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In der Europäischen Union gelten seit vergangenem Sonntag strengere Vorschriften für den Einsatz künstlicher Intelligenz. Der AI Act, das weltweit bisher umfassendste Regelwerk zur KI-Regulierung, ist in Kraft getreten und teilt KI-Anwendungen nach ihrem Risikograd ein.
Systeme mit sogenanntem "unannehmbarem Risiko" sind ab sofort ganz verboten, darunter etwa Social-Scoring-Modelle nach chinesischem Vorbild, automatisierte Emotionserkennung in Arbeits- und Bildungseinrichtungen sowie KI-gestützte Robo-Calls, die gezielt zur Täuschung und zum Betrug – insbesondere älterer Menschen – genutzt werden könnten. Auch die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum bleibt grundsätzlich untersagt, allerdings mit Ausnahmen für Strafverfolgungsbehörden, wenn es um schwere Verbrechen wie Terrorismus oder Menschenhandel geht.
Neben diesen Verboten müssen Unternehmen, die KI entwickeln oder einsetzen, ihre Systeme künftig nach Risikostufen bewerten. Je höher das Risiko, desto strengere Anforderungen müssen erfüllt werden. Besonders stark reguliert sind KI-Modelle, die kritische Infrastrukturen betreffen, also etwa im Bankwesen, Gesundheitssektor oder bei der Strafverfolgung eingesetzt werden. Transparenz und Sicherheitsmechanismen werden hier verpflichtend. Bei Verstößen drohen hohe Strafen.
Der AI Act sorgt allerdings auch für geteilte Meinungen. Während die EU-Kommission das Gesetz als notwendigen Schutz für Bürgerrechte und Verbraucher sieht, warnt die Technologiebranche vor negativen Folgen für Innovationen. Der deutsche Branchenverband Bitkom kritisierte das Regelwerk als unklare und innovationshemmende Regulierung, die europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligen könnte. Man fürchte, dass Europa von der dynamischen KI-Entwicklung in den USA und China abgehängt werde, während dort Milliardenbeträge in die Forschung investiert werden.
Auch auf politischer Ebene wächst die Besorgnis über Europas technologische Zukunft. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EZB-Chefin Christine Lagarde warnten kürzlich davor, dass Europa im globalen KI-Wettlauf an Boden verlieren könnte. In einem gemeinsamen Blogbeitrag betonten sie jedoch, dass die EU über alle Voraussetzungen verfüge, um aufzuholen – wenn gezielt investiert und gefördert werde.
Der AI Act ist ein bedeutender Schritt in Richtung einer ethisch vertretbaren KI-Entwicklung, doch ob er Europa zum Innovationsmotor oder zum digitalen Bremser macht, bleibt abzuwarten.