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Streiks bei Amazon gehen weiter - Fragen und Antworten

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Streiks bei Amazon gehen weiter - Fragen und Antworten
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Die Mitte November von der zuständigen Gewerkschaft Verdi angekündigten Streiks beim Online-Händler Amazon gehen weiter. Nachdem die Standorte Leipzig und Bad Hersfeld bereits am Montag und Dienstag betroffen waren, soll die Arbeit heute am dritten Tag in Folge niedergelegt werden.

Allerdings konnte die Gewerkschaft nur Teile der jeweiligen Belegschaften dazu motivieren, Medienberichten zufolge lag die Beteiligung bei jeweils etwa 500 bis 1.000 Personen. Für mehr Aufmerksamkeit hat hingegen eine Aktion am Amazon-Stammsitz im US-amerikanischen Seattle gesorgt. Denn dort demonstrierten Verdi-Vertreter gemeinsam mit US-Gewerkschaftern, die ein ähnliches Ziel verfolgen. Denn auch in der Heimat unterbindet der Versandhändler die Zusammenarbeit mit Arbeitnehmervertretungen und gilt als Arbeitgeber mit schlechter Bezahlung.

Doch auch wenn das Thema derzeit allgegenwärtig ist, tauchen in Foren und Kommentaren noch immer viele Fragen auf. Deshalb fassen wir an dieser Stelle die wichtigsten Punkte zusammen.

Welche Auswirkungen hat der Streik für den IT-begeisterten und normalen Verbraucher?

Amazon ist in Deutschland einer der wichtigsten Händler, nicht nur in Bezug auf Kleidung, Bücher und DVDs, sondern auch in Hinblick auf Technik. Deshalb ist davon auszugehen, dass auch in diesem Jahr wieder viele Geschenke bestellt worden sind. Ob der nun drei Tage anhaltende Arbeitskampf den Versand beeinflusst und somit Sendungen möglicherweise nicht rechtzeitig zugestellt werden können, kann aber nicht endgültig beantwortet werden. Zwar spricht Verdi davon, dass man zuletzt bei zahlreichen Artikeln häufig wechselnde Lieferzeiten beobachten konnte, dies kann aber auch schlicht an einer hohen Nachfrage liegen. Amazon selbst verspricht, dass alle genannten Termine eingehalten werden. In der Regel benötigt das Unternehmen zwei Werktage, um eine Bestellung zuzustellen.

Deshalb dürften größere Probleme erst dann eintreten, wenn die Streiks über heute hinausgehen sollten. Aber auch hier muss relativiert werden. Denn in Deutschland verfügt Amazon über neuen Versandzentren an acht Standorten. Ein flächendeckender Stillstand dürfte demnach nicht zu erwarten sein.

Warum wird gestreikt?

Amazon wird bereits seit Monaten für seine Arbeitsbedingungen kritisiert. In den Fokus gerückt ist das Unternehmen nach einer Dokumentation der ARD, in der es vor allem um den Umgang mit Leiharbeitern ging. Zwar gilt der Film inzwischen als übertrieben, im Kern stimmt er aber mit anderen Berichten überein - erst kürzlich berichteten zwei Journalistinnen unabhängig von einander über Ausbeutung. Aktuell dreht sich die Auseinandersetzung zwischen Verdi und Unternehmen aber um die Frage der Entlohnung. Denn während Amazon sich als Logistikunternehmen sieht und seine Mitarbeiter entsprechend bezahlt, stuft Verdi den Konzern als Versandhändler ein. Darüber hinaus will die Gewerkschaft erreichen, dass Amazon mit Gewerkschaften zusammenarbeitet.

Logistikunternehmen oder Versandhändler?

