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Ob Samsung, LG, Motorola, Apple oder ASUS: Nahezu alle wichtigen Hersteller von Smartphones bieten mittlerweile Smartwatches oder Fitnesstracker an, passend zu Weihnachten vergrößert sich das Angebot in diesen Tagen und Wochen spürbar. Vom Wachstum in diesem Bereich profitieren wollen aber auch solche Unternehmen, die man bislang eigentlich nicht mit intelligenten Uhren und ähnlichem in Verbindung gebracht hat, die Sportartikelhersteller Nike und Adidas sind hier nur zwei Beispiele. Der Grund hierfür ist klar: Behalten die großen Marktforschungsunternehmen wie IDC und Gartner Recht, wird sich der Markt für Wearables, der Sammelbegriff für Smartwatches und ähnliches, in den kommenden Jahr um ein vielfaches vergrößern, je nach Untersuchung spricht man für das Jahr 2018 von der 6- bis 15-fachen Absatzmenge im Vergleich zum aktuellen Stand.
Nicht zuletzt deshalb gilt es als sehr wahrscheinlich, dass Wearables „The next big thing“ werden, ein Geschäft, mit dem Milliarden umgesetzt und verdient werden. Allerdings herrscht auch in einem anderen Punkt weitestgehend Einigkeit: So wie heute werden die Geräte in drei, vier oder fünf Jahren nicht mehr aussehen, um den Erfolg zu steigern dürfen sie es auch gar nicht. Davon geht unter anderem Torsten Rehder vom Trendforschungsunternehmen Trend One aus.
Unter der Überschrift „The Future of Wearable Technology“ gewährte er gemeinsam mit Samsung einen Blick auf das, womit in den kommenden Monaten fest gerechnet werden kann, aber auch das, was in den kommenden Jahren passieren kann und muss. Rehder selbst geht bei er mittelfristigen Entwicklung von drei Thesen aus: Wearables erschließen neue Zusammenhänge, sie werden unsichtbar und sie werden die Emotionen ihres Trägers widerspiegeln, unter Umständen auch darauf reagieren.
Der Connected Body im Zentrum
All diese Punkte sind bereits heute im Ansatz erkennbar, vor allem ersterer entwickelt sich derzeit schnell - auch weil das Thema „Internet of Things“ und somit Branchengrößen wie Intel damit verbunden sind. Durch immer mehr Funktionen und Schnittstellen verwandeln Wearables den Träger in den sogenannten Connected Body, der Mensch interagiert mit zahlreichen Aspekten des täglichen Lebens. Das Wearable, ob nun in Form einer Smartwatch oder eines schlichten Schmuckstücks, teilt dem Haus (Smart Home) mit, dass man wieder anwesend ist, der Mietwagen lässt sich entriegeln und starten (Smart Mobility), Fitness- und Gesundheitsdaten werden erfasst und analysiert (Smart Health Care), Fahrkarten für die U-Bahn werden gekauft (Smart City) und auf der Couch mutiert die Technik zu einem Eingabegerät für die Konsole (Smart Entertainment).
Dies ist bereits heute möglich, allerdings nicht in Form eines Geräts. Im besten Falle lassen sich derzeit zwei oder maximal drei dieser Aspekte in einer Smartwatch vereinen, ein noch bestehendes Hindernis ist einer von sieben Punkten, die Rehder als notwendige Treiber der Entwicklung bezeichnet, die sich in Technologie (Miniaturisierung, „Shy Tech“ und Standards) und Gesellschaft (Individualisierung, Selbstoptimierung, Connectivity im sozialen Sinne und die Benutzerfreundlichkeit) aufteilen lassen.
