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Auf Messen wie der IFA reiht sich natürlich eine Pressekonferenz an die andere und Neuvorstellungen sind oft im Stundentakt zu erwarten. Oft hetzt man von einer zur anderen Veranstaltung, um alle Neuerungen schnellstmöglich aufzuarbeiten und zu veröffentlichen. Termine bei den Herstellern dienen oft für Hands-on-Sessions oder weitergehende Fragen; Pausen gibt es kaum. Doch dann gibt es immer mal wieder diese Termine, in denen es um kein konkretes Produkt, keine Neuveröffentlichung gibt und die trotzdem viele interessante Informationen hervorbringen.
Einen dieser Termine konnte uns auf der diesjährigen Internationalen Funkausstellung in Berlin ein alter Bekannter bescheren: Microsoft. Wir waren schon im Juli in Unterschleißheim um etwas mehr über Windows und Windows Phone zu lernen, wobei sich in der Zwischenzeit natürlich schon wieder einiges getan hat. Was wir bei Microsoft erfahren haben und was Boris-Schneider Johne, seines Zeichens Enthusiast Marketing Manager Windows und Jens Garberding, Senior Product Marketing Manager for Windows Phone, zu erzählen hatten, haben wir in den folgenden Zeilen niedergeschrieben.
Windows 8 und Windows Phone: eine Einheit
Windows 8 und Windows Phone 8 wurden schon immer als Einheit beworben. Doch so richtig überzeugt hat man damit nur wenige. Denn irgendwie – zwar sehen sich die Systeme mit ihren Kacheln doch sehr ähnlich, übergreifende Apps oder eine tiefere Verbindung beider Systeme außer im Bereich E-Mail, Kalender, Kontakte sowie Skydrive gibt es kaum. Dennoch, so unsere beiden Gesprächspartner, wird beobachtet, dass – sobald Windows 8 und Windows Phone 8 gemeinsam ausgestellt werden – eine viel höhere Akzeptanz und ein großes Interesse für beide Systeme beobachtet wird. Steigende Marktanteile bei beiden Systemen bestätigen diesen Trend indirekt.
Man will natürlich mit weiteren Iterationen der Systeme die Zusammengehörigkeit weiter stärken. So wie Windows 8.1 sich einiges von Windows Phone 8 abgeschaut hat, kann ein eventuelles Windows Phone 8.1 sich eventuell noch etwas von seinem großen Bruder abschauen. So direkt wurde das zwar nicht kommuniziert, die Marschrichtung ist jedoch eindeutig ersichtlich. Über Themen wie eventuelle Notification-Center, neue Funktionen oder gar einen Termin für Windows Phone 8.1 wollte und konnte man natürlich nicht sprechen. Dass es neue Funktionen und weitere Entwicklungen geben wird, stand aber außer Frage.
Immerhin konnte man etwas über das – gelinde gesagt – „Desaster“ beim Umstieg von Windows Phone 7 auf 8 sagen. Auf die Nachfrage, ob das den jetzigen Kunden wieder passiert, kamen sowohl Boris Schneider-Johne als auch Jens Garberding in Bezug auf den verwendeten Kernel ins Schwärmen. Dieser sei so performant und zukunftssicher, dass ein Umstieg wie der von der letzten auf die aktuelle Systemgeneration gar nicht notwendig sei. Eine ähnliche Situation wie sie Windows Phone 7 Kunden erlebt haben, wird sich wohl nicht so schnell wiederholen.
Der Nokia-Coup: Was die Hersteller denken; was Microsoft sagt
Kurz vor der IFA haben Microsoft und Nokia die Bombe platzen lassen und den Kauf seitens Microsoft offiziell gemacht. Lange gab es immer wieder Spekulationen, wann und ob dies geschehen wird. Nun ist es soweit und wir haben uns natürlich ins Zeug gelegt, um möglichst viel Feedback der Microsoft-Partner und natürlich von Microsoft selbst zu bekommen.
Microsoft selbst sieht die ganze Situation extrem positiv. Der Kauf von Nokia war natürlich schon länger geplant, Angst brauchen Partner und Interessenten deshalb aber nicht zu haben. Nach wie vor steht Windows Phone zur Lizenzierung bereit, man hat auch keinerlei Ambitionen dies in Zukunft zu ändern. Man freut sich über jeden Partner, der Windows Phone treu bleibt und begrüßt es natürlich auch, neue Partnerschaften zu knüpfen. Diesbezüglich ist man zuversichtlich, diese Situation dank steigender Marktanteile – wie auch die letzten Zahlen belegen – zu verbessern und die Verbindungen mit bestehenden Partnern zu festigen.