Die Frage, welcher Branche Amazon zuzuordnen ist, ist nicht einfach zu beantworten, da beide Seiten zutreffende Argumente anführen. Per Definition dreht sich die Logistik um die Koordination des Warenflusses von der Bestellung bis zur Auslieferung, der direkte Verkauf spielt allerdings keine Rolle. Denn dieser ist klarer Bestandteil des Handels, zu dem auch das Anbieten und Vertreiben von Waren per Internet gehört. Deshalb ist Amazon im Grund genommen sowohl ein Logistikunternehmen als auch ein Versandhändler. Für die Sichtweise Verdis spricht jedoch der direkte Vergleich mit echten Logistikkonzern wie beispielsweise DHL oder DB Schenker.

Die Betätigungsfelder einzelner Mitarbeiter haben übrigens keine oder nur eine geringe Auswirkung auf die Einstufung des Unternehmens, auch wenn dies in zahlreichen Kommentaren behauptet wird. Beispielsweise werden auch bei Continental oder Bayer Lagerarbeiter beschäftigt, diese werden aber dennoch entsprechend des jeweils gültigen Chemie-Tarifvertrags bezahlt.

Gibt es einen finanziellen Unterschied?

Amazon stellt sich selbst gerne als generöser Arbeitgeber dar. Denn nach eigenen Angaben bezahle man seine Mitarbeiter besser als es in der Branche üblich sein. Dies stimmt tatsächlich, allerdings nur auf den ersten Blick. Ein Vergleich für den ältesten deutschen Standort Bad Hersfeld mach dies deutlich. Hier zahlt Amazon neuen Mitarbeitern je Stunde 10,01 Euro, ab dem zweiten Jahr dann 11,59 Euro, im dritten Jahr sind es 11,71 Euro. Hinzu kommt eine Weihnachtssonderzahlung in Höhe von 400 Euro sowie eine monatliche Prämie, die zwar bis zu 12 Prozent ausmachen kann, deren Höhe aber starken Schwankungen unterworfen ist - einen festen Anspruch auf diese scheint es nicht zu geben.

Bei einer in Deutschland immer noch üblichen 40-Stunden-Woche erreicht ein Mitarbeiter ohne Prämie einen Jahresbruttoverdienst von etwa 19.600 Euro im ersten, 22.600 Euro im zweiten und 22.800 Euro im dritten Jahr. Gegenüber der Logistikbranche ist dies tatsächlich mehr, zumindest nach dem ersten Jahr. Denn hier werden in den ersten 36 Monaten 10,93 Euro pro Stunde gezahlt, im Jahr werden so etwa 20.900 Euro erreicht. Anders hingegen sieht es der Versandhandelstarif vor: Hier ist nicht nur der Stundensatz mit 11,69 Euro höher, auch die Sonderzahlung zu Weihnachten fällt mit 1.250 Euro umfangreicher aus. Unter dem Strich landet man innerhalb eines Jahres so bei etwa 23.600 Euro.

Noch deutlicher werden die Unterschiede nach drei Jahren: Während man bei Amazon nach dieser Zeit etwa 65.000 Euro verdient hat, sind es laut hessischem Logistiktarif 62.700 Euro, nach Versandhandelstarif 70.800 Euro. Kurzum: Amazons Aussage, man bezahle überdurchschnittlich gut, stimmt nur halb.

Welche Konsequenzen zieht man?

Ob und welche Schlüsse man aus dem Streik zieht, muss jeder Verbraucher für sich selbst entscheiden. Unbestreitbar ist, dass Amazon in puncto Kundenfreundlichkeit einen Spitzenplatz einnimmt und breite Sortiment anbietet. Konzentriert man sich einzig und allein auf den Preis, sieht es allerdings anders aus. Hier wird der Online-Händler oftmals von anderen Anbietern im Internet unterboten, gerade in Hinblick auf Technik auch von großen Ketten mit Ladengeschäften. Wer hingegen viel Wert auf eine qualifizierte Beratung legt, sollte dem Fachhändler vor Ort eine Chance geben. Zwar wird immer wieder auf die mitunter zahlreichen Käuferbewertungen bei Amazon-Produkten verwiesen, deren Aussagekraft muss aber kritisch betrachtet werden. Denn in der Vergangenheit wurden hier häufiger nicht neutrale Meinungen platziert, ein prominentes Beispiel dürfte das WeTab sein.

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