Wettbewerb als Hindernis
Der oben genannten Vision steht dabei vor allem der Punkt Standards entgegen. Zwar konnte sich Industrie auf Bluetooth und NFC als übliche Wege zur Datenübertragung einigen, darüber hinaus verfolgt fast jeder aber eigene Wege. Erkennbar ist dies vor allem beim Mobile Payment. Hier konkurrieren nicht nur die Hersteller der Hardware miteinander, auch Banken und selbst Handelsunternehmen wollen eigene Plattformen durchsetzen. Das daraus resultierende Problem liegt auf der Hand: Unterstützt der Supermarkt um die Ecke lediglich Google Wallet, kommt der Nutzer mit seinem iPhone nicht weit. Wird hingegen auch Apple Pay unterstützt, bringt es dem Verbraucher nichts, wenn seine Bank nicht kooperiert. Das möglicherweise Fatale daran: Ein Ende dieser Eigensinnigkeit ist nicht in Sicht, auch, weil jeder Anbieter darauf setzt, dass sein Weg der beste ist.
Technik wird kleiner und attraktiver
Aber auch die beiden weiteren technologischen Aspekte spielen eine Rolle. Zwar hat die fortschreitende Miniaturisierung Geräte wie Samsungs Gear S möglich gemacht, die dank Mobilfunkmodem weitestgehend autark arbeiten können, die gesamte, für die Abdeckung aller Aspekte notwendige Technik könnte man dennoch nicht in ihr unterbringen - auch, weil Akkus für attraktive Laufzeiten noch immer zu groß sein müssen. Direkt damit einher geht auch der Aspekt „Shy Tech“ - ein Kombination aus High Tech und Shy im Sinne von zurückhaltend. Denn für die Steigerung der Akzeptanz der vielseitigen Begleiter ist es dem Trendforscher zufolge nicht nur entscheidend, dass mehr und mehr Funktionen integriert werden, auch die Optik muss am Ende stimmen.
Das Resultat wären am Ende Wearables, die auf den ersten Blick nicht als solcher zu erkennen sind, beispielsweise weil sie sich optisch stark an Schmuck anlehnen, sie wären dann im übertragenen Sinne unsichtbar. Auch diese Entwicklung ist inzwischen ein Stück weit zu beobachten. Waren die ersten Android-Wear-Smartwatches aufgrund ihrer äußeren Form noch klar als technische Spielzeug zu erkennen, bewegen sich Modelle wie die Moto 360 oder G Watch R eher in Richtung des modisches Accessoires, mit Abstrichen gilt dies auch für die Gear S. Damit können Wearables nicht nur den „Nerd“, sondern auch ganz andere Käuferschichten ansprechen.
Gesellschaft und Technik müssen gemeinsam voranschreiten
Doch nur die Weiterentwicklung der technischen Seite bringt Rehder zufolge wenig. Akzeptiert die Gesellschaft Fortschritte nicht, kann ein Boom schnell zu Ende sein, dem Hype folgt der Absturz. Ein Beispiel hierfür ist der Bereich Gen-Food: Technisch ist die Manipulation von Pflanzen und Nahrung kein großes Problem mehr, doch mangels Akzeptanz blieb der Durchbruch in Europa und Deutschland bislang aus. Aber auch in der IT-Welt gibt es derartige Fälle, wie das jüngst durch die Medien gehende sinkende Interesse an Google Glass zeigt. Ob es nur ein Zufall ist, dass damit eines der bekanntesten Wearables vor einem möglichen Misserfolg steht, bleibt offen, Diskussionen rund um Privatsphäre und Datenschutz im Zusammenhang mit der AR-Brille zeigen, dass die Gesellschaft als Ganzes für solche Produkte noch nicht bereit ist.
