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Android Wear oder wie man eine ganze Generation verschwendet

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Android Wear oder wie man eine ganze Generation verschwendet
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Wearable Devices wie Smartwatches oder Fitnesstracker sollen „the next big thing“ werden. Davon sind zumindest die üblichen Markt- und Trendforscher überzeugt. Keine Überraschung also, dass mittlerweile fast alle wichtigen - und unwichtigen - Unternehmen an ihren eigenen Interpretationen der ständigen Begleiter arbeiten.

Eigentlich ist die Entwicklung dabei nicht einmal neu, nicht nur Technikkenner werden sich an die LiveView genannte Smartwatch aus dem Hause Sony Ericsson erinnern, die bereits 2010 in den Handel kam, deren Erfolg jedoch ausblieb. Ein Stück weit wiederbelebt wurde das Segment im Herbst 2013 mit Samsungs Galaxy Gear, den großen Durchbruch versprach jedoch erst die Vorstellung von Android Wear im vergangenen Frühjahr. Denn auch Google hatte erkannt, dass man mit den Uhr- und Armband-ähnlichen Geräten Geld verdienen könnte.

Was seit dem folgte, ist bekannt. LG und Samsung präsentierten mit der G Watch und Gear Live die beiden ersten Modelle auf Basis des Android-Ablegers, Motorola gewährte zumindest einen ersten Blick auf die Moto 360, die zu diesem Zeitpunkt vielversprechendste Smartwatch. Erste Anzeichen, dass die Prognosen möglicherweise viel zu optimistisch gewesen sein könnten, tauchten beinahe zeitgleich auf. In mehreren Ländern hieß es, Samsung hätte weitaus weniger Smartwatches als erhofft abgesetzt und deshalb zu großzügigen Rabatten gegriffen, aus England erregte eine Meldung des Guardian Aufmerksamkeit: Das Interesse an den Geräten würde auf Seiten der Käufer schnell sinken, bereits nach wenigen Wochen wäre der Reiz des Neuen verflogen.

Der Anfang: LGs G Watch mit Standard-Ausstattung, aber wenig attraktiver Optik

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Bis zum Sommer tat sich nur wenig, die ersten Geräte wurden ausgeliefert, die Tests vielen weltweit durchwachsen aus - auch, weil G Watch und Gear Live rein äußerlich nichts mit einer Uhr zu tun hatten. Dementsprechend fieberten Smartwatch-Fans der IFA entgegen. Enttäuscht wurden sie zunächst nicht. LG zeigte die G Watch R mit einem kreisrunden Display und dem Design eines Chronographen, Motorola enthüllte endlich die Moto 360 und ASUS zauberte die ZenWatch beinahe aus dem Hut. Die Annahme war zu diesem Zeitpunkt: Mit der Hilfe von Android Wear würden Smartwatches aus der Nische herauskommen und endlich auch die breite Masse ansprechen.

Im Dezember 2014 sieht die Wearable-Welt aber gänzlich anders aus. Die Hoffnungsträger G Watch R und Moto 360 konnten in Tests wie schon die ersten Geräte nicht überzeugen und der Überraschungskandidat ZenWatch ist wohl das, was man am ehesten als das am wenigsten schlechte Produkt in diesem Bereich bezeichnen darf.

Fast rund: Ansprechendes Design, aber schwache Hardware und Laufzeiten

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Nun darf man nicht ignorieren, dass man von der ersten Generation der Android-Wear-Hardware spricht, derart viele - und vor allem unterschiedliche - Probleme hat man beim Start einer neuen Plattform aber selten gesehen. Die G Watch R bietet ihres trotz hohen Preises nur eine allenfalls durchschnittliche Haptik und leidet unter der fehlenden Anpassung des Betriebssystems an das runde Display. Letzteres wird auch der Moto 360 zum Verhängnis, zudem ist der SoC veraltet und wenig zukunftssicher, der Akku arg klein. Letzteres gilt auch für die ZenWatch mit ihren schlechten Laufzeiten, zudem sind die Sensoren unzuverlässig.

LGs zweiter Versuch: Die G Watch R ist teuer, fühlt sich aber nicht so an

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Hinzu kommt, und dies ist das derzeit größte Problem, Android Wear mit all seinen Macken. Zwar hat Google seit dem Start bereits kleinere Updates nachgereicht und eine vollständig neue Version auf Basis von Android 5.0 angekündigt, im aktuellen Zustand ist das OS und somit auch die dazugehörigen Geräte schlicht nicht empfehlenswert. Die Navigation folgt keiner größeren Logik, die Bedienung ist nicht intuitiv und stellenweise gar nutzerfeindlich und die grundsätzlich lobenswerten Einschränkungen hinsichtlich der Anpassungen seitens der Hersteller führen zu merkwürdigen Auswüchsen. Hier kann nur auf das Paradebeispiel ZenWatch verwiesen werden. ASUS’ Uhr bietet zwei optisch stark voneinander abweichende Benutzeroberflächen und erfordert - wenn alle Funktionen genutzt werden sollen - die Installation von vier (!) zusätzlichen Apps auf dem Smartphone.

ASUS' Erstling: Die ZenWatch überzeugt optisch, enttäuscht aber in Sachen Laufzeit, Sensoren und Benutzeroberfläche

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Und was kommt am Ende dabei heraus? Eine Uhr, die mich über eingehende Nachrichten, bevorstehende Termine sowie verpasste Anrufe informiert und im besten Fall alle drei Tage (G Watch R) und im schlechtesten Fall nach 20 Stunden (ZenWatch) wieder geladen werden muss. Darauf können viele Verbraucher verzichten. Denn es gibt längst Geräte auf Basis anderer Betriebssysteme, die in einigen oder gar allen Punkten besser sind, Samsungs Tizen-Wearbables sind hier das bekannteste Beispiel. Mit der Gear S steht hier sogar ein Modell zur Verfügung, das weitestgehend autark genutzt werden kann - Android Wear hält seine Geräte hingegen an der sehr kurzen (Bluetooth-)Leine.

Am Ender der Gewinner? Die Apple Watch Android Wear schnell den Rang ablaufen

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Ob sich daran und an den zahlreichen anderen Problemen etwas ändern wird? Mit Sicherheit. Doch bis dahin werden noch zahlreiche Monate vergehen, Googles Behäbigkeit und Beratungsresistenz kennt man nicht nur von Android. Dabei kann man sich dieses gemächliche Tempo in Mountain View eigentlich nicht erlauben. Denn sollte die Apple Watch vom Verbraucher gut angenommen werden, wird der Druck, der schon jetzt von Samsung leicht aufgebaut wird, um ein vielfaches höher. Am Ende könnte es dann wieder einmal heißen: Apple hat eine Gerätekategorie nicht erfunden, wohl aber endlich wirklich nutzbar und massentauglich gemacht.

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