Angebot der Deutschen Telekom bleiben kann oder nicht. Am 27. April stimmt der Bundestag beispielsweise darüber ab, ein Zero-Rating komplett zu verbieten, so wie es in den Niederlanden geschehen ist.