Ändern könnte sich dies, wenn die Hersteller die Bereiche Individualisierung, Selbstoptimierung und Benutzerfreundlichkeit verbessern respektive herausstellen. Bedarf es keiner stundenlangen Einführungen und dicken Anleitungen, sinkt die Hemmschwelle. Ähnlich sieht es aus, wenn der Verbraucher eine Smartwatch oder ein anderes Wearable als Ausdruck seiner Persönlichkeit nutzen kann - ein Stück steht dieser Punkt in direktem Zusammenhang mit „Shy Tech“. Ein solches Gadget soll als solches möglichst nicht erkannt werden, muss aber auffällig genug sein, um aufzufallen. Zur Individualisierung gehört aber auch, dass der Träger das Gefühl hat, es handele sich um „sein“ Gerät. Aufgezeichnet werden seine zurückgelegten Schritte, sein Herzschlag, sein Schlafrhythmus. Daraus folgt: Das Wearable muss die Persönlichkeit des Nutzers nach Außen hin zeigen - auch hinsichtlich der Emotionen - und zugleich das Gefühl eines beinahe schon intimen Begleiters vermitteln, der viele persönliche Details kennt.
Emotionen erkennen und teilen
In Hinblick auf Emotionen spielt aber auch Connectivity im sozialen Rahmen eine wichtige Rolle, die bislang unterschätzt wird. Schon das Nutzen von WhatsApp, Facebook und Co. führt dazu, dass soziale Kontakte auch dann geknüpft und gepflegt werden, wenn die Personen weit voneinander entfernt sind. In Zukunft könnte aber noch eine ganz andere Ebene erreicht werden. Denn erste Unternehmen arbeiten daran, soziale Kontakte auch auf die körperliche Ebene auszuweiten. dazu gehören exotische Lösungen wie ein in Japan entwickelter BH, der aus dem Pulsschlag Emotionen erkennen können will und nur bei „wahrer Liebe“ das Öffnen ermöglicht, aber auch zumindest etwas ernsthaftere Ansätze wie ein intelligentes Armband, dass Berührungen übertragen kann; streichelt der eine Partner über sein Armband, simuliert das des anderen dies.
Weniger intim und früher verfügbar wird hingegen die Apple Watch sein, bei der Apple in seiner ersten Werbung genau auf diesen Punkt setzt - man erinnere sich an die auf der Smartwatch gemalten Herzen, die anderen Nutzern zugesendet werden können.
Ausblick
So weit entfernt so manche mögliche Entwicklung auch scheint, die Rolle, die Wearables in Zukunft spielen werden, wird deutlich größer als heute sein. Rehder selbst glaubt, dass allein schon immer weiter wachsende Smartphones dazu führen werden. Mittelfristig können so Tablets ersetzt werden, für das schlichte Telefonieren oder Schreiben von Nachrichten reicht dann die autarke Smartwatch, die nebenbei die Gesundheit des Trägers überwacht und ihn beim Bezahlen im Supermarkt dank integriertem Fingerabdrucksensor authentifiziert.
Doch was, wenn die gesellschaftliche Entwicklung mit der technischen nicht Schritthalten kann? Zu beobachten ist dies beispielsweise bei den Sprachassistenten der Smartphones. Während diese in der Theorie einen klaren Mehrwert in Sachen Bedienung bieten können, werden sie in der Praxis kaum genutzt. Wann hat man das letzte Mal jemanden in der U-Bahn mit Siri sprechen hören? Nicht nur, dass viele Mitmenschen persönliche Details nicht in der Öffentlichkeit preisgeben wollen, auch die Frage des Datenschutzes ist noch lange nicht beantwortet. Wenn ein Wearable zig Informationen sammelt, muss die sichere Speicherung in der Cloud, die dafür unabdingbar ist, garantiert werden, solch sensible Daten dürfen nicht zum Spielball für Konzerne oder Politik werden - am Ende kann gerade Googles Geschäftsmodell dazu in einem krassen Gegensatz stehen.
Zu guter Letzt bleibt aber ein Aspekt übrig, den vermutlich kein Trendforscher der Welt treffend einschätzen kann. Möglicherweise kommt der Punkt, an dem die Gesellschaft der immer weiteren Technifizierung ihrer Umwelt überdrüssig ist. Nicht jeder will, dass jeder Schritt und jede Bewegung von seiner Armbanduhr aufgezeichnet wird, in den intimsten Momenten soll weder der Puls gemessen werden noch das Mikrofon lauschen.