Entgegen unserer Erwartungen sehen die Partner dem geplanten Kauf auch eher gelassen entgegen. HTC wird Windows Phone treu bleiben, das Dementi auf die Ausstiegs-Gerüchte folgte damals relativ schnell, und sieht den Kauf ähnlich wie bei Google mit Motorola – „Geschadet hat das auch niemandem“, so Fabian Nappenbach. Huawei wird ebenfalls weiterhin Windows Phones produzieren, der Hauptfokus liegt aber weiterhin auf den Android-Geräten. ZTE hat zwar Lizenz, aktuell aber keine Ambitionen ein neues Windows Phone herauszubringen. Das liegt aber weniger an dem Zusammenschluss als daran, dass man sich zunächst als eigene Marke in Deutschland positionieren möchte und dabei mit Android auf ein „sicheres Pferd“ setzen will. Von Samsung haben wir bislang keine Stellungnahme bekommen können, da man in diesem Jahr aber auch kein neues Windows Phone vorgestellt hat, ist der eingeschlagene Weg hier wohl auch recht eindeutig.
Über die fehlenden Google Apps: Microsoft ist auch nicht evil!
„Don’t be evil“, so das Motto von Google. Wie man in letzter Zeit Microsoft und die Windows-Produktwelt behandelt hat, will aber so gar nicht in dieses Bild passen. Keine Ressourcen für eine App wie YouTube zur Verfügung zu stellen, die man selbst als „nicht sinnvoll“ erachtet, ist natürlich eine rein wirtschaftliche Entscheidung und sicherlich nicht das Hauptproblem.
Microsoft dann jedoch Steine in den Weg zu legen, wenn man den Nutzern eine eigens entwickelte App zur Verfügung stellen will, ist – solange eine Verletzung der AGB vorliegt – natürlich auch noch im Rahmen des Verständlichen. Daraufhin eine nach den Vorgaben von Google neu entwickelte App wegen Kleinigkeiten gleich gänzlich unbrauchbar zu machen, dann aber keine Hilfestellung geschweige denn die benötigten Zugriffe zur Erfüllung der Forderung zu erteilen, ist irgendwie so gar nicht die „feine Art“. Natürlich gehören immer Zwei zu so einer Auseinandersetzung. Aber mit welcher Macht Google in den letzten Monaten daran arbeitet, Windows Phone nicht zu unterstützen, ist schon bedenklich.
Microsoft hingegen betont, dass man alle Dienste und Apps auf möglichst vielen Plattformen bereitstellen möchte, um den Kunden ein möglichst umfassendes Angebot unterbreiten zu können. Dabei sei es egal, ob es sich um Android, iOS, Symbian oder andere, neue Systeme handele. Beispielhaft nannte man die Portierung von Mobile-Office auf iOS und Android, die Skydrive App oder die Office-Web-Apps, bei denen ganze Teams daran arbeiten, diese unter WebKit performanter zu gestalten.
Windows 8 und das Start-Menü-Dilemma
Brandaktuell ist natürlich auch das von vielen als „Hintergehen“ von Microsofts Strategie gewertete Vorgehen von Lenovo. Die neuen Windows 8 Geräte kommen ab Werk mit vorinstalliertem „Pokki“, einer Software, die unter anderem ein klassisches Startmenü implementiert. Wir baten um einen Kommentar zu diesem Umstand.
Boris Schneider-Johne sah dies viel weniger kritisch als die Journalisten und Technik-Begeisterten. Er betonte, dass dies absolut legitim sei und nur für die Offenheit von Windows als Plattform spreche. Das moderne User-Interface der Zukunft wie Microsoft es sich vorstellt, ist ganz klar die Kacheloberfläche – was die Hardware-Partner darüber hinaus an Software vorinstallieren würden, sei ihnen freigestellt.
Wir bedanken uns bei Microsoft für das freundliche und aufschlussreiche Gespräch, bei dem wir etwas hinter die Kulissen blicken konnten und vielleicht die eine oder andere Entscheidung in der Zukunft besser verstehen als bislang.